2024-05-02T16:12:49.858Z

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Szene mit Symbolcharakter: Andreas Knoll (l.) überreicht beim Spiel der Murnauer gegen Holzkirchen II die Kapitänsbinde dem 18-jährigen Thomas Bauer.
Szene mit Symbolcharakter: Andreas Knoll (l.) überreicht beim Spiel der Murnauer gegen Holzkirchen II die Kapitänsbinde dem 18-jährigen Thomas Bauer. – Foto: ANDREAS MAYR

TSV Murnau: Führungsspieler Thomas Bauer ab Sommer zum Studieren und Kicken in Chicago

Der 18-Jährige spielt in der nächsten Saison für die Purdue University

Braucht’s noch einen Beweis für den meterdicken Mörtel, der das Team des TSV Murnau zusammenhält? Dann hier die Geschichte von Thomas Bauer, der den Fußball-Kreisligisten im Sommer verlassen wird.

Murnau – Der Huglfinger studiert ab August in den Vereinigten Staaten, genauer an der Purdue University Northwest in Chicago. Seine Teamkollegen in Murnau haben bereits Flüge gebucht. Nicht ein, zwei Verrückte, sondern eine ganze Horde. „Wenn ich höre, wie viele fliegen wollen, kann ich gleich da bleiben“, scherzt Bauer. Für November haben sich die Mitspieler und Freunde angekündigt – pünktlich zur Playoff-Zeit in den Staaten. „Alle freuen sich für Thomas“, sagt Felix Schürgers, Torwart und Anführer beim TSV. Aber natürlich schmerzt der Verlust.

Denn Thomas Bauers Entwicklungskurve gleicht einer Flugbahn zum Mond. Mit 17 Jahren integrierte ihn der TSV in sein Männerteam. Als Stammkraft, nicht als Ergänzungsspieler. Wer Georg Kutter, den besten Torjäger der Murnauer, nach dem Schlüssel für den Erfolg fragt, bekommt den Namen Bauers zu hören. Was immer der TSV offensiv mit seinen Gegnern anstellt, sichert der defensive Mittelfeldspieler ab. Gleichzeitig, und das ist fast noch beeindruckender, führt er sein Team verbal an. Im ersten Spiel des Frühjahrs gegen Holzkirchen II überreichte Andreas Knoll ihm die Kapitänsbinde bei seiner Auswechslung. Wohlgemerkt an einen 18-Jährigen.

„Die perfekte Möglichkeit, die Zeit nach dem Abitur zu füllen“ - Vollstipendium in Chicago

Landesligisten aus der Region buhlten um das Talent, doch den Zuschlag für nächste Saison bekam der Ableger der legendären Purdue University, die für ihr Football- und Basketballteam bekannt ist. Zehntausende Fans schauen sich die Spiele der Uni-Auswahlen an. Verglichen dazu mag Fußball eine kleine Nummer sein. Aber das Gesamtpaket, das der Standort schnürt, war kaum zu überbieten. Einige Ex-Kollegen vom FC Bayern wählten ebenfalls den Weg in die Staaten. So landete das College überhaupt erst auf Bauers Radar. Er sah darin die perfekte Möglichkeit, die Zeit nach dem Abitur zu füllen. „Ein Jahr Nichts-Tun kam für mich nicht infrage.“ Studieren will er – und kicken. Das lässt sich nirgendwo leichter verknüpfen. Der Weg in die USA führt über Agenturen, die die jungen Fußballer vermitteln. Sprach- und Wissenstest sowie Videomaterial braucht es, genauso Empfehlungen von Fachkundigen. All diese Unterlagen fügen sich zu einem Portfolio zusammen, dass die Agenturen in ganz Amerika verteilen, um ihre Mandanten anzupreisen. Bauers Referenzwerte als Ex-Bayern-Kicker sowie seine starken Resultate beim Wissenstest brachten ihm etwa 30 Angebote ein, darunter auch einige aus der Division I der NCAA, der höchsten Collegeliga. Problem nur: Ein Stammplatz ist in diesem Umfeld nicht garantiert. Außerdem soll der Fußball dort sehr auf Athletik basieren. „Mein Eindruck: Das sind mehr Athleten, weniger Fußballer.“ Das hat Bauer auf Videos ausgemacht. Und sagen wir’s so: Das Körperliche gehört trotz 1,90 Metern noch nicht zu seinen Stärken.

Die Offerte aus Chicago – in der technisch beschlageneren Division II – war die letzte, die er bekam. Ein willkommener Zufall, zumal die Rahmenbedingungen nahezu perfekt sind. Bauer bekommt ein Vollstipendium über vier Jahre, muss nur das Essen zahlen. Mit seinem Coach, einem Australier, verstand er sich vom ersten Telefonat weg. Die Anlagen im Süden von Chicago zählen zu den schönsten und modernsten des Landes. Ein Platz im Mittelfeldzentrum scheint auch sicher zu sein. Sein Anspruch verlangt es ohnehin, „Stammspieler zu sein und eine wichtige Rolle zu spielen“, wie Thomas Bauer klarstellt. „Ich will nicht nur mitschwimmen.“ Zudem schätzt er die Universität auch akademisch als gut ein. Für den Studiengang Business Management hat er sich eingeschrieben. Den könnte er später in Deutschland fortsetzen.

Ein Jahr in den Staaten - Danach vielleicht wieder Projekt Murnau

Trotz des vierjährigen Stipendiums plant der Huglfinger nur für ein Jahr. Die Vorbereitung mit den neuen Teamkameraden (viele Amerikaner sowie Australier, Mexikaner, Spanier, Schweden und Südamerikaner) beginnt am 6. August. Bis zum Winter stehen wöchentlich an die drei Partien an. Höchste Belastung für die jungen Kicker. Als Ziel hat sich das Purdue-Team den Einzug in das National Tournament gegeben, wo die besten Universitäten den Landes-Champion ausspielen. Vorige Saison scheiterte die Mannschaft im Halbfinale der regionalen Gruppe.

Davor konzentriert sich aber alles auf Murnau. Bauers Abgang nutzt die Mannschaft als zusätzlichen Ansporn im Aufstiegsendspurt. Bislang sei das die „geilste Saison“ gewesen, „die ich je gespielt habe“. Persönlich treibe ihn das nochmals mehr an, „dass wir den Aufstieg packen“. Sonst fühle sich die Mission halb abgeschlossen an. Das Abschiedsgefühl beschreibt er als „positiven Schmerz“. Denn in einem Jahr schon könnte es weiter gehen mit dem Projekt Murnau. Bauer sagt: „Die Vorfreude auf danach ist groß.“

Aufrufe: 017.5.2022, 07:37 Uhr
Andreas MayrAutor