2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines

Stadiondilemma

aber warum?

Anfang Januar spielte meine Hertha Ama Zwee einen Testkick bei der Reserve vom Sportclub aus Staaken. Ausgetragen wurde dieses Spiel im Sportpark Staaken. Diesen erreicht man, wenn man ein paar Minuten durch den beschaulichen Spandauer Ortsteil Staaken gefahren ist. Man hat hier das Gefühl, gar nicht mehr wirklich in Berlin zu sein, so ruhig und dörflich ist es. Gut, viele Berliner meinen ja eh, dass sie in Spandau - und davon ist Staaken nun mal ein Teil - auch nicht mehr in Berlin seien. Aber selbst Spandauer sagen gerne über Staaken, dass es ein eigenes kleines Refugium ist. Quasi das Spandau von Spandau.

Der Sportpark an sich ist bestimmt kein Highlight, aber er ist liebevoll hergerichtet und erfüllt seinen Zweck. Hinter den Toren gibt es keinen Ausbau, dafür eine Weitsprunggrube und genau gegenüber den Kunstrasenplatz 2. Bei Hoppern ist dieser sehr begehrt, weil er selten bespielt wird.

Ein Spiel verfolgen kann man an den Außenbahnen des Hauptplatzes. Dazu steht auf der Seite des Vereinsheims eine kleine Tribüne zur Verfügung. Sie ist auf Höhe der Mittellinie geteilt und der Teil, der in Richtung des Platzes 2 liegt, wird gerne als „Gästeblock” genutzt.

Auf der anderen Seite kann man sich zwischen ein paar mächtige Bäume stellen und, wenn man möchte, das Spiel auf alten und maroden Holzbänken verfolgen. Meistens passieren ungefähr 100 Zuschauer die Pforten der Heimat des SC Staaken.

Weil sich bei dem Spielchen Anfang Januar nur eine handvoll Fußballbegeisterte eingefunden hatten, konnte ich den Sportpark mal genauer unter die Lupe nehmen und stellte fest, vielleicht hatte ich das auch schon mal bemerkt und nur wieder vergessen, dass es hier sogar einen zweiten Eingang gäbe, sodass Heim und Gästefans getrennt werden könnten. Eine Beköstigung für diese Gäste wäre dann auch kein Problem, weil der SC Staaken nicht nur über ein nettes Vereinscasino, sondern auch über einen Ausschank und einen Grill im Außenbereich verfügt. So könnten Heimfans im Casino und Gästefans im Außenbereich verköstigt werden.

Klingt so, als hätte man alles, was man für etwas höherklassigen Fußball braucht, oder? Leider sehen das die zuständigen Verbände nicht so. Für die Oberliga ist der Sportpark noch akzeptabel, aber für die Regionalliga, quasi eine Etage höher, könnte hier nicht gespielt werden.

Gut, die erste Mannschaft der Staakener hat aktuell eher das Problem des Ligaverbleibs, als das des Aufstiegs. Aber sowas geht ja schneller, als man denkt.

Als die Saison 2020/2021 Corona-bedingt abgebrochen wurde, waren nicht einmal zehn Spieltage gespielt. Trotzdem entschied man sich, den Tabellenersten aufsteigen zu lassen. Denkbar knapp landete damals der SV Tasmania Berlin auf dem Platz an der Sonne. Direkt dahinter (und mit einem Spiel weniger) lag der SC Staaken.

Doch was wäre passiert, hätten die Randspandauer und nicht die Neuköllner den Premiumplatz innegehabt? Tasmania wich für die Regionalligasaison in das Stadion Lichterfelde aus. Doch der SC Staaken hätte wohl kein geeignetes Stadion in der eigenen Himmelsrichtung gehabt. Aber warum?

Laut dem Verband muss ein Stadion in der Regionalliga Nordost u.a. folgende Dinge aufweisen:

Es muss über eine Besucherkapazität von mehr als 5.000 Plätzen, davon mindestens 1.000 Sitzplätze verfügen. Mindestens ein Drittel aller vorhandenen Sitzplätze soll gedeckt sein. Presse- und Ehren-tribünen müssen gedeckt sein. Staaken hat gerade mal 2000 Plätze, 50 vielleicht davon zum Sitzen, keiner ist überdacht und es gibt keine Presse- oder Ehrentribüne. Außerdem braucht es einen Raum für Pressekonferenzen mit Platz für mindestens 40 Personen, einen VIP-Raum, einen Spielertunnel und Sicherheitszäune.

Und ich wiederhole meine Frage, doch dieses Mal auf einen anderen Kontext bezogen: Aber warum?

Ja, einige Verein in der Regionalliga verfügen über Fanszenen. Aber welches Aggressionspotenzial steckt denn dahinter, wenn TeBe Berlin zum Ligaspiel nach Staaken reisen würde? Zumal es diese Paarung bereits 2014 gab. Und zwar im Sportpark Staaken. Die Rahmenbedingung damals war die Berlin-Liga. Doch wäre ein Spiel der Veilchen in Spandau anders zu bedenken, wenn die Liga Regionalliga hieße?

Wer ist noch da? Viktoria Berlin. Auch hier gab es bereits ein Duell im Berlin-Pokal und zwar im Sportpark Staaken. Auch hier würde sich im Ligabetrieb nichts an der Gefahrenlage ändern.

Auch Germania Halberstadt, der FSV Luckenwalde, der ZFC Meuselwitz, die VSG Altglienicke oder der Greifswalder FC könnten problemlos auf Zäune und überdachte Sitzplätze verzichten.

Und wenn den Behörden die Fans des BFC Dynamo, der ja nur noch in der Regionalliga spielt, weil Meister nicht automatisch aufsteigen, oder von LOK Leipzig zu gefährlich daherkommen, kann man solche Spiele immer noch in das Amateurstadion der Hertha verlegen oder den Jahn-Sportpark pachten.

Aber warum müsste ein Verein, der einfach aufgrund seiner Geschichte und Lage wie ein kleines gallisches Dorf anmutet, seine Identität so aufgeben, nur um in der vierten Liga Fußball zu spielen.

Auch hier entfernt sich der Fußball immer mehr von seinen Wurzeln und das nur, weil Verbände und Funktionäre offenbar denken, dass einem Fußballfan ein Regenschirm als Schutz vor Niederschlag nicht reichen würde.



Aufrufe: 06.2.2023, 05:30 Uhr
Jörn KutschmannAutor