2025-12-17T10:26:01.779Z

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Arminia Bielefeld steht vor dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte.
Arminia Bielefeld steht vor dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte. – Foto: Imago Images

Vom Glück, ein Bielefelder zu sein

Arminia Bielefeld: Arminia lieben, heißt Leiden lieben. Das weiß jeder, der den Ostwestfalen verfallen ist. Kaum ein Verein ist öfter auf- und abgestiegen, es gab Triumphe und Tränen. Der Einzug ins Pokalfinale ist ein Traum, doch eins ist sicher: Es wird auch wieder Leiden geben.

Zunächst einmal muss ich mich bei drei Personen bedanken. Die erste ist Georg Koenen. Der Bürgermeister der Gemeinde Weeze hatte am Dienstagabend zur Ratssitzung eingeladen. Es ging um das neue Feuerwehrgerätehaus, einen Wohnmobilstellplatz und die Parkplätze für Parookaville. Koenen hatte mir bereits im Vorfeld versprochen, die Sitzung zügig zu leiten, damit ich pünktlich zum DFB-Pokalspiel vor dem Fernseher sitzen konnte. Er hielt Wort.

Die zweite Person ist mein Onkel Norbert. Er war es, der mich 1974 zum ersten Mal mit auf die Bielefelder Alm nahm. Es war mein erstes Fußballspiel im Stadion überhaupt. 2. Liga Nord, auf einer Holztribüne auf der Gegengerade. Das Spiel gegen Wacker 04 Berlin endete 0:0. Es war fürchterlich. Ich war begeistert und heulte vier Tage später bitterlich, als bereits das nächste Spiel auf der Alm anstand und ich nicht hindurfte, weil Onkel Norbert keine Zeit hatte.

Es sollten viele weitere Spiele auf der Alm folgen, die meisten an der Seite von Onkel Norbert, der passenderweise nur einen Steinwurf vom Stadion entfernt wohnte. Kaum weiter entfernt war ich zur Welt gekommen. Im Franziskus-Hospital, das bei den Bielefeldern nur „Klösterchen“ heißt und fast in Sichtweite der Alm liegt. Jeder, der zum Stadion fährt, muss daran vorbei.

Doch in Bielefeld wohnten wir 1974 bereits nicht mehr. Meine Familie war von Ostwestfalen nach Wesel gezogen. Hier waren meine Freunde dann Fans von Bayern, Schalke oder Gladbach. Wenn sie leidensfähig waren vom MSV Duisburg. Ich war der Exot mit Arminia Bielefeld und der Spott war mir oft genug sicher.

Die vielen Rekorde

Denn kaum eine andere Mannschaft hat so viele Negativ-Rekorde aufgestellt. Die meisten Tore in einer Halbzeit (beim 1:11 gegen Dortmund nach 1:0-Führung), die einzige Mannschaft, die ein Spiel nur mit zehn Spielern begann, weil zu viele verletzt fehlten, das Team, das aus Personalnot ihren Torwart als Mittelstürmer aufstellte (Wolfgang Kneib gegen den VfL Osnabrück). Im vergangenen Jahr wäre Bielefeld fast das bislang einmalige Kunststück gelungen, aus der Bundesliga direkt in die Regionalliga abzusteigen. Wer Arminia liebt, muss Leiden lieben. 1985 folgte ein vorläufiger Tiefpunkt, als Arminia völlig unnötig in der Relegation gegen Saarbrücken verlor. Ich stand mit meinem Freund Tobi hinter dem Tor, als Sascha Jusufi den Ausgleich für Saarbrücken schoss und damit ausgerechnet an meinem Geburtstag wieder mal ein Abstieg von Arminia feststand.

Einen Tag später gründeten wir einen Fanclub. Die Letzten Getreuen Rees/Wesel. Mehr aus der Laune raus, ganz provisorisch. Heute gehören wir immerhin zu den ältesten Fanclubs der Arminia. Ende der 80er Jahre als es ganz übel um die Finanzen von Arminia stand, organisierten wir sogar eine Party zur „Rettung des Vereins“ im katholischen Jugendheim in Wesel. Viel kam dabei zwar nicht herum, aber immerhin blieb das Gefühl, dem DSC irgendwie geholfen zu haben. Highlight im Fanclubleben war ein Spiel gegen Arminias dritte Mannschaft auf dem Nebenplatz der Alm.

Armine durch und durch

Und tatsächlich gibt es keine Nachwuchssorgen. Im Gegenteil. Das Patenkind ist inzwischen der größte Arminen-Fan. Nervt seine Eltern mit Fangesängen und Fakten aus der Historie. Er war am Dienstag beim Fanmarsch durch die Stadt zum Stadion dabei, erlebte den Halbfinalsieg im Stadion und will jetzt natürlich auch nach Berlin ins Finale. Ich habe auch gefiebert, habe auch gejubelt, doch ich habe zu viel mit Arminia erlebt. Wenn ich zwischen Pokalsieg und Aufstieg in die 2. Liga wählen könnte, würde ich sofort den Aufstieg unterschreiben. Wobei der Pokalsieg dafür sorgen würde, dass diese wunderbare Textzeile von Arminen-Fan Casper endlich Wirklichkeit wird: „Eines Tages an der Spitze stehen, nach all den bitteren Jahren über den Witzen steh`n. Also baut auf den DSC.“ In Berlin gibt es die Chance dazu.

Womit wir bei der dritten Person sind, bei der ich mich bedanken muss. Simon Scherder. Der ist ausgerechnet Spieler von Preußen Münster. Doch ohne ihn wäre Arminia gar nicht im DFB-Pokal. Er war es nämlich, der im vergangenen Jahr im Halbfinale des Westfalenpokals kurz vor Schluss ein Eigentor schoss. So rettete sich Arminia nach einem absoluten Grottenspiel ins Elfmeterschießen, konnte den Einzug ins Westfalenpokalfinale feiern und qualifizierte sich so für den DFB-Pokal. Der Rest ist ein Fall für die Arminen-Geschichtsbücher.

Danke Simon, danke Georg Koenen und vor allem: Danke Onkel Norbert!

Unser Autor ist Redakteur im Kreis Kleve. Von seinem Wohnort Rees sind es 150 Kilometer Luftlinie nach Bielefeld.

Aufrufe: 02.4.2025, 22:45 Uhr
RP / Sebastian LatzelAutor