2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Immer mehr Vereine haben Probleme, ausreichend Spieler für ihre Teams zu akquirieren.
Immer mehr Vereine haben Probleme, ausreichend Spieler für ihre Teams zu akquirieren. – Foto: Nückel/Steinmann

Der klassische Amateurfußball - ein Auslaufmodell?

Ein Meinungsbeitrag zum Nachdenken von FuPa-Redakteur Mathias Willmerdinger

Am Wochenende ist auch der untere Amateurbereich flächendeckend reingestartet in die Frühjahrsrunde. Ein Grund zur Freude, sicher. Aber viele Beteiligte bei den Vereinen haben auch Sorgenfalten auf der Stirn. Wie geht`s weiter? So lautet die Frage bei den meisten Klubs. Der klassische Amateurfußball steht am Scheideweg. Zuletzt ploppten in Niederbayern bedenkliche Meldungen auf: Gerade eben hat der TSV Niederviehbach seine Mannschaft aus der A-Klasse zurückgezogen, Croatia Straubing hat vor Kurzem sein Team aus der Wertung der Kreisklasse genommen. Einzelfälle? Noch. Aber vielleicht doch eher eine unheilvolle Blaupause, was dem regionalen Fußball auf Kreisebene bald bevorstehen könnte. Denn die Gründe sind überall die gleichen - und jeder Vereinsverantwortliche von Landshut bis Passau kann ein Lied davon singen: Personalnot! An allen Ecken und Enden fehlt es an Fußballern, die Sonntagnachmittag auf dem Rasenrechteck die Knochen hinhalten. Klar, in einer eher strukturschwachen und ländlichen Gegend wie Niederbayern kann das auch auf den demografischen Wandel zurückgeführt werden. Aber das wäre zu kurz gegriffen. Warum gehen uns die Fußballer aus? Eine kommentierende Analyse von FuPa-Redakteur Mathias Willmerdinger.

Sicher. Es gibt sie noch, die wohltuenden Ausnahmen. Vereine, die drei Mannschaften im Spielbetrieb haben. Doch diese werden immer weniger. Mittlerweile muss man sie mit der Lupe suchen. Der Trend in ländlichen Regionen geht leider in die andere Richtung. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass in Ballungszentren die Vereine oft Kinder wegschicken müssen, weil es einfach zu wenige Trainingsplätze oder Trainer für die Vielzahl an Nachwuchskickern gibt. Das ist das andere Extrem.

Die sich immer schneller drehende (Berufs)Welt verlangt jungen Menschen maximale Flexibilität ab. Das wirkt sich auch auf das Freitzeitverhalten aus. Für viele ist der Fußball Hobby, aber halt nur eines von vielen. Der Tenor in vielen Vereinen: Ich habe schon Bock, öfters zu spielen, aber halt nicht jeden Sonntag. Viele Freizeitkicker haben schlicht keine Lust mehr darauf, jedes Wochenende von Juli bis November im Einsatz zu sein. Die Corona-Pandemie wirkte zudem wie ein Brandbeschleuniger. "Ich brauch`das nicht mehr, die Sonntage auf dem Fußballplatz zu verbringen."

Diesen Satz hört man leider immer öfters. Besonders dramatisch für viele Klubs: Die Stand-by-Spieler, in der Regel zwischen 35 und 40 Jahre alt, zuhause mit Familie und im Job voll gefordert, haben die Coronapause genutzt und endgültig aufgehört. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, denn nur den Stand-by-Spielern war es oftmals zu verdanken, dass eine Partie nicht abgesagt werden musste.

Warum immer mehr Vereine große Personalsorgen haben? Das Freizeitverhalten von jungen Menschen zwischen 18 und 35 hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert. Was allerdings die letzten 30 Jahre immer gleich geblieben ist: Der Spielplan des Bayerischen Fußballverbands (BFV)! Der Rahmenterminkalender ist dem Verband heilig. Sonntag für Sonntag wird gespielt, da kann kommen was will. Aber: Muss ich nicht auf die gesellschaftlichen Veränderungen irgendwann auch reagieren?

Ein paar Ideen für den untersten Amateurbereich: Auch im Herrenbereich mehr Angebote fürs Kleinfeld oder Freizeitligen. Vielleicht würde auch eine Saison angepasst ans Kalenderjahr von April bis November Sinn machen. Dann würde man sich schon mal eine Vorbereitung sparen. Und wenn ich weiß, dass jedes Jahr im August die halbe Mannschaft im Urlaub ist, warum nicht eine vierwöchige Pause einlegen? Dafür könnte doch im Juni gespielt werden.

Freilich werden nun die Traditionalisten rufen: Ja spinnts ihr! Aber was sind denn die Alternativen? Natürlich kann man alles so lassen, wie es ist. Nach dem Motto: War doch schon immer so - und zusehen, wie wahrscheinlich immer mehr Vereine verschwinden.

Es braucht neue, ja vielleicht auch radikale Ideen, um den Amateurfußball in der Breite wieder attraktiv zu machen. 30 Saisonspiele, zudem zweimal Vorbereitung - das dürfte der Masse in Zukunft kaum mehr vermittelbar sein.

Dabei geht es explizit nicht um den höheren Amateurbereich. Hier bringen die Spieler den Willen und eine hohes Maß an Eigenmotivation mit. Es geht um die untersten Ligen, auch um den Reservespielbetrieb. Das Sportliche steht meistens gar nicht im Vordergrund, sondern mehr die soziale Komponente, das Zusammenkommen. Kleine Dorfvereine beispielsweise in der A-Klasse leisten einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben im Ort. Und ob die Mannschaft jetzt in der A-Klasse oder Kreisklasse spielt, das ist doch den allermeisten Besuchern egal. Ihr Verschwinden hätte bei weitem nicht nur Auswirkungen auf den Spielbetrieb einer Liga.

Ein Beispiel: Vor 20 oder 30 Jahren fuhr man eine Woche pro Jahr nach Österreich oder Italien in den Urlaub. Heute zückt der junge Erwachsene das Handy und mit drei Wischern ist der Flug für den nächsten Tag nach London gebucht. Kurz darauf steht das Wellness-Wochenende mit der Partnerin auf dem Programm, anschließend der Jungesellenabschied in Amsterdam. Dazwischen noch ein Kurztrip nach Mallorca und dann natürlich noch der dreiwöchige Jahresurlaub in Thailand.

Ganz zu schweigen von Familienfeiern oder Konzerten und so weiter und so fort. Zeit für Fußball? Ja schon noch, aber...
Zugespitzt formuliert? Mag sein. Aber frag mal nach beim Kreisklassen-Trainer, der jedes Wochenende elf Mann zusammenkratzen muss, weil der halbe Kader auf Achse ist.

Und was sagt der BFV dazu? Das grundsätzliche Problem hat man beim Verband durchaus erkannt. Wolfgang Heyne, Spielleiter im niederbayerischen Kreis Ost meint: "Es gibt einfach zu viele Freizeitmöglichkeiten. Corona war dann natürlich auch alles andere als förderlich für den Fußball. Die jungen Leute heutzutage ticken einfach anders. Die Zuverlässigkeit hat deutlich abgenommen. Die sagen auch einen Tag vorm Spiel mal ab, weil es auf ein Konzert geht. Letztlich ist das Problem zu vielschichtig, jeder Verein muss da für sich eine Lösung finden."

Ob es an dieser Stelle allerdings geschickt ist, einen Generationenkonflikt aufzumachen, das sei einmal dahingestellt. Heyne ist aber überzeugt: "Die meisten wollen Planungssicherheit und einen geregelten Spielplan. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, die Mannschaften in einer Liga zu reduzieren, um den Spielplan ein wenig zu entzerren. Aber flexibel zu sein, ist immer schwierig." Und dann sagt Heyne noch Bemerkenswertes: "Wir als Kreisspielleiter können da nicht viel tun. Es gibt eben die Zwänge von oben. Wir müssen ausführen, was uns vorgegeben wird."

In den Büros des BFV oder sogar des DFB wird also von Funktionären ohne Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort darüber bestimmt, wie zum Beispiel im Unteren Bayerischen Wald Fußball gespielt werden soll. Flexibel auf Probleme etwa im ländlichen Raum reagieren? Nicht mit dem schwerfälligen Tanker BFV respektive DFB. Ein Modell von oben wird einfach allen übergestülpt. Klingt nach einem funktionierenden Plan...

Es ist ja nicht so, dass der Nachwuchs nicht mehr für den Fußball zu begeistern wäre. Im Gegenteil: Kinderturniere boomen, selbst kleine Vereine haben oft mindestens zwei oder sogar mehrere F- und E-Jugendmannschaften im Spielbetrieb. Die große Frage lautet: Warum kommt nur noch ein Bruchteil von den Kindern, die einst mit dem Fußballspielen begonnen haben, auch oben im Herrenbereich an? Fakt ist, dass ab dem C-Jugendalter mit Eintritt in die Pubertät ein beachtlicher Teil der Nachwuchskicker wegbricht.

Herbert Hasak, Spielleiter im Kreis Niederbayern West, hat dafür eine Erklärung: "Bei den Jüngsten sind die Eltern noch mit Feuereifer dabei. Die Kinder werden älter und wir können beobachten, dass das Interesse bei den Erwachsenen rapide abnimmt. In der C- oder B-Jugend sind nur noch wenige Eltern dabei. Die Jugendlichen bekommen praktisch Desinteresse vorgelebt. Ja wundert sich dann jemand, dass sie selbst das Interesse verlieren? Ich sage es mal so: Wenn Eltern zusammen mit den Funktionären und Trainern Engagement vorleben, dann funktioniert es auch. Aber du musst es halt auch vorleben. Denn ich sage auch ganz klar: So schlecht wie sie gemacht werden sind unsere Jugendlichen keineswegs."

Ein Patentrezept für die derzeitige Problematik gibt es nicht, das ist auch wahr. Aber es fehlt eben auch irgendwo der Wille, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Ideen zuzulassen. Klar ist auch, in der Form geht der Amateurfußball in Niederbayern schweren Zeiten entgegen. Die Freude über das erste Spiel nach der Winterpause am Wochenende ist groß, noch größer sind aber bei den meisten Vereinen die Sorgen, wie es in Zukunft weitergeht. Noch ist der Amateurfußball kein Auslaufmodell, aber die Zeichen der Zeit sollten alle schleunigst erkennen!

Aufrufe: 027.3.2023, 08:00 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor