Eine groteske Vorstellung: Spieler A, bis dato bester Mann auf dem Platz, muss in der 60. Minute einer Bayernligapartie ausgewechselt werden. Grund: Er hat sein vorgeschriebenes Stundenpensum in diesem Monat bereits erfüllt. Spieler B lässt jede Woche eine Trainingseinheit ausfallen, weil sein langer Anfahrtsweg zu viel Zeit verschlingt.
So weit wird es zwar nicht kommen. Doch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2015 könnte einige Sportvereine vor finanzielle Probleme stellen, sagt selbst Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußballverbandes und DFB-Vizepräsident. Wenn Amateure für kleine Gehälter spielen, müssten diese an die neuen Standards angepasst und erhöht werden. Gängig sind Summen im niedrigen dreistelligen Bereich, die in Relation zum wöchentlichen Zeitaufwand für Training und Spiele den geforderten Mindestlohn kaum erfüllen dürften. Gerade die „ländlichen“ Regional- und Bayernligisten sind hier betroffen.
„Momentan sieht es so aus, als ob wieder einmal den kleineren Vereinen ein richtiges Ei ins Nest gelegt worden ist“, meint beispielsweise Gunter Bierfelder, Vorsitzender des Bayernligisten Sp Vgg Jahn Forchheim und Rechtsanwalt gegenüber den Nordbayerischen Nachrichten. „Es gibt dutzende heikler Fragen, aber bisher nur wenig Antworten. Selbst Steuerberater können nur den Kaffeesatz lesen.“ Josef Lobenhofer, der Fußball-Abteilungsleiter des Regionalligisten SV Seligenporten, will den Teufel nicht an die Wand malen. „Der Mindestlohn wird durch unsere professionelle Buchhaltung gewürdigt“, sagt er ganz unaufgeregt. Heißt: Es wird bei den „Klosterern“ derzeit zwar gerechnet, aber nicht mit großartigen Mehrkosten wegen des neuen Gesetzes.
„Wir müssen halt auf ein vernünftiges finanzielles Niveau achten“, meint Lobenhofer, auch mit aktuellem Blick auf Verpflichtungen in der Winterpause. „Um es überspitzt zu sagen: Den Shaqiri hätten wir gerne gehabt, aber der war uns zu teuer.“ Ob das Mi Lo G, das neue Mindestlohn- Gesetz, den Sportvereinen mit ihren Aufwandsentschädigungen und Handgeldern teuer zu stehen kommt, diese Frage trieb die großen Sportverbände schon im Sommer 2014 um. Zwar gilt der Mindestlohn ausdrücklich nicht für ehrenamtliche Tätigkeiten; doch was genau darunter zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert.
Auf Bitten von DFB und DOSB definierte der Gesetzgeber eine ehrenamtliche Tätigkeit so: „Dies ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeit nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.“ Für Funktionäre, Trainer und Betreuer dürfte das in den meisten Fällen zutreffen. Übungsleiter und Vorstandsmitglieder fallen demnach nicht unter das Gesetz, zumindest wenn ihre Vergütungen im Rahmen der Steuerfreibeträge bleiben (maximal 2400 bzw. 720 Euro im Jahr). Personen unter 18 Jahren, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, sind generell nicht betroffen.
Komplizierter wird es bei den Aktiven. Der Gesetzgeber meint hier: „Auch Amateur- und Vertragssportler fallen nicht unter den Arbeitnehmer- Begriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund steht.“ Schwer zu beantworten bei einem Vertragsamateur, dessen Salär mindestens 250 Euro pro Monat betragen muss. Da wird es dann kompliziert. Für die Frage, ob sein gezahltes Gehalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht, kommt es dann auf die für das Gehalt angeordnete Arbeitszeit an.
Das Online-Portal www.reviersport. de hat hierzu ein Rechenexempel durchgeführt: „Muss der Spieler an drei Trainingseinheiten à eineinhalb Stunden sowie einem Spiel mit zweieinhalb Stunden (einschließlich Aufwärmen und Vorbesprechung, jeweils ohne Wegezeiten hin zum Arbeitsort) teilnehmen, kommt er auf sieben Stunden pro Woche. Die Rechnung: 7 x 4,33 = 30,31 Stunden pro Monat. Um dem Mi Lo G gerecht zu werden, müssen dann mindestens 30,31 x 8,50 Euro = 257,63 Euro pro Monat gezahlt werden.“
Das wären also nicht einmal acht Euro mehr als zuvor. Das Fazit von Revier Sport aus Essen: „Die Lösung für den Amateursport heißt Ehrenamt. Wird bei einer Vertragsunterschrift festgehalten, dass der Vereinsangestellte nicht ,in Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung‘, sondern aus der Intention einer ehrenamtlichen Beschäftigung handelt, für die er sich nur entschädigen lässt, bleibt fast alles beim Alten.“
Gunter Bierfelder von Jahn Forchheim stößt ein anderes „Denkmodell“ an: Der Arbeitsvertrag könnte nur die Teilnahme an Pflichtspielen umfassen. „Das Training wäre demnach im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft möglich, aber freiwillig. Ob dies eine unzulässige Umgehung des Mindestlohngesetzes darstellt, ist zu prüfen.“