2024-05-10T08:19:16.237Z

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Fünfmal pro Saison grillt Tristan Schult in Estorf die Wurst. Normalerweise die Wild-Krakauer von dem Fleisch von in der Region erlegtem Wild. Während des Pokalspiels gab es die Bratwurst aus dem Supermarkt. Fotos Berlin
Fünfmal pro Saison grillt Tristan Schult in Estorf die Wurst. Normalerweise die Wild-Krakauer von dem Fleisch von in der Region erlegtem Wild. Während des Pokalspiels gab es die Bratwurst aus dem Supermarkt. Fotos Berlin

Bezirkspokal: Warum es in Estorf um die Wurst geht

In Sachen Bratwurst ist Estorf normalerweise eine Topadresse

Beim Sieg des FC Oste/Oldendorf im Bezirkspokal gegen den FC Mulsum/Kutenholz gibt es jedoch die Ersatzwurst aus dem Supermarkt. Der Grillmeister erklärt warum.

Kurz vor dem Anpfiff des Bezirkspokalspiels zwischen dem FC Oste/Oldendorf und dem FC Mulsum/Kutenholz am Sonntag in Estorf schrubbt Tristan Schult mit einer Drahtbürste den Grill. Schult grillt heute die Ersatzwurst aus dem Supermarkt. Estorf ist normalerweise eine kulinarische Topadresse. Aber der Lieferant der Wild-Krakauer hat Urlaub. In seinem Grillhäuschen bekommt der Grillmeister vom 5:1-Sieg von O/O gegen Mu/Ku kaum etwas mit.

Italienischer Wein schmeckt im Urlaub in den Abruzzen am besten. Und eine Bratwurst eben auf dem Fußballplatz. Tristan Schult verkauft die Wurst getreu dem Motto, das in seinem Stand hinter ihm auf einem Brett an die Wand geschraubt ist: "Wurstesser sind die wahren Fußballfans", steht da geschrieben. Diesen Slogan dachte sich der Lieferant aus Oldendorf aus, der den Estorfer Sportplatz außerhalb der Urlaubszeit mit der traditionellen Wild-Krakauer versorgt. Jäger aus der Region, erzählt Schult, geben ihre erlegten Tiere beim Schlachter ab. Der verarbeitet das Fleisch zu Wurst. Der Verein verkauft das Ganze als Wild-Krakauer, wenn der FC Oste/Oldendorf seine Heimspieltage in Estorf abhält. Zwischen 100 und 150 bei jedem Kick. "Die Wild-Krakauer ist ein bisschen würziger", sagt Schult. Es soll Leute geben, die extra wegen ihr auf den Fußballplatz kommen.


Bei mehr als 30 Grad auf dem Rasen liefern sich der FC Oste/Oldendorf und der FC Mulsum/Kutenholz einen müden Sommerkick. Die Spritzigkeit und das Tempo fehlen, was bei den Temperaturen und mitten in der Saisonvorbereitung aber kein Wunder ist. Den Mulsumern steckt zudem das Schützenfest vom Vorabend in den Knochen. Chancen haben beide Mannschaften, aber die Tore fallen erst in der zweiten Halbzeit.

"Die Stoßzeiten beim Wurstverkauf sind in der Pause und kurz nach dem Abpfiff", sagt Tristan Schult. Nach den ersten 45 Minuten läuft der Grill auf Hochtouren. In dem kleinen Kabuff erreichen die Temperaturen Backofenwerte. Zehn Meter weiter haben der erste Vorsitzende des MTV Estorf, Timo Glandorf, und sein Kollege Günter Baack weitaus bessere Arbeitsbedingungen. Glandorf lässt die Luft aus dem Holsten Edel. Beide verkaufen den Kuchen, den die Spielerfrauen und -mütter gebacken haben. Auf einer Sahnetorte sind Johannisbeeren und Himbeeren drapiert. Kaffee geht bei den Temperaturen schleppend.

Der Verkauf ist auf dem Fußballplatz in Estorf straff durchorganisiert. Klaus Draack erstellt vor jeder Saison die Helferlisten. Aus einem harten Kern von 20 bis 25 Leuten sind an Heimspieltagen immer ein halbes Dutzend im Einsatz. Im Schnitt 200 Zuschauer können sich auf die Qualität verlassen. Draack, Glandorf und Baack, der für den Einkauf zuständig ist, haben dabei mehrere Sportplätze im Blick. In Estorf kicken die erste und zweite Herrenmannschaft, in Gräpel die Frauen, in Kranenburg die Alten Herren und in Oldendorf meistens die Jugendlichen sowie die Dritte und die Vierte des FC. Seit 1994 arbeiten die Fußballabteilungen des MTV Estorf, des VfR Gräpel und des SV Kranenburg zusammen. 2011 ist der TuS Oldendorf dazugekommen.

Wasser, Cola und Bier sind heute die beliebtesten Getränke bei den Fans. Die meisten suchen sich einen Platz im Schatten und verfolgen gespannt die ereignisreiche zweite Halbzeit. Torsten Steppke bringt die Gäste kurz nach Wiederanpfiff in Führung. Postwendend gleicht Oste/Oldendorfs Neuzugang Nico Eshold zum 1:1 aus. Eshold und Yannic Dahling entpuppen sich bis zum Abpfiff als treffsicheres Stürmerduo und erzielen jeweils noch zwei weitere Tore. Mu/Ku-Trainer Robert Kneller erlebt ein Schützenfest nach dem Schützenfest. Seine Mannschaft habe nach dem Ausgleich abgeschaltet. Das Spiel habe für ihn wenig Aussagekraft.

Ähnlich sieht es O/O-Coach Matthias Quadt. Das Pokalspiel entpuppte sich allenfalls als guter Test. Konditionell sei seine Elf bereits auf einem guten Level. "Technisch und taktisch fehlt noch etwas", sagt Quadt. Quadt schwärmt nach dem Abpfiff von den Rahmenbedingungen in Estorf. Das "typisch Dorfverein" meint er keinesfalls despektierlich. Im Gegenteil. Bei einem Heimspieltag in Estorf kann der Fußballfan einen schönen Tag verleben. Die Männer fachsimpeln an den Stehtischen beim Bierchen über taktische Grundeinstellungen oder über die jüngst daheim gepflasterte Auffahrt. Mütter wickeln im Schatten ihre Babys, Kinder bolzen, junge Leute sitzen im Gras. Es geht familiär zu.

Und Grillmeister Tristan Schult, dessen Polo-Shirt sich am Hals vom Schweiß langsam dunkel verfärbt? Der bekommt sogar ein Lob von einem, der es wissen muss. Walter Mede war in der Region 33 Jahre lang als Schiedsrichter unterwegs. Der heute 73-Jährige schaut sich heute an jedem Wochenende bis zu fünf Fußballspiele auf verschiedenen Plätzen an. Entsprechend kennt Mede den Geschmack sämtlicher Bratwürste auf allen Fußballplätzen zwischen Hamburg und Cuxhaven. Die in Estorf liegt dabei ganz weit vorne. Medes Geheimtipp gibt es allerdings in Bliedersdorf zu kaufen. Das Produkt einer kleinen Schlachterei aus dem Alten Land soll es in sich haben, wenn sie gut gewürzt und vor allem heiß serviert wird.

>>> Alle Begegnungen des Bezirkspokals im Überblick

Aufrufe: 025.7.2016, 09:30 Uhr
Tageblatt / Daniel BerlinAutor