2024-05-02T16:12:49.858Z

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Quo vadis? Schiedsrichter erwägen einen Streik. Foto: Mario Luge
Quo vadis? Schiedsrichter erwägen einen Streik. Foto: Mario Luge

Droht jetzt ein Schiri-Streik?

Nach dem Angriff auf den Unparteiischen eines Jugendspiels regt sich Protest +++ Schiedsrichter diskutieren kontrovers +++ Wiesbadener Modell mit "Task Force" gegen Gewalt

Der tätliche Angriff gegen den Schiedsrichter eines Jugendspiels sorgt weiter für Aufregung in der heimischen Fußballszene. Erneut werden Stimmen laut, mit einem Streik auf die oft schwierige Situation für Referees aufmerksam zu machen. Ein Schiedsrichter aus Bad Kreuznach will bei seinem nächsten Einsatz die Spielleitung für fünf Minuten unterbrechen und schlägt dem Verband eine symbolische Geste für alle Spiele vor.

Dominik Tryankowski will ein Zeichen der Solidarität setzen. Nach dem Schlag gegen einen Schiedsrichter bei einem E-Junioren-Spiel in Bad Kreuznach hat er eine Mail an den Verband geschickt. Sein Ansinnen: Sämtliche Partien, die am kommenden Wochenende von offiziellen Schiedsrichtern besetzt werden, sollen nach 20 Minuten kurz unterbrochen werden. Der Unparteiische aus Bingen will sein Spiel am Freitag definitiv unterbrechen. "Ich werde für fünf Minuten in die Kabine gehen und die Partie danach fortsetzen", sagt Tryankowski, der für den TuS Roxheim pfeift.


Dominik Tryankowski will ein Zeichen setzen. Foto: Mario Luge

Bad Kreuznachs Kreis-Schiedsrichterobmann Christian Wendel konnte noch nicht mit Tryankowski sprechen und kann dessen geplantem Protest wenig abgewinnen: "Ich bin mit der Entscheidung des Schiedsrichters nicht einverstanden. Man muss mit solchen Aktionen vorsichtig sein. Der Schuss kann schnell nach hinten los gehen und auf die Schiedsrichter zurückfallen." Wendel betont, dass es sich bei dem Vorfall in Bad Kreuznach um keinen aktiven Schiedsrichter handelt, sondern einen vom Verein gestellten Referee. Dieser hatte sich im Vorfeld des tätlichen Angriffs nach Bekunden seines Vereins Degenia Bad Kreuznach nicht gerade diplomatisch verhalten und wurde mittlerweile seiner Aufgaben entbunden. Hätte es sich bei der E-Jugend-Partie um einen aktiven Schiedsrichter gehandelt, könnte sich Wendel eine gemeinsame Aktion seiner Schiedsrichter vorstellen.

Wiesbadener Streik-Erfahrung

Das sieht Wiesbadens Kreis-Schiedsrichterobmann Ingmar Schnurr anders. Ob es sich um einen ausgebildeten Referee oder einen vom Verein gestellten Unparteiischen handelt, macht für ihn keinen Unterschied. "Das ist doch absoluter Wahnsinn. Da wird einer, der ein Fußballspiel von Kindern pfeift, niedergeschlagen. Dagegen muss man ein deutliches Zeichen setzen." Im Kreis Wiesbaden hat es dieses deutliche Zeichen vor einigen Jahren schon einmal gegeben. Damals war dem Schiedsrichter eines A-Jugendspiels ein Zahn ausgeschlagen worden. Die Kolleginnen und Kollegen hatten daraufhin in einer abgestimmten Aktion an einem kompletten Spieltag die Pfeife niedergelegt.

Bernd Hensel, stellvertretender Verbandsschiedsrichterobmann im Südwestdeutschen Fußballverband hält das für den falschen Weg: „Meiner Meinung nach ist das Fernbleiben von Schiedsrichtern an Spieltagen die falsche Lösung. Dennoch muss man über eine solche Aktion und mögliche Alternativen sprechen."

Dagegen hält Uwe Lang, Kreis-Schiedsrichterobmann in Groß-Gerau, einen deutlichen Protest für sinnvoll: "Es würde nicht schaden einmal ein Zeichen zu setzen. Wir Schiedsrichter sind kein Freiwild, mit denen man alles machen kann. Dass verstehen manche nicht. Die Idee, eine Partie für fünf Minuten symbolisch zu unterbrechen, findet Lang gut. "Eine Alternative wäre es, Spiele gar nicht zu besetzen. Das würde das Bewusstsein über das Schiedsrichterwesen vielleicht wieder einmal ins Gewissen rufen. In der ganzen Sachen sind auch die Vereine gefragt. Es kommt immer wieder vor, dass Trainer und Betreuer ein Fehlverhalten an den Tag legen, die Vereine aber tatenlos zuschauen", moniert Lang.

"Also ich persönlich würde kein Spiel unterbrechen. Wenn jeder Schiedsrichter für fünf Minuten symbolisch unterbricht, wo kommen wir dann hin?" fragt sich Klaus Reuter, Schiedsrichterobmann aus dem Rheingau-Taunus-Kreis und ergänzt: "Natürlich gab es auch in unserem Kreis schon Schiedsrichter, die attackiert wurden. Aber wir haben funktionierende Rechtsausschüsse, die gute Entscheidungen treffen."

"Streik nur flächendeckend sinnvoll"

Ob ein Streik effektiv wirken könnte, da hat auch Kalli Appelmann, Schiedsrichterobmann Alzey-Worms, so seine Zweifel: "Damit setzt du zwar lokal ein Zeichen, aber triffst nicht die Vereine, die es verdienen. Das Problem ist, dass die Spiele im Austausch stattfinden, die Aktivenspiele werden dann anders besetzt. Deswegen bin ich kein Freund davon." Wirkungsvoll wäre der Streik aus seiner Sicht nur, wenn „er flächendeckend abläuft und der gesamte Verband streikt“, so Appelmann.

Ins gleiche Horn stößt der Schiedsrichterobmann aus dem Main-Taunus-Kreis, Peter Willbuck: „Aus meiner Sicht bringt solch ein Fernbleiben von Spielen wenig, gerade bei Spielen, wo es sowieso nur eine Handvoll Zuschauer betrifft. Aber es wäre auch falsch, gar nichts zu machen. Solch eine Aktion sollte daher flächendeckend durchgeführt werden. Alternative Maßnahmen sehe ich wenig gegeben. Es bleiben höchstens die Kommunikation in den Terminsitzungen der einzelnen Klassen oder der Weg über die Presse. Leider sterben diese Leute auch nicht aus, die für solche Skandale und Spielabbrüche sorgen.“

Gewaltprävention schon im Jugendbereich

Aktives Entgegenwirken hat man sich deshalb im Fußballkreis Wiesbaden auf die Fahnen geschrieben: Nach einigen Vorfällen in den vergangenen Jahren war eine sogenannte "Task Force" gegründet worden, die offensiv an alle Klubs herantrat und mit vermeintlichen Problemvereinen den Dialog suchte. Als Nachbereitung und präventiv. "Es hat anscheinend gewirkt, die Vereine sind beim Thema Gewalt sensibilisiert und seither ist kaum etwas vorgefallen", sagt Ingo Jungk, Klassenleiter der Kreisliga A Wiesbaden. Jungk koordiniert zudem in Wiesbaden die Qualifizierung von Jugendtrainern und war zwölf Jahre lang Kreisjugendwart im Hochtaunus-Kreis. Dass man das Thema Gewaltprävention schon im Jugendbereich thematisieren muss, weiß Jungk daher nur zu gut: "Oft sind es übermotivierte Trainer oder Eltern, die zu viel Emotionen einbringen." im Kreis Wiesbaden hat man daher die Zuschauer von der Seitenlinie verbannt. Sie dürfen sich nur noch hinter den Toren und damit in der Regel weiter weg vom Spielfeld und den kickenden Kindern aufhalten. Das hat laut Jungk zu einer Entspannung sowie wenig Hektik und Zwischenfällen bei Jugendspielen geführt: "Sowas bringt viel mehr als jeder Streik der Welt."

Aufrufe: 016.9.2014, 09:00 Uhr
Marth, Loos, Brunetti, Durillo, Hand, StreubigAutor