2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines
– Foto: Helmut Kemme

Fehlende Passfotos: Doch kein Punktabzug für Türkgücü

Aufstiegschancen der Basler-Elf in der Kreisliga Stadt (Staffel C) intakt

Rolle rückwärts im Fall der fehlenden Passbilder beim SC Türkgücü: Das Sportgericht des Fußballbezirks Weser-Ems hat den vorinstanzlich verfügten Abzug von drei Punkten bei der Kreisliga-Spitzenelf von Trainer Mario Basler wieder einkassiert und auch die Geldstrafe für den Verein deutlich reduziert.

Gefehlt hatten bei Türkgücü in wiederholten Fällen insgesamt sieben Passbilder bei Fußballern der 3. Herrenmannschaft, die in der 3. Kreisklasse spielt – letztmals beim Spiel am 1. März bei der Partie gegen den SC Lüstringen IV. Weil die Fotos seit Sommer 2021 nicht im digitalen Spielabwicklungsprogramm dfb.net hinterlegt waren, hatte der Kreis Osnabrück im Saisonverlauf bereits vier Verwaltungsentscheide und zwei Sportgerichtsverfahren gegen Türkgücü angestrengt und mehrere Strafen ausgesprochen. Diese eskalierten immer drastischer, weil der Verein angesichts der vernachlässigten Pflege des eigenen digitalen Postfachs im dfb.net zunächst nie auf die Entscheide reagierte.

Einspruchsfrist länger als zunächst bekannt

So bleiben drei Urteile (zehn Euro pro fehlendem Bild, 300 Euro Geldstrafe, 500 Euro Geldstrafe plus ein Punkt Abzug für die 3. Mannschaft) gegen Türkgücü bestehen als abgeschlossene Verfahren. Dass der Verein gegen das letzte Urteil des Kreissportgerichts (750 Euro Strafe, drei Punkte Abzug für die 1. Mannschaft in der Kreisliga) noch fristgerecht Einspruch einlegen konnte, lag auch an der Berichterstattung der NOZ Medien, welche die Vereinsführung und ihr Umfeld auf die Vorgänge aufmerksam machte – und daran, dass sich entgegen einer ersten Ankündigung des Kreissportgerichts die Einspruchsfrist aufgrund der digitalen Zustellung des Schriftverkehrs um drei weitere Tage nach hinten verschob.

So musste nun das mit Juristen besetzte Bezirkssportgericht nach der Türkgücü-Reklamation eine Entscheidung treffen. Dabei stellten die Sportrichter um Peter Bartsch klar, dass die Bestrafung der 1. Herrenelf in der Kreisliga unzulässig sei, wenn die Verfehlungen die 3. Mannschaft des Vereins (3. Kreisklasse) betreffen. Für ein solches Vorgehen biete die Rechts- und Verfahrensordnung des Niedersächsischen Fußballverbandes keine Grundlage. Zudem sei auch die laut Urteil „exorbitant hohe“ Geldstrafe von 750 Euro unzulässig. Stattdessen setzte das Gericht die laut Satzung vorgesehene Maximalstrafe von 15 Euro pro längerfristig fehlendem Bild an - insgesamt 125 Euro, weil zu den genannten sieben Fotos in der Partie gegen Lüstringen IV zwei weitere dazukamen, die erstmals fehlten und mit jeweils 10 Euro auch Eingang in die Kostenrechnung fanden.

Weil gegen dieses Urteil nur noch aus formalen und nicht mehr aus inhaltlichen Gründen Einspruch eingelegt werden kann, darf der Fall damit als abgeschlossen gelten. „Wir sind bestens zufrieden damit: Unser Ziel war vorrangig, die drei Punkte wiederzukriegen“, sagte Caner Cifci – und der erste Vorsitzende des Klubs ergänzte: „Wir haben auch was daraus gelernt, haben alle fehlenden Bilder hochgeladen und werden zudem jetzt auf unser Postfach besser aufpassen.“

Offene Grundsatzfragen

Bleibt noch die Grundsatzfrage, ob der Verband Amateurfußballer dazu verpflichten kann, Passfotos von sich in einem digitalen, halböffentlich zugänglichen System hochladen zu lassen – und ihre Vereine zu sanktionieren, wenn das nicht passiert. Ex-Türkgücü-Trainer Majid Cirousse, der als Datenschutzexperte arbeitet und seinen Ex-Klub in der Sache vertrat, hat seine Zweifel, ob ein solches Vorgehen mit der Datenschutzgrundverordnung in Einklang zu bringen ist.

Um das final zu klären - und damit letztlich die gesamte aktuelle Praxis der Spielrechtskontrolle durch Schiedsrichter im niedersächsischen Amateurfußball aus den Angeln zu heben - bräuchte es aber eine zivilrechtliche Klage durch voraussichtlich viele Instanzen, die zeitaufwändig und teuer werden würde. Zumal man beim Fußballverband nach langwierigen Umstellungsarbeiten rund um das Jahr 2018 durchaus der Auffassung ist, mit Blick auf geltende Satzungen und Ordnungen allen aktuellen Datenschutzbestimmungen gerecht zu werden: Zum Spielabwicklungsprogramm dfb.net habe nur ein sehr beschränkter - und für die korrekte Abwicklung des Spielbetriebes notwendiger - Personenkreis Zugang, Veröffentlichungen auf dem angeschlossenen Portal fussball.de könne jeder Verein indes selbst steuern und beschränken.

Türkgücü wird solch eine Zivilklage in jedem Fall nicht anstrengen mit Blick darauf, dass man sportrechtlich seine Hauptziele erreicht hat. Mit dem 2:0-Sieg im Nachholspiel beim SV Eintracht am Dienstagabend rückt die Elf der Trainer Mario Basler und Ali Ucar bis auf fünf Punkte heran an Tabellenführer SV Rasensport, den man noch im direkten Duell empfängt. Sechs Spiele vor Saisonschluss sind die Chancen auf die Meisterschaft und den Aufstieg auf einmal wieder drastisch gestiegen.

Aufrufe: 011.5.2022, 13:00 Uhr
Benjamin Kraus / Neue Osnabrücker ZeitungAutor