2024-05-02T16:12:49.858Z

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Simon Fischer ist trotz 13.000 Kilometer Entfernung ganz nah dran an seinem Verein Espanol Wiesbaden.
Simon Fischer ist trotz 13.000 Kilometer Entfernung ganz nah dran an seinem Verein Espanol Wiesbaden.

Ein Fupaner am anderen Ende der Welt

Der Mainzer Simon Fischer spielte in der Wiesbadener Kreisliga bei Espanol Wiesbaden, jetzt leistet er Friedensarbeit im fernen Osttimor.

Der entlegene Inselstaat Osttimor ist Teil Südostasiens und liegt nördlich von Australien. Das Land ist absolut fußballverrückt, aber mit Rang 170 der Fußball-Weltrangliste ein No-Name in Europa.

Im FuPa-Interview spricht Simon über die harte Zeit ohne wöchentliche Ligaspiele, den einzigen Kunstrasenplatz des Landes und spontane Interviews mit dem Präsidenten.

- Was bedeutet Fußball ganz Allgemein im Leben für Dich?

Fußball ist schon ziemlich präsent in meinem Leben. In Deutschland habe ich in der Kreisklasse B beim CD Espanol gespielt und bei Inferno Vollpfosten in der Bunten Liga in Mainz. Dort haben wir auch einen freien Kick für Flüchtlinge organisiert, um die Integration zu fördern und einfach gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Außerdem habe ich Fußballcamps für Jugendliche betreut und nebenbei noch für ein Blindenfußball-Projekt gearbeitet, bei dem sehende Kinder erfahren, wie es ist, blind Fußball zu spielen.

- Aus unserer Sicht bist Du am anderen Ende der Welt, tausende Kilometer weit weg von Deiner Heimat. Warum bist Du ausgewandert und was genau machst Du in Südostasien?

Das war für mich die einmalige Gelegenheit eine ganz neue Kultur kennenzulernen und zu sehen, wie sich eine der jüngsten Demokratien der Erde entwickelt. Ich bin Fernsehjournalist und arbeite hier vor Ort in Osttimor bei einer TV-Produktionsfirma. Das ganze läuft über die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) und dort bin ich Teil des „Zivilen Friedensdienstes“. Hier produzieren wir jede Woche eine halbstündige Sendung für das nationale Fernsehen. Der Fokus bei unserem Programm liegt darauf, den Menschen eine Stimme zu geben, die sonst keine Lobby haben. Wir prangern aber nicht nur an, sondern versuchen auch Lösungen aufzuzeigen. Ich arbeite dabei als sogenannte integrierte Fachkraft. Das bedeutet, dass ich Seminare über Journalismus im Allgemeinen und über TV-Friedensjournalismus im Speziellen gebe. In der Regel machen wir ansonsten ganz klassische Fernsehbeiträge, wie in Deutschland auch.

- Beschreibe uns doch mal Land und Leute sowie deren Mentalität.

Ja, die Mentalität ist anders ;-) Hier ist alles ein wenig spontaner. Ich habe beispielsweise Anfang November mal nach einem klassischen Wand-Kalender für das kommende Jahr gefragt – hier gibt’s keinen outlook- oder google-Kalender – da haben sie gesagt, dass es die Kalender für 2016 immer erst ab dem 1. Advent gibt. Oder es kommt ein Kollege zu mir und sagt: „Das Büro des Präsidenten hat angerufen, er gibt uns ein Interview.“ Ich frage: „Wann?“. Er antwortet: „Jetzt.“ Dann sind wir hin und er hatte doch keine Zeit.

Die meisten Timoresen sind katholisch, pflegen aber trotzdem noch ihre „alte Kultur“. Wenn man hier als Mann eine Frau heiraten will, dann muss man je nach Bundesstaat bis zu 77 Büffel bezahlen. Trotz mancher Schwierigkeiten erlebe ich die Menschen hier als unheimlich freundlich und hilfsbereit, vor allem Fremden gegenüber. Es gibt hier das Wort „Malae“, das in etwa „weißer Ausländer“ bedeutet, es ist aber absolut positiv besetzt. Wenn man hier durch die Dörfer fährt, laufen die Kinder neben dem Auto her, winken, lachen, freuen sich einfach und rufen „Malae! Malae!“. Es ist wirklich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass das Land 500 Jahre von Portugal und danach von Indonesien besetzt war und jetzt erst seit 2002 unabhängig ist.

- Und wie sieht es mit Fußball in Osttimor aus?

Da ist es wie in Deutschland, ich kann mich hier mit allen stundenlang nur über Fußball unterhalten. Selbst wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, reicht es schon den Namen eines Spielers zu sagen und man zeigt einfach nur Daumen hoch oder runter. Der Fußball hat mir bei der Integration überall sonst auf der Welt immer geholfen, Freunde zu finden und so war das auch hier. Zurzeit spiele ich dreimal die Woche mit ein paar Jungs auf dem Parkplatz der Vereinten Nationen Fußball und will nächstes Jahr ein Projekt starten, in dem ich Jugendlichen durch Fußball Life-Skills und Englisch beibringe.

- Osttimor steht an Nummer 170 der Fußball-Weltrangliste. Wie läuft es denn bei der Nationalmannschaft und gibt es überhaupt einen Ligabetrieb?

Die Quali für die WM in Russland hat ja ganz gut angefangen. Mit zwei Siegen gegen die Mongolei haben wir uns für die erste Gruppenphase qualifiziert und sind auch direkt auf Platz 155 gesprungen. Dann kamen Ex-Bundesligaprofi Mark van Bommel und der ehemalige Bondscoach Bert van Marwijk mit ihrem Team aus Saudi-Arabien hier vorbei (siehe Galerie) und haben uns in zwei Spielen 17 Tore eingeschenkt. Da war der Traum von der Quali auch schnell vorbei.

Letzte Woche ist außerdem gerade die erste Amateurliga gegründet worden, Profifußball gibt es nicht. Ich bin mal gespannt wie sich die Liga entwickelt. Sonst wird einfach immer und an jeder Ecke Fußball gespielt. Wenn ich zu einem Dreh in weit entfernte Ortschaften fahre, nehme ich immer einen Fußball mit und kicke ein wenig mit den Kindern im Ort, dann sind direkt alle Berührungsängste weg. Den Ball lass ich dann meistens da. Ansonsten spielen die Kids ganz klassisch mit Dosen oder mit Zeitung, die von Klebeband zusammengehalten wird.

- Gibt es klassische Fußballplätze, auf denen die Kids kicken können?

In ganz Osttimor gibt es nur einen Kunstrasenplatz und auf dem trainieren die Nationalmannschaft sowie sämtliche U-Auswahlmannschaften. Gleichzeitig steht an jeder Straßenecke ein selbst gebasteltes Tor und alle sind am kicken. Meistens schon ganz früh morgens, wenn die Sonne aufgeht und dann bis in die Abendstunden hinein. Am Strand findet man auch nur ganz wenige Stellen, wo man sich mal in Ruhe hinlegen kann, weil alle am kicken sind.

- Kommen wir zum Amateurfußball, in dem Du dich jahrelang engagiert und aktiv mitgekickt hast. Was macht für Dich den Sport in der B-Klasse in Wiesbaden aus?

In der Kreisklasse habe ich einfach immer das Gefühl: Das ist Fußball. Die Leibchen stinken sogar, wenn sie gewaschen wurden, es gibt maximal drei Paar Stutzen die kein Loch haben und jede Oma hat mindestens zwei Mal im Jahr Geburtstag. Wenn die gegnerische Mannschaft eine schöne Kombination zeigt oder von 35 Metern einen in den Giebel haut, dann kann ich mich heutzutage an der Schönheit des Fußballs freuen und dann sag ich dem Gegenspieler auch, dass er da gerade gezaubert hat. Obwohl so ein Bierchen nach dem Spiel doch besser schmeckt, wenn man gewonnen hat. Ich sehe aber auch ein Problem bei manchen Amateurfußballern. Manche nehmen sich falsche Spieler zum Vorbild. Da gibt es Schwalben, Verletzungen werden vorgetäuscht oder der Schiedsrichter wird angegangen. Ich hab gerade ein wenig die Rugby-WM verfolgt. Da sollten sich einige mal ein Beispiel nehmen. Da gibt es eine ehrliche Härte, aber der Umgang miteinander ist immer fair.

- Informierst Du Dich denn regelmäßig über das Spielgeschehen und welche Rolle spielt dabei FuPa?

Zunächst ist natürlich das Internet unfassbar wichtig für mich. Per Mail, skype, whatsApp etc. ist es ziemlich leicht, den Kontakt in die weit entfernte Heimat zu halten – mal abgesehen von dem Zeitunterschied. Ich bin zum Beispiel in der Espanol-WhatsApp-Gruppe, da weiß ich dann auch immer, wer bei welcher Trainingseinheit war. Aber sonst brauch ich Montagmorgens immer ein wenig Zeit. Zuerst schau ich mir natürlich die anderen Ergebnisse der Kreisklasse B an. Mittlerweile ist da fupa echt die einzige Möglichkeit. Fußball.de hat sich meiner Meinung nach mit dem Relaunch ein Eigentor geschossen. Nach der B-Klasse geht es dann zu den Ergebnissen der A-Klasse, dann zur KOL und danach zur C-Klasse. Meinetwegen könnte es natürlich auch noch mehr Infos zu den Spielen geben, da gibt es kein „zu viel“. Vor einiger Zeit habe ich mir noch das Spiel von Amöneburg angeschaut. Die hatten ja die Berichterstattung bei Euch gewonnen. Mit den Amöneburgern teilen wir uns den Sportplatz. Das war echt ganz lustig, die ganzen Gesichter mal wieder zu sehen und das verkürzt natürlich auch die Distanz.

Aufrufe: 025.12.2015, 17:30 Uhr
Mike DornhöferAutor