2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

Eine schrecklich nette Familie

Klimawandel in Meerbusch: Die Entwicklung und Pläne des TuS Bösinghoven

Der TuS Bösinghoven ist in sechs Jahren fünfmal aufgestiegen, von der Kreisliga in die Oberliga. Doch das ist erst der Anfang. 2015 soll in Meerbusch ein Großklub entstehen, der es in die 4. Liga schaffen kann. Wir haben einen Fußballnachmittag mit Familie Peters verbracht, die den ganzen Erfolg organisiert.

Werner Wildhagen ist unzufrieden. Grummelnd wendet er seinen Blick vom Spielfeld ab. „Solche Chancen...“, schimpft er, geht ein paar schnelle Schritte und kickt zum Frustabbau erst mal ein Hütchen von der Seitenlinie. Fast 40 Minuten sind vorbei. Und es steht noch immer 0:0. Gegen den Tabellenletzten. Dabei sollte ein souveräner Sieg im ersten Spiel nach der Winterpause Selbstvertrauen für die kommenden Monate geben.

Drei Meter hinter dem kopfschüttelnden Trainer steht Christoph Peters. Auffallend entspannt lehnt der am Häuschen hinter der Spielerbank. „Das wird schon“, ist sich der 42-Jährige sicher und zieht nickend an seiner Zigarette. „In der zweiten Halbzeit spielen wir auf unser Tor“, sagt er und deutet mit dem Kopf in Richtung des Tores vor dem Vereinsheim.

Eine knappe halbe Stunde später kann sich Peters ein Grinsen nicht verkneifen. Was in die eine Richtung eine Hälfte lang nicht geklappt hat, ist nun bereits nach 80 Sekunden passiert. Weitere
sechs Minuten später steht es bereits 3:0. „Ich sag ja: unser Tor“, lacht Peters und klatscht die Ersatzspieler ab. Am Ende heißt es gar 8:1.

Man könnte das jetzt als Glückstreffer aus der Abteilung Fußballer-Aberglauben abtun. Man könnte aber auch einfach sagen: Peters kennt seinen Verein. Wahrscheinlich wie nur ganz wenige.

Der Dorfklub aus der 2300-Seelen-Gemeinde

Sein Verein, das ist der TuS Bösinghoven. Eigentlich ein klassischer Dorfklub vom Niederrhein. Mit etwas mehr als 1300 Mitgliedern. Den üblichen Angeboten wie Fußball, Gymnastik, Badminton und Laufen. Und auch ein paar eher Exotischen wie Karate, Inline-Skating und Flagfootball. Was den Verein aus der 2300-Seelen-Gemeinde im östlichen Meerbusch allerdings von vielen in seiner Umgebung
unterscheidet, ist die Fußballabteilung. Oder viel mehr: deren jüngere Geschichte. Keine acht Jahre ist es her, da gehörten die Schwarz-Gelben zur Stammbesetzung der Kreisliga B Kempen/Krefeld. Dann gab es einen Führungswechsel, und schon ging es bergauf. Fünf Mal. Mittlerweile ist der TuS Bösinghoven in der Oberliga Niederrhein angekommen, immerhin die fünfthöchste Klasse.

Diesen Aufschwung verbinden viele mit der Familie Peters. „Ohne die wäre das nicht so gekommen“, ist sich auch Heinz-Dieter Arpke sicher. Arpke muss es wissen. Er hat die ganzen Veränderungen der vergangenen Jahre hautnah mitbekommen. „Ich bin seit mehr als 30 Jahren hier. Aber dass das hier mal so groß wird, damit hätte keiner gerechnet“, sagt er.

Der 72-Jährige steht bei jedem Heimspiel gemeinsam mit Udo Lindecker am Grill zwischen Vereinsheim und Kunstrasen. Und während er rund zwei Stunden vor dem Spiel die Kohle vorbereitet, hält er hier und da ein Pläuschchen und hat für jeden einen Spruch parat. Meistens für Kollege Lindecker, der seinerseits gern austeilt. „Wir kennen uns, wir sind hier wie eine Familie“, sagt er. Was ja viele von sich behaupten. Aber in Bösinghoven kommt das wirklich hin. Ihre Enkel kicken in der Jugend, die Kinder feuern am Spielfeldrand an, die Frauen stehen hinter der Kuchentheke. Fast jeder wird mit Handschlag oder Umarmung begrüßt. Natürlich haben sie 2008 auch alle beim Bau des Vereinsheims ehrenamtlich geholfen.

„Eigentlich wollten wir nur mal wieder in die Kreisliga A“

Der war ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg nach oben. „Das ging aber schon vorher los – als der Vater die Kinder hier reingeholt hat“, sagt Arpke und meint damit Johannes Peters, Gründungsmitglied
1964 und seit 27 Jahren im Vorstand. Johannes Peters ist ein höflicher Mann mit Hund. Der schwarz-gelbe Schal sitzt adrett, das Vereinswappen des TuS ist in voller Blüte zu sehen. „Der Erfolg geht nur über ein gutes Team“, sagt er. „Das ist wie bei einer Firma. Man braucht gute Mitarbeiter.“

Das weiß der heute 65-Jährige aus eigener Erfahrung. Mitte des vergangenen Jahrzehnts suchte er einen neuen Fußballobmann. Und wurde gleich doppelt in der Familie fündig. Sohn Daniel übernahm den Posten des Abteilungsleiters, sein älterer Bruder Christoph wurde Sportlicher Leiter.

Allerdings erst nach einigem Zögern. „Ich habe nicht sofort zugesagt“, erzählt Christoph Peters. „Eigentlich hatte ich mit dem TuS nichts mehr zu tun.“ In der C-Jugend hatte er zuletzt dort gekickt, dann aber lieber Handball bei den Nachbarn in Lank gespielt. „Ich bin nicht mal zu den Spielen hierhergekommen.“

Trotzdem sagte er irgendwann zu. Und hatte zunächst ein eher bescheidenes Ziel: „Eigentlich wollten wir nur mal wieder in die Kreisliga A.“ Was dann auch recht schnell klappte. Doch in der Saison darauf folgte nicht etwa der erwartete Abstiegskampf, die Siegesserie ging einfach weiter. „Am Ende sind wir mit 20 Punkten Vorsprung direkt wieder aufgestiegen. Wir hatten aber auch ein paar Hochkaräter auf dem Platz“, sagt Peters, der spätestens jetzt Blut geleckt hatte und begann, den Verein zu professionalisieren.
Seit dem geht es immer weiter bergauf.

Dass der Klub so erfolgreich geworden ist, liegt auch daran, dass Peters als langjähriger Sponsor von Fortuna Düsseldorf regelmäßige Einblicke in die Strukturen des Profigeschäfts bekommt. Bei Verhandlungen, im VIP-Raum, bei Vereinsveranstaltungen, Sponsoren – oder Presseterminen. Seit Jahren beobachtet er genau. Guckt sich hier und da etwas ab. Vermeidet gleichzeitig Fehler, die er dort gesehen hat.

Man könnte sagen: Christoph Peters lebt das Profigeschäft im Kleinen, in Bösinghoven. „Wir haben hier Strukturen, da könnte sich der ein oder andere größere Verein eine Scheibe von abschneiden“, sagt sein Vater Johannes und gerät regelrecht ins Schwärmen. Über tolle Abteilungen, großartige Mitarbeiter. Die
ganzen Helfer.

In der Tat ist es beeindruckend, wie penibel dieser Fünftligist organisiert ist. Vorstand, Abteilungsleitung, Sportliche Leitung, Geschäftsführung, Marketing, Parkplatz, Öffentlichkeitsarbeit, Moderation und Musik, Sponsoren- und Gästebetreuung, Verpflegung. Für fast alle diese Aufgaben gibt es jeweils eine Person.
„Ohne die ganzen Leute würde das gar nicht gehen“, sagt Christoph Peters und nennt stellvertretend Wirtin Maria Nollau. Mehr als 15 Leute sind am Spieltag im Einsatz und kümmern sich um die etwa 250 bis 400 Zuschauer.

Kälte-Klima-Peters als Trikotsponsor und Arbeitgeber

Den Hut haben in Bösinghoven die drei Peters auf. Vor allem rund um die erste Mannschaft. Allein Christoph ist mit seiner Firma Trikotsponsor des Teams und Arbeitgeber zahlreicher Spieler, mit denen er wiederum befreundet ist. Er steht in engem Austausch mit dem Trainergespann. Hält den Kontakt zur Fortuna, die regelmäßig zu Freundschaftsspielen vorbeikommt. Er handelt die Verträge aus. Kümmert sich um Zugänge. Hat ein Auge auf die Finanzen. Spricht mit der Stadt und den Anwohnern.

„Man könnte aus uns drei Ehrenamtlern zwei Vollzeitkräfte machen“, ist sich Daniel Peters sicher. „Wir haben Tag und Nacht ein offenes Ohr für den Verein“, ergänzt sein Vater. Wie viele Stunden sie im Monat für den Verein geben? „Im Monat?“ kommt es gleich zurück. Es sind mehrere täglich.

Ständig denken sie darüber nach, wie sie den TuS weiter nach vorne bringen können. Letztens kam Christoph mal wieder auf eine Idee und hat eine Anzeigetafel gekauft. Aber damit ist es ja nicht getan. Zahlreiche Gespräche folgten. Mit der Baufirma wegen des Fundaments, mit dem Bauamt wegen der Nähe der Anlage zur A57. Mit dem Elektrikern wegen der Stromverbindung. Mit möglichen Sponsoren.

Heute, gegen Lackhausen, steht sie zum ersten Mal. Vor dem Spiel macht sich Grillmeister Arpke noch scherzhaft Gedanken, ob die überhaupt gebraucht wird. Nach dem 8:1 sorgen sich die Ersatzspieler, ob sie auch zweistellige ergebnisse anzeigen kann.

Christoph Peters lacht. Er weiß, dass zu einem richtigen Stadion auch eine Anzeigetafel gehört. Genauso wie die Ergebnisse von den anderen Plätzen, die durchgesagt werden. Peters will den Leuten etwas bieten, den Spieltag perfektionieren. Er ist ein 100-Prozent-Typ. Ein Macher. Auch im Berufsleben.

Bereits mit 20 beginnt er seinen Meister. Nicht viel später kündigt er, verkauft seinen Gebrauchtwagen und gründet seine eigene Firma für Kälteanlagen. Wieder nur kurze Zeit später ist er bereits international tätig. Heute hat er mehr als 50 Mitarbeiter, setzt Millionen um, beliefert Weltkonzerne. „Die kennt ihr alle“, sagt er, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Peters redet gern, viel und schnell. Er mag und macht klare Ansagen.

Man merkt ihm an, dass er stolz auf das Erreichte ist, dass er sich und sein Leben gelungen findet. Aber er kommt nicht arrogant daher. Eher kumpelhaft. Vor dem Spiel ist er mit in der Kabine, sagt ein paar motivierende Worte zum Start ins neue Jahr. Aber er tut das eher ruhig und hält sich dann zurück. Er weiß, wann er nicht im Mittelpunkt steht. Jetzt ist Trainer Wolfgang Wildhagen dran.

Hype um die Ex-Profis Palikuca und Lawarée

Draußen vor dem Vereinsheim sieht das wieder anders aus. Auf dem Weg über die Anlage bleibt er ständig stehen, nimmt sich für jeden Zeit. Viele Ex-Spieler sind hier. Peters ist stolz darauf: „Die kommen wieder, weil sie sich hier wohlfühlen“, sagt der Manager und schüttelt schon die nächste Hand. Die gehört Hotte. „Unser Edelfan“, nennt Peters den älteren Mann, der zum Start ins neue Fußballjahr mit einem Geschenk vorbeikommt. Hotte hat extra eine Wanduhr im TuS-Design hergestellt. „Die kommt
sofort bei mir ins Büro“, sagt Peters. Man glaubt es ihm.

Auch sonst ist er ein geselliger Typ. Während sein Bruder an der Technik sitzt und sein Vater die Spiele am liebsten nur mit seinem Hund hinter dem Tor verbringt, muss Peters mittendrin sein. An der Spielerbank, als Teil des Teams. Nach jedem Tor sucht er gleich jemanden, mit dem er abklatschen oder ihn umarmen kann. Meistens ist das Robert Palikuca. Den 35 Jahre alten Ex-Profi hat er bei der Fortuna kennengelernt. Mittlerweile sind sie eng befreundet. „Die ganze Familie Peters ist unverzichtbar. Der heutige Verein ist ohne die Drei unvorstellbar“, sagt Palikuca, der als Co-Trainer und Stand-By-Spieler agiert. Natürlich hat ihn Peters, der Pate seiner Kinder, nach Bösinghoven geholt.

Vor dreieinhalb Jahren war das. Als der TuS in der Landesliga angekommen war, wollte es Peters endgültig wissen. Er verpflichtete in Palikuca und Axel Lawarée zwei Ex-Profis von der Fortuna und erregte Aufsehen. Ein wahrer Hype entstand. Mehr Zuschauer, mehr Geld. Mittlerweile gehören dem Sponsorenpool 72 Unternehmen aus der Umgebung an. Die größeren Gönner sind unterteilt in Premium- und Business- Partner, die kleineren im „Club 64“. Wie bei einem richtigen Profiverein. Das ist
Peters wichtig. Natürlich übernimmt seine Firma als Hauptsponsor den größten Anteil an dem sechsstelligen Etat, „wir stehen aber auf vielen Füßen und geben nur das Geld aus, was wir haben“.

Pläne für die Saison 2015/16: neues Wappen, neue Vereinsfarben

Sportlich hat das bislang immer für den nächsten Schritt gereicht. Auch der Plan mit den Ex-Profis in der Landesliga funktionierte. Über den Umweg Relegation ging es gleich wieder hoch. Dann qualifizierte sich das Team auch noch für die Oberliga.

Dort ist der TuS nun in der zweiten Saison, hat sich im Mittelfeld etabliert. Und geht es nach Palikuca, selbst im Marketing bei der Fortuna tätig, ist unter diesen Voraussetzungen auch nicht mehr drin. „Die Grenze ist erreicht“, sagt er und deutet auf den Platz. „Wir haben vier Herren- und zig Jugend-Mannschaften. Aber nur einen Platz. Teilweise trainieren drei Teams gleichzeitig. Das ist in der Oberliga nicht wirklich möglich.“

Kurzfristig will der Klub einen kleinen Kunstrasen auf der Wiese auf der anderen Seite der Anlage bauen. Dann wären zumindest die Jugend-Teams versorgt. Mehr ist nicht möglich. Es ist schlicht kein Platz. Auf der einen Seite ist die Autobahn, auf der anderen sind Wohnhäuser.

Langfristig muss deswegen die große Lösung her. Geht es nach Familie Peters, die ganz Große. „Hier können wir nicht weiterwachsen“, sagt Daniel und klingt dabei wie ein Geschäftsmann. Auch er ist im wirklichen Leben einer, als zweiter Mann im Kälteanlagen-Betrieb.

Um aber weiter zu wachsen, muss eine Fusion her. Seit 2012 verhandelt der TuS deswegen mit dem ASV Lank aus der Nachbargemeinde. Dort soll dann auch gebaut werden. „Spätestens 2015 muss
es soweit sein“, sagt Johannes Peters. Dann dürfte der TuS in seiner jetzigen Form Geschichte sein. „Wir wollen ganz Meerbusch mitnehmen“, kündigt Christoph Peters mit leuchtenden Augen an. Soll heißen: Der Stadtname wird übernommen, es gibt ein neues Wappen, neue Vereinsfarben. Alles ist dann neu, für den nächsten Schritt. Den hat Peters fest im Blick: „Die Regionalliga ist möglich.“ Bestimmt.

Aufrufe: 03.4.2014, 13:15 Uhr
Bernd SchwickerathAutor