2024-04-24T13:20:38.835Z

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Hamid Derakhshan hat mit einem Video für Aufsehen gesorgt.
Hamid Derakhshan hat mit einem Video für Aufsehen gesorgt.

Video der Holzheimer SG zum Iran sorgt für Aufsehen

Die Spieler des Landesligisten aus Holzheim haben sich bei Instagram klar für die Protestbewegung im Heimatland ihres Trainers positioniert. Hamid Derakhshan hofft auf ein weiters Zeichen der Iraner bei der WM.

Hamid Derakhshan ist offener, überaus kommunikativer Mensch, der gerne auch über den Tellerrand des Fußballgeschehens hinausblickt. Doch wer in diesen Tagen mit dem Trainer der Landesliga-Kicker der Holzheimer SG spricht, der merkt sofort, dass in etwas beschäftigt, ja dass ihm etwas schwer auf der Seele lastet. Was das ist, daraus macht der 40-Jährige keinen Hehl.

Als gebürtigem Iraner setzt ihm die schwierige Lage in seinem Heimatland zu, wo ein Großteil der Bevölkerung, ausgelöst von dem gewaltsamen Tod einer jungen Frau, für seine Freiheit kämpft und dafür inzwischen vom herrschenden Regime brutalst unterdrückt und bekämpft wird. Darüber tauschte er sich auch mit seinen Spielern aus, was zu einem unglaublichen Resultat führte: Ein bei Instagram veröffentlichtes Video zur Unterstützung der „Woman. Life. Freedom“-Kampagne wurde seit vergangenem Freitag schon über fünf Millionen Mal aufgerufen.

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„Ich kann meiner Mannschaft nur einen ganz großen Dank aussprechen. Es macht mich sehr stolz, dass sie sich so klar äußert“, sagt Hamid Derakhshan, der dabei hörbar mit seinen Emotionen zu kämpfen hat. „Ich hoffe, dass dieses Engagement als Beispiel für viele andere wahrgenommen wird, um den Iranern in ihrem Kampf für Freiheit Gehör zu verschaffen.“ Die Idee zu der Aktion entstand erst am vergangenen Donnerstag, als die Holzheimer nach dem Training zusammensaßen und wie des Öfteren auch über gesellschaftlichen Themen außerhalb des Fußballs sprachen. Nachdem Derakhshan über die neuesten Entwicklungen in seinem Heimatland und die Enttäuschung der Iraner über die ausbleibende Unterstützung ihrer Nationalmannschaft bei der WM in Katar für die Protestbewegung berichtet hatte, kam der Wunsch auf, selbst aktiv zu werden. „Die Menschen im Iran hoffen so sehr darauf, dass die Fußballer, die aus ihren Reihen kommen, Stellung beziehen“, sagt Derakhshan, der aber davon ausgeht, dass die Spieler von der Regierung massiv unter Druck gesetzt werden, so dass sie sich nicht so solidarisch zeigen können, wie sie eigentlich wollen. „Deswegen haben wir uns entschieden, einen Teil ihrer Rolle zu übernehmen, um der Bewegung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen“, erklärt der HSG-Coach.

Das ist auf jeden Fall gelungen. Das kurze Video, in dem die Holzheimer Kicker in ihrer Umkleidekabine stehend, von einem Lied des iranischen Protests untermalt, den iranischen Frauen ihre Unterstützung zusagen, wurde auf dem Instagram-Kanal der HSG bereits 1,5 Millionen Mal (Stand Montagmittag) aufgerufen. Auf dem Kanal der Entertainer Joko und Klaas, den die beiden iranischen Aktivistinnen zur Verfügung gestellt hatten, gab es in den vergangenen Tagen noch einem 2,8 Millionen Aufrufe. Rund um ihr Auswärtsspiel bei den VSF Amern am Sonntag nahmen die Holzheimer noch drei Videos auf, die sich bislang zusammengenommen auch schon fast eine Millionen Menschen anschauten. Darin zeigen die HSG-Spieler wie sie eine Fahne mit der Aufschrift „Freedom for Iran“ an der Heckscheibe ihres Reisebusses befestigen, wie sie sich unter den Klängen eines Liedes der Protestbewegung auf ihr Spiel vorbereiten und wie sie mit einer schwarzen Armbinde als Symbol für die so mutigen Menschen im Iran auflaufen.

Von dem riesigen Erfolg bei Instagram wurden Derakhshan und seine Mitstreiter bei der HSG komplett überrascht. Waren es am Freitag noch etwas über 5000 Aufrufe beim ersten Video, gingen die Zahlen übers Wochenende komplett durch die Decke. „Wir sind inzwischen zu viert und versuchen, alle Nachrichten, die uns erreichen, zu beantworten. Ich habe zuletzt kaum geschlafen. Aber das Tolle ist, dass wir nur positive Reaktionen bekommen“, erklärt Derakhshan, der 1992 mit seinen Eltern und seiner Schwester aus dem Iran nach Deutschland flüchtete. Schon damals sah sein Vater keine Zukunftsperspektive unter dem restriktiven Mullah-Regime in Teheran. Doch Hamid Derakhshan spürt noch immer eine tiefe Verbundenheit mit dem Land, in dem er geboren wurde. Oft war er nach seinem Studium aus beruflichen Gründen dort, die Landessprache Farsi beherrscht er perfekt. Iran und Deutschland, beide bedeuten für ihn Heimat. So fiebert er auch mit den Nationalmannschaften beider Länder bei der WM in Katar gleichermaßen intensiv mit.

Wobei bei den Iranern das Sportliche etwas in den Hintergrund rückt. Auch wenn sie am Dienstag im hochbrisanten Match gegen die USA die historische Chance haben, sich erstmals überhaupt bei einer WM für die K.o-Runde zu qualifizieren, liegt der Fokus für Derakhshan auf etwas anderem. „Die Menschen im Iran hoffen, dass die Nationalmannschaft irgendwie doch noch ihr Sprachrohr wird“, erklärt Derakhshan. Er und seine Spieler in Holzheim sind es schon.

Aufrufe: 028.11.2022, 23:00 Uhr
RP / David BeinekeAutor