2024-04-23T13:35:06.289Z

Allgemeines

Wahlen: wie würden die Kandidaten den Schiedsrichtermangel angehen?

Welche Ideen haben Paul Philipp und Claude Kremer, um dem Mangel an Unparteiischen entgegenzuwirken?

Wie würden Sie die Probleme im Bereich der Schiedsrichter angehen?

Claude Kremer

„Ich war selber jahrelang als Schiedsrichter tätig und weiß, was auf den Plätzen vor sich geht. Die Entwicklung ging in diesem Bereich wie auch anderweitig voran, die Gesellschaft hat sich verändert sowie das Benehmen auf und neben den Fußballplätzen ebenso. Ich bin nicht derjenige, der jetzt die große Entdeckung gemacht hat, dass es uns an Unparteiischen fehlt. Das weiß und sieht jeder. Was in den vergangenen Jahren aber besonders ins Auge gefallen ist, ist dass von dem Bambinis bis mittlerweile sogar zu den Cadets Vereinsverantwortliche, also Ehrenamtliche, Spiele leiten müssen. Bei den Cadets sind die Spieler in der Pubertät und für mich als ehemaliger Schiedsrichter war dies das schwierigste Alter bzw. die schwierigste Kategorie. Ich finde es nicht gut, dass in diesem kritischen Alter Personen aus dem eigenen Club die Begegnungen dieser Spiele leiten müssen.

Dieses Problem wird sich in den kommenden Jahren nicht lösen, wenn wir nicht entschieden gegensteuern. Es wird zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass der aktuelle Zustand nicht gut ist, auch innerhalb der Schiedsrichterkommission, in der eine exzellente Arbeitet geleistet wird. Im Verwaltungsrat der FLF sieht die Lage ähnlich aus, aber es passiert nichts. Wir müssen dieses Thema ganz klar als nationales Problem darstellen, ansonsten bekommen wir es nicht gelöst! D.h. alle Akteure sind gefordert, allen voran natürlich die FLF, aber ebenso unsere Vereine, die Regierung oder die von der Materie betroffenen Ministerien. Es kann nur zusammen funktionieren, auch über die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden. Ohne diese hätten ansonsten zu Saisonbeginn bereits einige Meisterschaftsspiele ausfallen müssen.

Als Verband müssen wir das Thema ansprechen, es ist wie gesagt ein nationales Problem. Es muss als ein Hauptthema angesehen werden, weswegen es auch in meinem Wahlprogramm als erster Punkt aufgeführt ist. Ohne zu handeln laufen wir irgendwann gegen eine Wand. Das wäre nicht das Versäumnis der Personen, die im Schiedsrichtergremium ihre Arbeit verrichten. Als Verband müssen wir die finanziellen Möglichkeiten schaffen, um Verbesserungen zu schaffen. Dazu würde der Marketingbereich gehören, der inexistent ist, um neue Schiedsrichter zu rekrutieren. Die Zeiten, in den es half, Flyer zu verteilen und eine kleine Anzeige auf Facebook zu schalten, sind vorbei. Über einen solchen Weg bekommt man keine neuen Unparteiischen angelockt.

Es muss eine nationale Werbekampagne geschaltet werden, die über sämtliche Medien gefächert werden würde, sei dies über Eigenwerbung, über die sozialen Netzwerke oder das Internet im Allgemeinen, in Kinos und Bussen, mit den Pressepartnern der FLF usw. Jeder muss mit ins Boot genommen werden, um auf nationaler Ebene eine solche Werbekampagne voranzutreiben. Es gehören aber auch Besuche in Schulen, vor allem in den Sekundarschulen, dazu. In dieser Hinsicht kann man mit diversen Ministerien zusammenarbeiten, mit diesen Akteuren muss man ins Gespräch kommen, um auch dort Kampagnen starten zu können. Dies ist dann auch für andere Sektoren denkbar, um z.B. auf eine ähnliche Art und Weise auch den Damenfußball zu fördern. Auf diesem Weg könnte man die 14- bis 17-Jährigen ansprechen, damit sie früh genug an das Schiedsrichterwesen herangeführt werden.

Im Moment kommt dann hinzu, dass Vereine finanziell bestraft werden, wenn sie keine oder nicht ausreichend viele Schiedsrichter stellen. Das wird die Frage auf, weshalb es eine administrative Strafe für Jugendkategorien gibt, in denen von offizieller Seite keine Schiedsrichter mehr angesetzt werden. Im Gegenzug muss man fragen, wie man Clubs motiviert bekommt, um wieder mehr Unparteiische zu bekommen. Anstatt nur zu bestrafen, könnte man ja hingehen und Belohnungen aussprechen für die Arbeit, die ein Verein in dieser Hinsicht leisten würde. Aus einem vorab festgelegten Etat könnte man eine Summe X ausschütten, wenn sich ein Club langfristig um Schiedsrichter bemüht. Der Erhalt solcher Gelder wäre natürlich an Bedingungen geknüpft. Von Seiten der UEFA werden die Subventionen in diesem Bereich in Zukunft steigen, so dass man den erwähnten Etat darüber decken könnte. Es muss schlicht mehr in das Schiedsrichterwesen investiert werden.

Unsere jungen Schiedsrichter werden heute nicht wie zu meiner Zeit über den Kinderfußball an das Regelwerk herangeführt, sondern werden bei den Cadets ins kalte Wasser geworfen. Und in dieser Kategorie kommt es vor, dass einige Unparteiische bereits nach drei, vier Spielen das Handtuch schon wieder werfen, da sie der Situation nicht gewachsen sind. Um dem entgegenzuwirken bedarf es dauerhafter Fortbildungen. Dazu gehören z.B. Kurse zur Konfliktbewältigung, psychologische Aufarbeitungen, den Umgang mit Menschen lernen, der Umgang mit Stresssituationen. In diesen Bereichen müssen wir unsere Schiedsrichter stärken, was dann auch Lektionen fürs Leben wären. In diesen Punkten sind uns unsere Nachbarverbände einen großen Schritt voraus, dort werden solche Kurse angeboten.

Ich denke zudem, dass es nicht an den Schiedsrichtern selbst ist, ihre Fortbildungen zu bezahlen. Als Verband sollen und müssen wir eine Vorreiterrolle übernehmen, um den Schiedsrichter bestmöglich auf das Geschehen auf den Plätzen und drumherum vorzubereiten. Auch der Umgang mit der Presse wäre so ein Thema, welches für Schiedsrichter einen Stressfaktor darstellen kann. Ein solches Maßnahmenpaket würde dem Ganzen ein anderes Image verleihen. Die FLF wäre quasi eine Art Schutzschild über den Unparteiischen und müsste sich klar bekennen, dass sie hinter ihnen steht. Zum Schluss gilt es auch sie zu begleiten um proaktiv handeln zu können, falls das Risiko aufkommt, dass jemand aufhören möchte.

Die kürzlich gestimmte Anhebung der finanziellen Aufwendungen für Schiedsrichter war mehr als nötig und überfällig. Es ist nur Schade, dass man immer bis zum letzten Moment warten muss. Die Diskussion war nämlich fast am Punkt, dass man vor einem Streik stand. Die Wertschätzung des Schiedsrichterwesens muss durch alle aufgezählten Wege und nicht nur symbolisch verbessert werden, worüber sich dann auch neue Unparteiische finden werden."

Paul Philipp

„Charles Schaack, der Vorsitzende der Schiedsrichterkommission bei der FLF leistet seit Jahren eine fantastische Arbeit. Man muss bedenken, dass bei unseren Nachbarn in Belgien oder Deutschland teils komplette Spieltage abgesagt werden müssen, da nicht genügend Schiedsrichter da sind. Wir sind uns einig, dass damit unser Problem nicht gelöst ist, ich will damit nur hervorheben, dass es kein rein luxemburgisches Problem ist. Man darf aber nicht behaupten, dass es kein Problem gäbe.

Der Verband hat ja bereits Schiedsrichtertage u.ä. organisiert, auch Sensibilisierungstage gab es, man könnte auch wieder Werbevideos drehen. Doch das alles wird mit Sicherheit nicht ausreichen. Die Frage die sich stellt ist, wie man das Schiedsrichterwesen attraktiver gestalten kann. Es geht darum, den Weg in diesen Bereich zu finden aber vor allem auch, dabeizubleiben. Der Weg dahin funktioniert noch ab und zu. Aber wenn wir nun einen jungen, 18-jährigen Schiedsrichter als Beispiel nehmen und je nachdem, wer dessen Spiel zuschaut – und dieser 18-Jährige hat ja auch Eltern – dann schmeißt der schnell wieder hin. Müssen wir denn nun größere Sicherheitsabstände zu den Zuschauern einführen wie im Ausland, um den Unparteiischen zu schützen? Dahinter verbirgt sich ein gesellschaftliches Problem.

Man könnte sich auch vorstellen, ehemalige Spieler in die Schiedsrichterlaufbahn zu bringen, eventuell über einen verkürzten Karriereweg. Ob das quantitativ viel bringen wird, ist aber die Frage, die sich stellt. Es wird keinesfalls die eine Patentlösung geben, sonst hätte bereits jemand sie gefunden. Man muss sich aber ins Bewusstsein rufen, dass ohne Schiedsrichter kein Fußball gespielt wird. Immerhin wurden kürzlich die Tarife erhöht, ein Schritt, der meiner Meinung nach nötig war. Aber auch das alleine wird nicht reichen, dennoch müsste man in absehbarer Zeit in diesem Bereich noch einmal nachbessern. Die Schiedsrichterkommission konnte zuletzt nach einer Ausschreibung wieder etliche Neue begrüßen, doch es gilt, diese zu binden.

Damit dies gelingt, gibt es ja z.B. Begleiter, die mit Anfängern zusammen zu den Fußballplätzen und -spielen gehen. Im Endeffekt muss man die neuen Unparteiischen führen und vorbereiten auf das, was auf sie zukommt. Ein solches Tutoriat ist sehr wichtig, was aber nichts daran ändert, dass Schiedsrichter weiter beschimpft werden und dies ist sicher einer der Hauptgründe für frühzeitige Rücktritte. Dies ist ein Stressfaktor, manche Menschen merken erst im Einsatz, das es keine so einfache Aufgabe ist, Schiedsrichter zu sein.“

>> Teil 1: wie stehen die Kandidaten zu den 16er Ligen?

>> Teil 2: wie stehen die Kandidaten zur Professionalisierung?

>> Teil 3: was tun, wenn Spieler bei mehreren Clubs unterschreiben?

>> Teil 5: wie kann man die Probleme im Ehrenamt lösen?

>> Teil 6: wie steht man zum „Groupement des divisions inférieures“?

>> Teil 7: muss das Wahlsystem der FLF reformiert werden?

>> Teil 8: die Risiken der Digitalisierung

>> Teil 9: Subventionen, Eigenfinanzierung und Einsparungen

>> Teil 10: wie stehen die Kandidaten zum Umweltschutz?

>> Teil 11: Paul Philipps Rolle als Champions-League-Kommentator

>> Teil 12: FLF-Wahlen: die Meinungen der Kandidaten zu den Livestreams

>> Teil 13: wie sehen die Kandidaten die Sicherheit im neuen Stadion?

Aufrufe: 029.9.2022, 14:10 Uhr
Paul KrierAutor