2024-05-10T08:19:16.237Z

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Geschäftsführer Hans Peters: „Die Spieler identifizieren sich doch überhaupt nicht mehr mit dem Verein.“ Foto: Kurt Bauer | Hans Herff: „Es macht ja keinen Sinn, unter diesen Umständen ein Team in den Spielbetrieb zu schicken.“ Foto: Martin Ratajczak
Geschäftsführer Hans Peters: „Die Spieler identifizieren sich doch überhaupt nicht mehr mit dem Verein.“ Foto: Kurt Bauer | Hans Herff: „Es macht ja keinen Sinn, unter diesen Umständen ein Team in den Spielbetrieb zu schicken.“ Foto: Martin Ratajczak
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Bei der Westwacht wird die Reißleine gezogen

Der Aachener Traditionsverein meldet seine erste Mannschaft vom Spielbetrieb ab. Erster Absteiger.

„Schreiben Sie was Nettes über die arme, alte Westwacht“, lautet die letzte Bitte von Hans Herff, dem kommissarischen Vorsitzenden des Traditionsvereins aus dem Aachener Westen. Doch etwas Nettes zu schreiben, fällt nicht leicht in diesen Tagen, denn nach dem Abstieg aus der Fußball-Landesliga und dem prompten Durchreichen in der Bezirksliga steht der Verein nun eine Woche vor dem Saisonstart komplett ohne Seniorenmannschaft da. „Die Mannschaft abzumelden, war leider das Beste, was wir für den Verein tun konnten“, sagt Herff – und man kann erahnen, wie schwer dieser Schritt wohl gefallen ist, in der Saison 2017/18 in der Kreisliga B neu anzufangen.

Dabei hatte der Niedergang eigentlich schon begonnen, als Trainer Frank Küntzeler den Verein im April 2014 verließ. Die Westwacht hatte die Landesliga-Saison auf Platz vier beendet, wäre also beinahe auf einem der Aufstiegsränge gelandet. Doch dann ging es unter Trainer Dieter Busch rasant bergab. Die Westwacht beendete die folgende Saison auf dem letzten Tabellenplatz, abgeschlagen mit nur einem Sieg und vier Unentschieden auf dem Konto und einem Torverhältnis von 19:136. Die Bezirksliga war in der folgenden Saison dann auch kein Auffangbecken, ein Sieg, drei Unentschieden, 28:121 Tore. Zu den letzten beiden Saisonspielen trat die Westwacht schon gar nicht mehr an.

Der Neuanfang sollte eigentlich am kommenden Sonntag mit dem Gastspiel bei Teutonia Weiden in der Kreisliga A starten. Trainer Jörg Crumbach wurde verpflichtet („Wir wollen einen perspektivisch ausgerichteten Neuaufbau starten“), und der 54-Jährige schaffte es tatsächlich, Spieler für den trudelnden Klub zu interessieren. Doch dann kam es Ende Juli zur Beendigung der Zusammenarbeit, Crumbach zog noch die Trainingseinheit durch und stellte dann sein Amt zur Verfügung.

Hans Herff und sein ebenfalls kommissarischer Geschäftsführer Hans Peters – der eine 74, der andere 77 Jahre alt – wollen keine schmutzige Wäsche waschen, und so sagt Herff nur: „Nach meinem Verständnis ist der Trainer für die sportliche Arbeit zuständig und der Vorstand für die organisatorische. Und das war nicht mehr so gegeben.“

Als noch problematischer stellte sich allerdings heraus, dass mit dem Abgang des Trainers auch immer weniger Spieler zu den Einheiten auftauchten. „Und es macht ja keinen Sinn, unter diesen Umständen ein Team in den Spielbetrieb zu schicken, wenn man nicht einmal sicher sein kann, dass man auch elf Spieler zusammenbekommt“, sagt Herff und fügt an: „Es wäre auch sportlich nicht fair den anderen Vereinen gegenüber, hätte man die Mannschaft irgendwann in der laufenden Saison abmelden müssen.“

Absichtliches Handeln der Spieler, die sich durch den Rückzug der Kreisliga-Mannschaft einen neuen Verein suchen können, sieht Herff nicht: „Die sind dann eher nachlässig als böse“, glaubt der 74-Jährige und trauert schon ein wenig den Zeiten nach, als man sich in der E-Jugend einem Klub anschloss und in der Altherren-Mannschaft desselben Vereins seine Karriere in Ehren ergraut beendete. Das sieht auch Hans Peters so: „Die Spieler identifizieren sich doch überhaupt nicht mehr mit dem Verein.“

Also lieber ein Ende mit Schrecken als andersherum, auch mit Blick auf die anderen Abteilungen der Westwacht, zumal man besonders stolz auf die Jugendarbeit ist: „Eine Saison kostet zwischen 20 000 und 30 000 Euro“, schätzt Herff den Aufwand ein, „das wollten wir als Notvorstand unseren Nachfolgern, die bei der nächsten Hauptversammlung gewählt werden, nicht zumuten. Vielleicht haben die ja zukünftig andere Vorstellungen.“

Dass es überhaupt einen Notvorstand gibt, ist der Schlussakkord der unschönen Begleitmusik um den früheren Vorsitzenden Horst König, die den sportlichen Niedergang begleitetet. Erst Vereinschef, dann per Gerichtsbestätigung ausgeschlossen, wieder aufgenommen, wieder zum Vorsitzenden gewählt – und nach ein paar Monaten im Amt zurückgetreten. Ein neuer Vorstand fand sich damals nicht, und so amtiert der zweiköpfige Notvorstand Peters/Herff.

Dem neuen Vorstand wollen die beiden – Stand heute – nicht mehr angehören. Die erste Mannschaft steht nun auch als erster Absteiger fest, Westwacht-Fußball wird es in der kommenden Saison in der Westwacht-Anlage nicht geben, „obwohl es ein herrliches Stadion ist“, wie Hans Peters schwärmt, „immer topgepflegt, allein schon wegen der Frauen der Alemannia“. Die werden übrigens nach dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga auch in der Regionalliga weiter bei der Westwacht spielen, was für den Verein aber nicht unbedingt ein Trost sein muss.

Aufgeben will Peters aber nicht: „Nach 51 Jahren Westwacht ist dieser Schritt mehr als bitter, er ist grausam“, sagt der 77-Jährige und blickt dennoch erstaunlich optimistisch in die Zukunft. „Jetzt liegen wir am Boden, aber wir werden uns wieder aufraffen.“

„Dieser Schritt ist mehr als bitter, er ist grausam. Jetzt liegen wir am Boden, aber wir werden uns wieder aufraffen.“

- Hans Peters, kommissarischer Geschäftsführer der Westwacht


„Die Mannschaft abzumelden, war leider das Beste, was wir für den Verein tun konnten.“

- Hans Herff, kommissarischer Vorsitzender der Westwacht

Aufrufe: 018.8.2016, 22:00 Uhr
Roman Sobierajski | AZ/ANAutor