2024-05-10T08:19:16.237Z

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Alex Feuerherdt aus der Schiedsrichter-Experten-Gruppe von Sky, war in Eppelsheim zu Gast.
Alex Feuerherdt aus der Schiedsrichter-Experten-Gruppe von Sky, war in Eppelsheim zu Gast. – Foto: Steffen Rößler

"Sorgen der Schiris ernstnehmen"

Collinas Erbe Alex Feuerherdt stärkt den Unparteiischen im Kreis Alzey-Worms den Rücken

Köln. Es ist Streik, und kaum einer macht mit? Ein solches Szenario stand am Wochenende im Schiedsrichterwesen des deutschen Amateurfußballs bevor. Die innerhalb der Unparteiischen-Gilde umstrittene Interessengemeinschaft Schiedsrichter hatte aufgerufen, am Sonntag die Pfeifen niederzulegen, um auf Gewalt gegen Unparteiische aufmerksam zu machen. Der Haken: Die IG Schiedsrichter ist eine private Organisation, die keine Repräsentativität beanspruchen kann. Und für ihren Aufruf seitens der Verbände scharfen Widerspruch erntet.

Anliegen richtig, aber der falsche Weg

„Der Name ist etwas hochtrabend, klingt nach Schiedsrichtergewerkschaft, ist es aber nicht“, sagt Alex Feuerherdt. Der Publizist und frühere Amateur-Schiedsrichter ist Mitbetreiber des Schiri-Podcasts „Collinas Erben“ und immer wieder bei Regelhüter-Diskussionen im Fernsehen zu sehen. Vor ein paar Tagen erst war der Prominente bei der Schiedsrichtervereinigung des Fußball-Kreises Alzey-Worms zu Gast und tauschte sich mit den Referees um Michael Speier aus.

Das Anliegen der IG Schiedsrichter findet der Kölner gerechtfertigt. „Wenn der Streik dazu führen sollte, dass über das Thema diskutiert wird, ist das zu begrüßen“, sagt Feuerherdt. Aber: „Die IG spricht für niemanden außer sich selbst.“

Sprachrohr für alle Unparteiischen wäre der DFB-Schiedsrichterausschuss. „Die Position des DFB, ein Streik bringe nichts, würde ich in Frage stellen“, sagt Feuerherdt. Im November 2019 wurden in Köln die unteren Spielklassen, wo nicht zwingend Unparteiische vorgeschrieben sind, unangekündigt bestreikt. „Die Vereine standen ohne uns da. Es war ein Zeichen, damit man sieht, wie das ist – und dass die Schiedsrichter so nicht mit sich umgehen lassen“, erzählt der Lehrwart im Schiedsrichterausschuss des Fußballkreises Köln. Andernorts gab es angekündigte Ausstände, die zu Verlegungen von Spieltagen geführt hatten, flankiert von Pressemitteilungen und Aktionen.

Die Anzahl der Schiedsrichter wird immer weniger

„Ein Streik muss immer das letzte Mittel sein“, findet Feuerherdt. Und spricht von bedenklichen Entwicklungen. „Wir beobachten die Spielabbrüche aufgrund von Keilereien der Spieler untereinander oder auch Attacken auf die Schiedsrichter mit Sorge. Da gibt es gerade eine recht massive Zunahme.“ Corona lehrte offenbar nicht, wie erhofft, Demut und Dankbarkeit, wieder auf die Plätze zurückkehren zu dürfen, sondern schürte die Aggressionsbereitschaft. „Viele Schiedsrichter sagen, das Klima ist rauer geworden“, sagt Feuerherdt.

Und die Pandemie-Pause führte zu weiterem Schiri-Schwund. In Köln gingen seit Anfang 2019 insgesamt 130 der vorher 510 aktiven Unparteiischen verloren, deutschlandweit waren 2008 noch doppelt so viele Schiris aktiv wie heute. „Einige haben gemerkt, dass sie ihre Wochenenden auch anders verbringen können als auf Plätzen, wo sie sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlen und als notwendiges Übel geduldet sind.“ Feuerherdt pauschalisiert nicht, sieht aber eine Entwicklung der Entfremdung.

2906 Angriffe auf Referees in nur einem Spieljahr

Jüngst wurde in seinem Ausschuss intensiv diskutiert, über die Leitlinie, dass Schiedsrichter alle Möglichkeiten ausschöpfen sollen, einen Spielabbruch zu vermeiden. Was ist das für ein Signal? 2906 Angriffe auf Unparteiische gab es in der Saison 2018/19 bundesweit. Der DFB rechnete das auf Promille-Werte, gemessen an der Zahl Spiele, herunter. „Aber wenn man mal mehrere Jahre zusammenfasst und auf die Zahl der damals 50.000 Schiedsrichter herunterbricht, kommen ganz andere Prozent-Werte heraus“, sagt Feuerherdt. „Wahnsinnig viele“ junge Unparteiische würden schnell wieder aufhören.

Der Schiri-Schwund war auch Thema bei Feuerherdts Besuch bei den Schiedsrichtern des Fußballkreises Alzey-Worms. Vor seinem Gastvortrag bedankte er sich für den Einsatz der rund 50 anwesenden Unparteiischen. Die schweren Themen blieben ansonsten ausgeklammert, es ging in launiger Runde um Kuriositäten des Regelwerks und deren Begründung. „Es war großartig, das Publikum hat sehr gut mitgemacht“, sagt Feuerherdt.

Streik keine Lösung

Michael Speier, der Obmann der Schiedsrichter im Kreis Alzey-Worms, lehnt Streiks ab, um die Interessen der Schiedsrichter zu vertreten- Es gebe innerhalb des Verbands institutionalisierte Mechanismen, mit denen mehr erreicht würde als bei einem Ausstand.

Nach seiner Einschätzung wird kein Schiedsrichter im Kreis Alzey-Worms dem Streikaufruf folgen. Was aber nicht heißen soll, dass die Schiedsrichterwelt in Ordnung sei.

Aufrufe: 016.5.2022, 15:00 Uhr
Torben SchröderAutor