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Allgemeines
– Foto: Jörn Kutschmann

Torreigen in der Mittagshitze

Dank akribischer Urlaubsplanung war ein Spielbesuch dieses U19 Testspiels möglich

TSV Mariendorf 1897 U19 – 1.FC Frankfurt/ Oder U19 4:4

Testspiel Saisonvorbereitung 2022/ 2023

Mittwoch, 10.08.2022 12:00 Uhr

Volksparkstadion Mariendorf Kr. 2

20 Zuschauer

Mein Chef ist ein absoluter Korinthenkacker. Aber nicht einer von der sinnvollen Sorte, die einfach vorgegeben Abläufe einhalten. Sondern eher so einer der eine Vollversammlung einberuft, weil aus der Büroküche eine leere Pfandflasche verschwunden ist. Daher prüft er Überstunden mit der Sanduhr und achtet akribisch auf die Einhaltung von Urlaubstagen. Also, außer bei sich natürlich. Dafür ist man ja wohl Chef. Und weil die Kollegen und ich den Urlaub immer schon Monate vor dem Jahreswechsel abgeben müssen, kommt es natürlich gelegentlich zu Änderungen bei den freien Tagen. Besonders viel kommt durcheinander, wenn man Kinder hat, die zur Schule oder zur Kita gehen. So begab es sich, dass ich nach meinem Sommerurlaub plötzlich drei freie Tage nach nur 1 ½ Wochen Arbeit auf dem Plan hatte. Dagegen wehrte ich mich natürlich nicht, zumal Frauchen und der Sohnemann nicht frei hatten. Drei Tage nur für mich. Ausspannen, netflixen und ungesundes Zeug futtern. Doch schon nach ein paar Stunden am ersten Tag dieses Urlaubs wurde mir ein wenig langweilig. Der Haushalt wäre eine Option gewesen, aber ich hatte darauf einfach Mal keinen Bock. Das Internet, speziell fupa.net, zeigte mir fix eine Alternative auf: Testspielterror der A-Jugend um 12 Uhr mittags (dank Sommerferien) in Mariendorf. Schnell den Verein angefragt, ob das Spiel wirklich steigen sollte und ab dafür. Eigentlich plante ich, die U-Bahn für die Fahrt in Berlins Süden zu nehmen, aber ich trödelte viel zu lange rum und so bliebt nur das Auto. Eine ungünstige Wahl, wie sich bald herausstellen sollte. Denn wenige Meter vor der angepeilten Ausfahrt, fing der Verkehr auf dem Stadtring an, sich zu stauen. An einem Mittwoch um 11.45 Uhr! Schuld war ein Unfall und die Sperrung zweier Spuren. Da auch dann auf dem Mariendorfer Damm wegen diverser Baustellen kaum ein Vorwärts kommen möglich war, erreichte ich den Kick erst zur fünften Spielminute.

Ein Tor hatte ich nicht verpasst und ich nutze die ersten Minuten meiner Anwesenheit um mich mit Sonnencreme zu präparieren. Apollons Laterne ballerte nämlich ganz schön auf das künstliche Grün und ich verzog mich, trotz Schutz auf der Haut, lieber in den Schatten.

Das Spiel war wirklich packend und der TSV Mariendorf 1897 ging mit einem 2:0 in die Kabine. Der Heimverein ist, für alle Geschichtsfreunde unter uns, übrigens ein Fusionsverein aus dem TSV Helgoland1897 und dem Mariendorfer SV 06. Der TSV Helgoland ist im Vereinsheim noch immer sehr präsent und wurde in Anlehnung an den 1890 geschlossenen Helgoland-Sansibar-Vertrag gegründet. Für tiefergehende Infos nutzt bitte die Internetsuchmaschine eures Vertrauens.

Mich freute es indessen ungemein, dass das Vereinsheim geöffnet war. Ich hatte mir zwar eine Flasche Wasser mitgenommen, aber eine eiskalte Cola ist natürlich was Schöneres.

Die zweite Hälfte war dann ein wahrer Torreigen: Frankfurt drehte das Spiel auf 2:3, ehe der TSV zuerst den Ausgleich bejubeln durfte, um dann wieder in Rückstand zu geraten. Zehn Minuten vor Schluss gelang dann der erneute Ausgleich und am Ende dieses Spiels waren acht Tore gerecht auf beide Mannschaften verteilt.

Zum Austragungsort an sich ist nicht viel zu sagen. Es ist einer von zwei Kunstrasenplätzen, die im Schatten des Volksparkstadions in der namensgebenden Grünfläche stehen. Einzig, die nach unten abfallenden Seiten des Platzes wirken etwas speziell. Ansonsten erfüllt dieses falsche Grün halt seinen Zweck. Es gibt neben dem großen Stadion und diesen beiden Nebenplätzen auch noch ein Hockey-Stadion im Volkspark Mariendorf. Dort finden wohl auch gelegentlich Fußballspiele des TSV statt. Heute aber trainierten dort kleine Hockey-Talente. Einige von Ihnen sahen sich, als ihr Training beendet war, das Spiel neben mir an und kommentierten jede Szene auf dem Spielfeld. Leider wurden die Kids dann von ihrer Trainerin eingesammelt. Gerade, als sie darüber diskutierten, ob man Frankfurt die Daumen drücken könnte, weil ihre roten Trikots, denen der englischen Nationalmannschaft ähnlichsehen. Schade, ich hätte das Ende dieses Meinungsaustausches gerne gehört.

Für mich ging es nach dem Abpfiff direkt nach Hause. Der Sohnemann wollte von der Kita abgeholt werden. Außerdem stand ja auch für mich noch aktiver Fußballsport auf dem Tagesplan.

Aber was soll ich sagen? Während die U19 Kicker in der prallen Mittagshitze über 90 Minuten im Grunde keine Erschöpfungssymptome zeigten, holte ich mir am Abend mit meinem ersten Ballkontakt eine fiese Zerrung im Oberschenkel. Ich habe das Training trotzdem durchgezogen, wimmerte aber den ganzen nächsten Tag vor mich hin. Gut, dass ich allein zu Hause war und mich so meinem Selbstmitleid hingeben konnte.

Zu Schluss möchte ich meinem Chef für seine Erbsenzählerei danken, ohne die ich dieses Spiel nicht hätte gucken können.

Der Kutten König

PS.

Dieser Bericht wurde mir von einem gehetzt wirkenden jungen Mann auf der Straße zugesteckt.

Er bat mich, ihn zu veröffentlichen da er dazu selbst nicht in der Lage sein. Ich komme hiermit seiner Bitte nach. Ich tue das aus Mitleid mit diesem armen Teufel. Ich kann nur froh sein, dass mein Chef ganz anders ist. Er ist eine Zierde seiner Zunft und ein leuchtendes Beispiel für alle Kollegen.

Aufrufe: 011.8.2022, 14:40 Uhr
Jörn KutschmannAutor