2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Vor 30 Jahren kam Karl Fassbender zum Mädchenfußball. Damals gab in seinem Verein, dem SV Wiedenest, keine Mädchenmannschaft. Also kümmerte er sich darum. Foto: Giesen
Vor 30 Jahren kam Karl Fassbender zum Mädchenfußball. Damals gab in seinem Verein, dem SV Wiedenest, keine Mädchenmannschaft. Also kümmerte er sich darum. Foto: Giesen

"Alles steht und fällt mit den Trainern"

Karl Fassbender ist Mädchenbeauftragter des Fußballkreises Berg und Mitglied im Mädchenspielausschuss des Fußball-Verbandes Mittelrhein. Thomas Giesen sprach mit ihm über die Entwicklung und die aktuelle Situation des Mädchenfußballs im Kreis

Wie sind Sie eigentlich zum Mädchenfußball gekommen?

Durch meine eigene Tochter: Vor rund 30 Jahren hatten sie und einige ihrer Freundinnen die Idee mit dem Fußballspielen zu beginnen. Eine Mädchenmannschaft gab es zu dieser Zeit in unserem Verein, dem SV Wiedenest, nicht. Da haben wir kurzerhand eine B-Juniorinnen Siebener-Mannschaft gemeldet und einfach mal angefangen.

Und wie waren die Anfänge?

Es tauchte schnell die Frage auf, wie lange die Mannschaft Bestand haben würde. Das erste Spiel haben wir 0:31 verloren, und das war auch kein Wunder, denn die Mädchen hatten noch nie Fußball gespielt. Über die gesamte Hinrunde hinweg haben wir alle Spiele hoch verloren. In der Rückrunde haben wir dann aber gleich das erste Spiel mit 1:0 gewonnen. Von da an ging es bergauf. Seitdem haben wir ununterbrochen Mädchenfußball im Verein und konnten später sogar eine Frauenmannschaft stellen.

Wie hat sich der Mädchenfußball seitdem im Kreis entwickelt?

Damals hatten wir nur vier oder fünf Mannschaften überhaupt, die am Spielbetrieb teilgenommen haben. Jetzt sind wir im Kreis Berg führend. Zumindest quantitativ. Seit dem Jahr 2009 führe ich eine Statistik. Die sagt, dass vom Jahr 2009 bis 2011 immer im Schnitt 60 Teams am Spielbetrieb teilgenommen haben. Der Höhepunkt war 2011, das Jahr der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Da hatten wir sogar 65 Mannschaften. Seitdem ist die Zahl wieder kleiner geworden.

Wie ist der aktuelle Stand?

In der abgelaufenen Saison hatten wir gerade noch 50. 2011, im Zuge der Frauen-WM, war es für die Vereine schick, Mädchenfußball anzubieten. Mittlerweile hat zwar der Mädchenfußball auch eine Lobby, aber er ist immer noch eine Randerscheinung in den Vereinen, wenn man ihn mit dem Jungenfußball vergleicht. Aber wir haben schon viel erreicht. In den vergangenen 20 Jahren hat eine tolle Entwicklung stattgefunden. Heute besteht der Unterschied zwischen Jungen- und Mädchenfußball nur noch im Geschlecht. Früher gab es Unterschiede in der Ballgröße, der Größe der Spielfläche und den Spielzeiten.

Wo liegen denn die Probleme?

Wir führen dazu zwar keine Statistik, aber es sieht so aus, als wäre die Fluktuation bei den Mädchen größer als bei den Jungs. Das Hauptproblem ist wohl, dass die Mädchen zu spät mit dem Fußball beginnen. Während die Jungs schon seit dem Bambini-Alter in den Vereinen Fußball spielen, sind die Mädchen eher Quereinsteiger. Viele beginnen erst mit 14 oder 15 Jahren. Da konkurrieren wir mit vielen anderen Freizeitaktivitäten. Viele wechseln auch wieder die Sportart. Da hat man sofort das Problem, dass aus den jüngeren Jahrgängen zu wenig nachkommt und Mannschaften sich wieder auflösen.

Wie treten Sie dem Problem entgegen?

Wir kommen den Vereinen entgegen. Zum Beispiel kann ein Verein, wenn er genügend Spielerinnen zur Verfügung hat, eine Siebener-Mannschaft melden, damit sich das Team entwickeln kann oder mit einer Elfer-Mannschaft gleich in die Bezirksliga einsteigen. In diesen Mannschaften finden sich zum Beispiel Mädchen aus unterschiedlichen Jahrgängen zusammen. Für die Vereine macht es das leichter, zu planen.

Was haben Sie darüber hinaus getan, um den Mädchenfußball zu stärken?

Es gibt einige Projekte, um Werbung für den Mädchenfußball zu machen. Der Fußballkreis Berg bietet zum Beispiel Fußball-AGs an den Grundschulen an. Die werden von jungen Menschen geleitet, die bei uns ein freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Die SG Agathaberg ist da ein gutes Beispiel. Aus solch einer AG ist eine Mädchenmannschaft entstanden. Darüber hinaus veranstalten wir Schnupperturniere, wie jüngst den Tag des Mädchenfußballs des Kreises Berg. Nach dem Tag haben sich beispielsweise zwei Mädchen entschlossen, zu unserem Training zu kommen. Aber unser Angebot richtet sich auch an die Vereine und die Trainer.

Wie sehen diese Angebote aus?

Der Mädchenfußball steht und fällt mit den Trainerinnen und Trainern. Wenn mal eine Trainerin oder ein Trainer aufhört, und es kommt ein Ersatz, der sich vielleicht nicht zu 100 Prozent mit Mädchenfußball identifiziert, dann hören viele Mädchen wieder mit dem Fußball auf. Mädchenfußball ist noch immer häufig das fünfte Rad am Wagen. Aber es ist auch nicht leicht für die Trainerinnen und Trainer. Denn wenn in einer Mädchenmannschaft beispielsweise vier Jahrgänge gemeinsam spielen, dann bedarf es einer Anpassung im Training. Einige spielen dann ja vielleicht schon drei oder vier Jahre Fußball, andere als Quereinsteiger sind Neulinge. Da fehlt es an der Grundausbildung, und es bedarf Schulungen. Man will die Mädels ja behalten.

Gibt es solche Schulungen?

Es gibt Schulungen, die sich ausschließlich mit den Anforderungen des Mädchenfußballs beschäftigen. Da gibt es taktische und organisatorische Inhalte. Aber es muss in den Vereinen jemanden geben, der das umsetzt. Wichtig ist, dass die Mädchen früher anfangen. Dann kommt auch ein anderer Fußball heraus.

Sind Sie mit der aktuellen Situation zufrieden, und wie sieht der Blick in die Zukunft aus?

Wir haben im Kreis Berg viele Elfer-Teams und können eine ganze Bezirksliga stellen. Da sind wir führend. Das hat für die Vereine den großen Vorteil, dass sich die Reisen in Grenzen halten. Mittlerweile schaffen wir es sogar, einen kompletten Mädchenpokaltag auf die Beine zu stellen, wie kürzlich in Immekeppel. Das gibt es nicht in jedem Kreis. Wir sind da gut aufgestellt. Aber es gab in den vergangenen Jahren auch wieder einen Aderlass.

Ist der Mädchenfußball wieder auf dem Rückzug?

Einen größeren Rückschritt sehe ich nicht. Aber auch keine Explosion. Wir werden uns in den kommenden Jahren wohl auf einem Level einpendeln.

Aufrufe: 013.6.2015, 21:00 Uhr
Kölner Stadt-AnzeigerAutor