2024-04-15T13:50:30.002Z

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An ihm scheiden sich die Geister: Günther Gorenzel, Sportchef und Übergangstrainer des TSV 1860.
An ihm scheiden sich die Geister: Günther Gorenzel, Sportchef und Übergangstrainer des TSV 1860. – Foto: M.i.S

TSV 1860: Aufstiegstraum in weiter Ferne – braucht es jetzt überhaupt noch einen neuen Trainer?

Glücklos-Start für Gorenzel

Günther Gornezel ist derzeit an allen Ecken beim TSV 1860 gefragt. Dennoch geht es in der Trainerfrage nicht voran. Bleibt der Österreicher länger als geplant?

Oldenburg – Selbst langjährige Begleiter der Löwen kramten vergeblich in ihrer Erinnerung. Zwei Gegentore in der Nachspielzeit – kannte man aus dem Champions-League-Finale eines Stadtrivalen, dessen Name an der Grünwalder Straße tabu ist, aber vom eigenen Team? Im 1860-Archiv, das an Leidensgeschichten nicht arm ist, fand sich eine vergleichbare Partie:

42 Jahre her, 2:3 in Bielefeld – nach einem Doppelschlag der Arminia in der 88. und 90. Minute. Früher als am Samstag, die Folgen dafür weitreichender. Beim Abstieg aus der Bundesliga, der fünf Wochen später feststand, fehlten genau die zwei Punkte, die die Herren Schröder und Eilenfeldt den Löwen geklaut hatten.

TSV 1860: Guter Gorenzel, schlechter Gorenzel?

So schlimm wird es diesmal nicht kommen, doch es braucht viel Fantasie, sich diese Löwen noch auf dem Rathausbalkon vorzustellen. Der Last-Minute-Schock von Oldenburg – erst Manfred Starkes Sonntagsschuss (90.), dann Pascal Richters Ausgleich (90.+4) – wird das Team noch länger beschäftigen. In der Tabelle bleibt es beim Sieben-Punkte-Rückstand auf Platz zwei, und reflexartig wird schon der nächste Sündenbock gesucht.

Michael Köllner ist seit einer Woche weg – als Blitzableiter muss nun Günther Gorenzel herhalten, der um seine Aufgaben nicht zu beneiden ist. Als Aushilfstrainer blieb ihm der Einstandssieg verwehrt, als Sportchef sucht er verzweifelt einen Köllner-Nachfolger und als Geschäftsführer soll ihm schon länger der Rückhalt der Investorenseite fehlen. Guter Gorenzel, schlechter Gorenzel? Der Österreicher kann es derzeit keinem recht machen, wie unsere Übersicht zeigt.

Zustand des Teams

Für die einen kam das Aus für Köllner zu spät, andere sehen es so: Eine erste Halbzeit wie in Oldenburg wäre dem Ex-Trainer negativ ausgelegt worden – und das bittere Ende sowieso. Unübersehbar ist, dass die bleischweren Herbst/Wintermonate unter Köllner nachwirken: Das Selbstvertrauen ist auf der Strecke geblieben, die spielerische Stärke, die Siegermentalität. Und dann kommt auch noch Pech dazu. Die engagierte zweite Hälfte, Gorenzels glückliches Händchen bei den Einwechslungen (Tallig, Lakenmacher) – am Ende Makulatur.

Holzhauser-Transfer

Alle haben Gorenzel gefeiert, als er nach zähen Verhandlungen Raphael Holzhauser, 29, als Winterzugang präsentierte. Jetzt – nach vier Partien mit Licht und Schatten – wird der Transfer seines österreichischen Landsmannes etwas differenzierter betrachtet. Hat Gorenzel das richtige Spielerprofil gescoutet? Hätte 1860 nicht eher einen laufstarken Antreiber gebraucht? Nicht wenige Fans denken wehmütig an Thomas Pledl, 28, der sich wochenlang bei Köllners Team fit hielt, am Ende keinen Vertrag bei seinem Ex-Verein erhielt – und nun das Mittelfeld des Aufstiegsrivalen Mannheim bereichert. Ein Gedanke, den man oft hört: Das Geld, das Holzhauser als Leihgabe des belgischen Erstligisten OH Leuven kostet, hätte man auch gut für einen neuen Trainer verwenden können.

Trainersuche

In Oldenburg saß Torsten Fröhling auf der Tribüne. Das muss aber nichts heißen, denn erstens wohnt der Ex-Löwe im Norden, zweitens hat er eine Oldenburg-Vergangenheit – und drittens ist 1860 weit davon entfernt, einen Konsens bei diesem Thema zu finden. Gorenzel teilt seine Kandidaten in zwei Kategorien ein (teuer/günstig), konnte die Gremien aber bislang mit keinem Vorschlag überzeugen. Prognose: Vor Donnerstagabend, wenn der Aufsichtsrat das nächste Mal tagt, ist nicht mal eine Vorentscheidung zu erwarten. Gorenzel muss sich anstrengen, um wie gefordert einen Namen zu präsentieren, der für einen Wow-Effekt sorgt. Im Verein gibt es schon erste Stimmen, die sagen: Mit dem Aufstieg wird’s eh nix mehr – wozu also die Geldausgabe?

Entschlossenheit

In der Beraterszene hat sich Gorenzel einen guten Ruf erworben. Zuverlässig sei er, fleißig – und erkennbar darum bemüht, die Löwen wieder nach vorne zu bringen. Über sich selbst sagt der Österreicher: „Ich höre mehr auf meinen Kopf als auf meinen Bauch.“ Und tendenziell macht er sich eher einen Tick zu viele Gedanken. Die Folge: Manchmal bleibt seine Entschlusskraft auf der Strecke. Der berechtigte Wunsch, alle bei jeder Entscheidung mitzunehmen – nicht möglich bei einem Verein, bei dem traditionell eher gegen- als miteinander gearbeitet wird. (ulk)

Aufrufe: 07.2.2023, 07:14 Uhr
Uli KellnerAutor