Auf der Sportanlage an der Regelsbacher Straße sind gerade 56 Minuten gespielt, als man auch noch die absurdeste von vielen absurden Abwehraktionen erleben darf. Bei einem Klärungsversuch im Strafraum schießt ein SG-Verteidiger einen Teamkollegen an, der Ball trudelt fast ins eigene Tor, springt dann aber doch noch knapp am Pfosten vorbei. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der SG Nürnberg Fürth 1883 der bisherige Spielverlauf noch nicht genügt hat, um darzulegen, wer sich besser auf diese Bezirksliga-Saison vorbereitet zu haben scheint. Es wäre zu diesem Zeitpunkt das 4:0 für den TSV Kornburg gewesen.
Man sieht in diesem Moment Spieler in dunkelblauen Trikots, die den Kopf schütteln, die abwinken, man sieht rote Köpfe – von außen von der intensiven Juli-Sonne bearbeitet, von innen bahnt sich der Frust seinen Weg nach draußen. Nur eines sieht man nicht: den Glauben, diesen Rückstand noch aufzuholen.
Es ist der Moment, in dem sich viele an die vergangene Saison erinnert fühlen. Damals hatten sie im Nürnberger Westen mit Mühe in die Spielzeit hinein gefunden, die ersten vier Partien gingen allesamt verloren, die SG erzielte dabei kein einziges Tor. Ein 0:2 gegen Kornburg war vor einem Jahr auch dabei, das Déjà-vu in dieser 56. Minute, es war perfekt. „Die SG will keinen Katastrophenstart wie in der vergangenen Saison hinlegen“ hatten sie vor dem Start auf ihrer Homepage geschrieben und nun schien ihnen genau das zu gelingen: ein Katastrophenstart.
„Das wäre wirklich schlimm gewesen, wenn wir jetzt wieder so begonnen hätten“, sagt Guido Schillinger, als er nach dem Spiel über den Katastrophenstart nur noch im Konjunktiv sprechen muss. „Fußball wird vor allem im Kopf gespielt“, weiß der Trainer, „deshalb ist der Verlauf dieses Spiel für uns nun doppelt wichtig.“ Dass Fußball nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf gespielt wird, weiß natürlich auch sein gegenüber, Kornburgs Trainer Alexander Contala. Was Contala als ehemaliger Clubspieler natürlich auch weiß: wie man grandios scheitert. Also wird er bereits laut, als seine Mannschaft noch 3:0 führt. Er ahnt, was da kommt, wenn der Kopf den Beinen vermittelt, dass man diesen lauschigen Sonntag gemütlich ausklingen lassen könnte.
Doch es nützt nichts. Erst schenkt seine Elf dem Gegner in der 73. Minute einen Elfmeter, den Andreas Depperschmidt verwandelt, dann rollen sie Marc Oswald in der 83. Minute den roten Teppich aus und plötzlich glauben die größten Skeptiker auf der Tribüne, dass hier noch ein denkwürdiger Nachmittag drin sein könnte. Zwei Minuten später ist es soweit: Sebastian Pasieka erzielt in der 85. Minute den 3:3-Ausgleich und bindet als ehemaliger Kornburger noch ein „Ausgerechnet“-Schleifchen dran.
Alexander Contala ist da längst verstummt und hat auf der Bank Platz genommen, seine Warnhinweise wurden ignoriert. Guido Schillinger hält dagegen nichts mehr, er steht im Spielfeld, rudert mit den Armen und treibt seine Mannschaft weiter an. Was man in diesem Moment sieht: den Glauben, dieses Spiel sogar noch gewinnen zu können. Wenige Augenblicke bevor die souveräne Schiedsrichterin Annette Raith (siehe Interview rechts) die Partie abpfeift, bekommt die SG tatsächlich noch eine Chance, doch sie lassen sie ungenutzt, das bunte Treiben an der Regelsbacher Straße hat ein Ende.
„Man muss immer daran glauben, dass irgendwann noch ein Tor aufgeht“, sagt Schillinger. Oder auch mal drei. Kornburg habe das Spiel 60 Minuten lang kontrolliert, das gibt auch der Trainer der SGN zu, „aber“, ergänzt er, „der Gegner kann auch was“. Mit seiner Mannschaft, von der Schillinger gerne in der dritten Person spricht, will er in dieser Saison einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, nach dem 11. Rang in der vergangenen Spielzeit will man sich noch einmal steigern. Sie wollen beweisen, dass sie sich diesmal besser auf die Saison vorbereitet haben.