2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
"Spielberechtigt für Verbandsspiele ab: 07.04.2014" - Der Spielerpass von Mamadou Diop wird am Sonntag nicht zum Einsatz kommen. (F.: FuPa)
"Spielberechtigt für Verbandsspiele ab: 07.04.2014" - Der Spielerpass von Mamadou Diop wird am Sonntag nicht zum Einsatz kommen. (F.: FuPa)

Die 20 Minuten des "Idrissou" Diop

Sechs Monate lang trainierte ein junger Senegalese beim ASN Pfeil/Phönix. Am Wochenende hätte auch für ihn die Saison begonnen...

Verlinkte Inhalte

Eines Tages stand er auf dem Platz. Es war Februar, Auftakt der Wintervorbereitung. Wie alt er sei, wurde er gefragt. Er hob nur ratlos die Arme. Der Trainer schrieb "45" in den Sand und deutete auf sich. Mamadou kniete sich hin in seinem abgetragenen Pullover und seinen Turnschuhen und schrieb "22" daneben.

Er kam aus dem Senegal, sprach kein deutsch, kein englisch, nur französisch. "Servus" war das erste Wort, das er lernte. Er sagte "Servus", wenn er zum Treffpunkt erschien, "Servus", wenn er die Kabine betrat und sich auf seinen Platz rechts an der Wand setzte, "Servus Coach", wenn er auf den Platz trabte. Er bekam eine Trainingsjacke aus dem Vereinsfundus, jemand drückte ihm Fußballschuhe in die Hand, ein bisschen zu groß zwar, aber es ging. Die Frau eines Teamkameraden, beschäftigt bei einem Sportartikelhersteller, stattete ihn mit Trikots und Hosen aus.

Jeden Dienstag, jeden Donnerstag tauchte er im Training auf. Er verließ sein Asylbewerberheim in Schafhof, lief die Äußere Bayreuther Straße entlang, die Ziegelsteinstraße, dann bog er in die Marienbergstraße ab. Dort konnte man ihn manchmal laufen sehen aus dem Seitenfenster, wenn man mit dem Auto anfuhr. Er war kein begnadeter Techniker; er konnte den Ball stoppen und spielen, aber vor dem Tor ließ er im Trainingsspiel keine Chance aus. Ansonsten zog man besser den Fuß zurück, wenn er auf einen zurauschte. Er bekam einen Spitznamen: Idrissou. Nach dem Training packte er seine Sachen zusammen, sagte "Servus" und verschwand.

Im Juni war die Spielzeit vorbei. Nach der Sommerpause stand er zum ersten Trainingstermin vor dem Vereinsheim. Er kam in Testspielen der Reserve zum Einsatz, Ende Juli durfte er mit zur Auswärtspartie der ersten Mannschaft. Er wurde eingewechselt gegen den SV Tennenlohe, für zwanzig Minuten machte er seine Sache ordentlich. Am Tag der Saisoneröffnungsfeier brannte die Sonne herunter. Mamadou hatte wieder einen Einsatz in der Reserve. Anschließend aber packte er nicht seine Sachen zusammen und sagte "Servus". Diesmal blieb er. Er saß noch inmitten all der anderen, als Helene atemlos aus der Konserve sang, als die Dämmerung die letzten Grillrauchschwaden verschluckte, als die Augen vieler glasig und die Sprache schwammig wurde. "Idrissou, want some beer?", fragte einer. "No, Cola, I'm muslim", antwortete er. Er saß noch da, als die Klopfer auf seine Schulter zunahmen und ihm in breitem, lallendem Fränkisch Saisonprognosen erzählt wurden. Er saß da, trank seine Cola, lächelte. Irgendwann nachts ist er gegangen, zurück an den Ort, wo das andere, das eigentliche Leben auf ihn wartete.

"Heimat ist unerlässlich, aber sie ist nicht an Ländereien gebunden. Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir vernehmen und erreichen", schreibt Max Frisch. Den Spielerpass aus München, dieser Verwaltungsakt, den er vernahm, der ihn erreichte, unterschrieb Mamadou mit einem X. "Spielberechtigt für Verbandsspiele ab: 07.04.2014" steht darauf. Am Sonntag hätte dieses Dokument zum Einsatz kommen sollen, denn die Saison beginnt endlich auch für seinen Verein; für das Team, in dem sie ihn nur halb, nur mit Händen und Füßen verstanden haben; für das Team, mit dem er nicht viele Worte wechseln konnte über die ernsten Dinge; darüber, ob er auch einer aus den überfüllten Booten war, wie er in dieser Stadt landete, dann im Schafhofer Heim, dann hier auf dem Sandplatz an diesem Tag im Februar. Am Sonntag beginnt die Saison auch für die A-Klasse 6. Für Mamadou aber beginnt sie nicht.

Am Dienstag letzter Woche blieb sein Platz rechts, an der Wand der Kabine zwei, leer. Spielberechtigt ab dem 07.04.2014. Mamadou wurde in seine Heimat abgeschoben.

Aufrufe: 013.8.2014, 15:23 Uhr
Jan MauerAutor