Wie viele es am Ende waren, sagt Simon Erhardt, das weiß er gar nicht so genau. „Keine Ahnung, ich habe nicht mitgezählt.“ Aber wir: 38 Tore waren es in 30 Punktspielen, zum Saisonabschluss, beim 17:0 über den Türkischen KV Forchheim, nochmal vier. „Klar freue ich mich“, sagt der 25-Jährige, „aber jeder Stürmer, der einigermaßen das Tor trifft, hätte in dieser großartigen Mannschaft so oft getroffen.“ Diese großartige Mannschaft ist die Landesliga-Reserve des ATSV Erlangen. Es wären mehr als nur vier Punkte Vorsprung gewesen, wären ihr am Grünen Tisch nicht sechs Zähler abgezogen wurden. Niko Haaß, der eine Woche vorher in der Landesliga gespielt hatte, war in der Kreisklasse gegen Heßdorf aufgelaufen. Weil er die Sperrfrist von zehn Tagen in diesen Fällen nicht eingehalten hatte, wurde die Partie nachträglich gegen den ATSV gewertet und obendrein drei Punkte Abzug als Strafe ausgesprochen. „Sonst“, sagt Simon Erhardt, „wären wir schon vor vier Wochen durch gewesen. So mussten wir bis zum letzten Spieltag warten.“
Im Nacken saß ja immer der ASV Möhrendorf, der 14 von 16 Spielen in der Rückrunde gewann – vor allem gegen den ATSV gab es ein knappes 0:1 und die Erlanger zogen vorbei an die Tabellenspitze. „Zwar wird uns immer vorgeworfen, wir hätten da acht Spieler aus der Ersten dabei gehabt“, sagt Erhardt, „aber so war es wirklich nicht. Es waren drei. Aber das ist ja auch legitim in einem Verein und würde jeder so machen.“ Ansonsten beherrschte der ATSV II die Liga auch ohne die Hilfe aus der Landesliga: Sechs, sieben Spieler, die damals unter Helmut Wolff mit in die Bezirksliga aufgestiegen waren, kicken dort, Jungs, wie Erhardt sagt, „die locker höherklassig noch spielen könnten, es aber beruflich oder mit der Uni nicht mehr schaffen“. Auch Erhardt studiert Betriebswirtschaft in Nürnberg, wenn Prüfungen sind oder Kommilitonen aus der Mannschaft über Feiertage nach Hause fahren, kommen zwei, drei Spieler aus der Ersten zur Verstärkung. „Ansonsten war der Aufstieg schon unser Verdienst – und der unseres einzigartigen Trainers.“ Nur drei Niederlagen musste der ATSV in der Saison hinnehmen, darunter die eine durchs Sportgericht. 133:34 lautet die eindrucksvolle Torbilanz, neben Erhardt trafen Payan Azizi (16) und Pawel Kielbasa (9) am häufigsten. „Wir sind ein eingeschworener Haufen von vielen alten ATSV-lern, bei uns steht vor allem der Spaß am Fußball im Vordergrund. Bei der Ersten geht es dafür professioneller zu“, sagt der Toptorschütze.
Vergangene Saison, gleich nach der A-Klassen-Meisterschaft, haben die ersten gleich den Kreisklassen-Durchmarsch gefordert. So überlegen war die überqualifizierte Mannschaft aufgetreten. „Wir haben sie alle erst gebremst. Aber als wir nach sieben Spielen sechsmal gewonnen hatten, da haben wir selber gesagt: Okay, es ist tatsächlich möglich“, berichtet Erhardt.
Auch privat unternehmen die Spieler viel zusammen, „es stimmt einfach“, findet Simon Erhardt, der in der F-Jugend beim ATSV das Fußballspielen begann. In der D-Jugend ging es für zwei Jahre zur Spielvereinigung Greuther Fürth, dann weiter zum FSV Erlangen-Bruck. „Als ich ins zweite Jahr A-Jugend kam, bin ich zurück zum Heimatverein. Einfach, weil da meine Kumpels waren.“ Sebastian Schepp hat er überredet mitzukommen – sie spielten dann gar nicht A-Jugend, sondern bei den Herren. „Wir sind gleich in die Bezirksliga aufgestiegen, das war eine großartige Zeit“, sagt Erhardt. In der Hinrunde stand der ATSV im Mittelfeld, in der Rückrunde verlor er nur noch ein einziges Spiel. „Da ist dieser coole Haufen entstanden, der heute noch zusammen spielt. Viele kenne ich als Mitschüler aus dem Ohm-Gymnasium.“ Als sich der Stürmer vergangene Saison verletzte und nicht mehr recht den Anschluss fand, blieb er in der Reserve hängen. „Fußball ist mir nicht mehr ganz so wichtig wie früher, ich genieße jetzt mehr den Spaß mit den Kumpels.“ Einmal hat er in dieser Saison in der Landesliga ausgeholfen – die Erste, sagt er, hat ja auch immer Spieler geschickt, wenn wir Not am Mann hatten. „So muss das auch sein in einem Verein“, findet Simon Erhardt, „einer hilft dem anderen.“ Nun marschierte der ATSV II also in die Kreisliga. „Relegation“, verrät Erhardt, „hätten wir gar nicht spielen können – die Abschlussfahrt nach Budapest ist schon gebucht.“ Auch Bernd „Peppi“ Kohler, der Trainer fährt mit. „Er ist die coolste Socke überhaupt“, sagt Simon Erhardt. „Wenn wir ihn nicht hätten, wären wir niemals durchmarschiert.“ Und wenn es Erhardt nicht gäbe, und seine 38 Saisontore.