2024-04-25T14:35:39.956Z

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Schiedsrichter Dominik Otte mit Pfeife im Mund und Gelber Karte in der Hand.
Schiedsrichter Dominik Otte mit Pfeife im Mund und Gelber Karte in der Hand. – Foto: Markus Nebl

Würge-Urteil gegen Otte: KSC-Spieler freigesprochen – Schiedsrichter prüfen Einspruch

Nun ist Otte der Buhmann

Das Spiel der U17-Bezirksoberliga zwischen dem TSV Murnau und dem Kirchheimer SC hatte hohe Wellen geschlagen. Nun hat das Jugendsportgericht ein überraschendes Urteil gefällt.

Murnau – Dominik Otte sitzt daheim und wartet gespannt auf einen Anruf. Doch das Handy des Oberammergauer Schiedsrichters bleibt stumm. Stattdessen erfährt er später, dass das Jugendsportgericht des Fußball-Bezirks Oberbayern ein Urteil über das Skandalspiel vom 13. November gefällt hat, das ihn „enttäuscht“ und „schockiert“.

Chaotische Szenen nach Spielabbruch

Zur Erinnerung: Die Partie der U17-Bezirksoberliga zwischen dem TSV Murnau und dem Kirchheimer SC war zu Beginn der zweiten Halbzeit abgebrochen worden. Schiedsrichter Otte hatte den Kirchheimer Trainer Hüseyin Sözer mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Sözer verneinte daraufhin, dass ein anderer das Team betreuen kann. Nach BFV-Statuten ist das jedoch ein Muss. Anschließend kam es zu chaotischen Szenen. Die Kirchheimer belagerten den Unparteiischen, ein KSC-Spieler soll den Referee gewürgt haben. Während unter anderem der anwesende Schiedsrichter-Obmann Klemens Wind Ottes Schilderungen bestätigte, bestritt die Kirchheimer Seite den Würge-Vorwurf. Im Anschluss tauchte ein Video auf, dass ein Vater eines KSC-Akteurs aus der Hintertor-Perspektive aufgenommen hatte. Darauf war zu sehen, wie die Kirchheimer nach Abbruch den Schiedsrichter umkreisten, ihn schubsten und auf ihn einredeten. Nicht hingegen der vermeintliche Würge-Griff. Der soll sich laut Otte in dem Moment ereignet haben, als die Kirchheimer Spielertraube ihn vor der Kamera verdeckte.

Überraschendes Urteil des Jugendsportgerichts

Nun befasste sich das Jugendsportgericht mit dem Fall – und kam zu einem überraschenden Urteil: Der beschuldigte Kirchheimer Spieler wurde freigesprochen, Trainer Sözer bekam eine Geldstrafe – wohl in Höhe von 75 Euro – wegen unsportlichen Verhaltens aufgebrummt, und die Partie muss nachgeholt werden.

Portraitbild Hüseyin Sözer.
Portraitbild Hüseyin Sözer. – Foto: DAGMAR RUTT

KSC-Trainer spricht von „schwierigen Zeiten“

Eine überregionale Zeitung berichtete als Erstes über den Gerichtsbeschluss inklusive Stimmen der Kirchheimer Seite, ohne aber Otte, Wind oder einen Vertreter des TSV Murnau zu Wort kommen zu lassen. Das Online-Portal Fupa erreichte Trainer Sözer: „Das waren keine einfachen Zeiten. Es war sehr schwierig, mit den ganzen Hass-Kommentaren, teils auch rassistischer Natur, umzugehen“, sagte er dort. Zugleich wollte sich der KSC-Coach beim BFV dafür bedanken, „dass die Verhandlung mega gerecht abgelaufen ist“.

Aber man muss doch zumindest Zeugen hören.“

Dominik Otte, Schiedsrichter

Otte selbst wurde ein schriftliches Urteil nicht zugestellt, das soll lediglich der Kirchheimer SC bekommen haben. Doch die Nachricht von der Entscheidung sorgte beim Referee für Entsetzen. Er habe Verständnis, wenn man jemandem eine Tat nicht zu 100 Prozent nachweisen kann, dass dann die Unschuldsvermutung gilt. „Aber man muss doch zumindest Zeugen hören“, fordert Otte. Das ist offensichtlich nicht geschehen. Lediglich Kirchheim sei bei Gericht vorstellig geworden. Schiedsrichter-Obmann Wind, die Murnauer Trainerin Caroline Rieger, oder etwa die Schiedsrichterin Emilia Kluck – auch sie war bei der Partie vor Ort – sowie Spieler der Murnauer B-Jugend hatten am Tag der Verhandlung ebenfalls auf einen Anruf des Sportgerichts gewartet, aber keinen bekommen. Dass Rieger und die Murnauer B-Jugendlichen nicht vernommen wurden, bestätigte auf Tagblatt-Nachfrage auch Fußball-Abteilungsleiter Michael Adelwart. „Es wurde niemand sonst angehört, offenbar nur anhand des Videos und den Kirchheimer Aussagen entschieden“, vermutet Otte.

Schiedsrichter Otte bleibt bei seiner Aussage

Zugleich erzählt der 20-Jährige, dass auch sein Attest bei der Verhandlung keine Rolle spielte. Nach der Partie war er in die Unfallklinik Murnau gefahren, wo bei ihm „Quetschungen der Halsweichteile“ diagnostiziert wurden. „Ich habe dreimal nachgefragt, aber das Sportgericht wollte mein Attest nicht haben.“ Otte bleibt bei seiner Aussage, gewürgt worden zu sein, und auch den Täter zu 100 Prozent erkannt zu haben. Laut Gericht stand der beschuldigte Spieler aber „nachweislich gänzlich unbeteiligt abseits des Geschehens.“ Otte erwidert: „Ja, danach steht er abseits des Geschehens und zieht sich sein Trikot aus.“ Und fragt: „Warum sollte er das machen, wenn er nichts getan hat?“ Nach der Urteilsverkündung habe der Schiedsrichter von dem beschuldigten Spieler eine Nachricht über Instagram bekommen. „Haha, bin freigesprochen. Wir sehen uns“, liest Otte vor.

Viele offene Fragen

Das Tagblatt versuchte am Freitag vergeblich, den zuständigen Richter sowie den Vorsitzenden des Bezirks-Sportgerichts zu erreichen. Ein Beisitzer wollte kein Kommentar abgeben. Eine am Freitagnachmittag schriftlich an den BFV gerichtete Anfrage blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet, sollte aber an die zuständigen Personen weitergeleitet werden. Somit bleiben viele Fragen offen. Zum Beispiel: Ist es Usus, dass vor dem Jugendsportgericht nur die Beschuldigten angehört werden? Obwohl das Video tumultartige Szenen zeigt.

Mögliche Rechtsmittel werden geprüft

Offen ist nun, wie es weiter geht. Laut Otte wird geprüft, ob man gegen den Beschluss des Jugendsportgerichts Rechtsmittel einlegen kann. Zu diesem Thema wollte der Unparteiische am Freitagabend mit Verbands-Schiedsrichter-Obmann Sven Laumer telefonieren. Auch Obmann Wind, der am Freitag nicht zu erreichen war, hatte angekündigt, weitere Möglichkeiten auszuloten.

Ärger für den Referee selbst

Ärger bekommt nun Otte selbst. Er bekam zwar nicht das Urteil zugestellt, dafür ein anderes Schreiben vom Jugendsportgericht: Er wird des unsportlichen Verhaltens aufgrund seines Würge-Vorwurfs beschuldigt. „Unfassbar, jetzt soll ich plötzlich der Täter sein.“ Seine befreundeten Schiedsrichter reagierten ebenfalls mit Unverständnis, deren allgemeiner Tenor laut Otte: „Dann können wir eigentlich alle aufhören.“

Spielabbruch war ein Fehler, neuer Paragraf in der Jugendordnung

Als Fehler hat sich in jedem Fall der Spielabbruch entpuppt. Denn seit dem 1. August gibt es einen Paragrafen in der Jugendordnung des BFV, der besagt, dass der Trainer trotz des Platzverweises sein Team weiter betreuen darf, wenn kein anderer die Rolle übernehmen kann. Doch von diesem neuen Paragrafen wussten weder Otte noch Wind. (Patrick Hilmes)

Aufrufe: 016.12.2022, 18:54 Uhr
Patrick HilmesAutor