Es war der 21. November 1992, der FC Bayern München erhielt in der 69. Minute im Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen einen Eckstoß. Der Ball segelte auf den im Rückraum stehenden Lothar Matthäus zu. Sein Volleyschuss aus 20 Metern landete genau im Winkel, ein Sensationstreffer, der zum „Tor des Jahres“ gewählt wurde.
Was diese olle Kamelle im Spielbericht über eine Partie der Fußball-Mittelrheinliga verloren hat? Nun, wer das Privileg hatte, am Sonntagnachmittag im Sportpark Dörenberg Augenzeuge zu sein, der bekam eine exakte Kopie des Treffers von 1992 zu sehen. Ecke für den heimischen VfL Vichttal in der 47. Minute, Kevin Rodrigues Pires blickte kurz auf und sah im Rückraum Sinan Ak. Die Ecke kam perfekt, und der Abschluss war ein Gemälde von einem Tor. Das Stadion tobte, Ak schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „Besser kann ich den Ball nicht treffen“, staunte der Torschütze hinterher über seinen Abschluss „in den Knick“.
Der Treffer war der Höhepunkt eines perfekten Nachmittages für die Hausherren. Mit 6:0 wurde der FC Hennef nach Hause geschickt, Vichttal verließ erstmals seit Ewigkeiten die Abstiegsränge und setzte die begonnene Aufholjagd fort. Coach Andi Avramovic reagierte auf die Sperre von Dogukan Türkmen mit der Hereinnahme von Rodrigues Pires als Zehner, eine Maßnahme die voll aufgehen sollte. Nach einer schnellen Passstafette war es eben jener Rodrigues Pires, der die Kugel mustergültig dem im Vollsprint startenden Außenverteidiger Apostolos Ioannidis servierte. Knapp außerhalb des Strafraums wurde dieser von Hennefs Keeper Max Blönigen rüde abgeräumt (14.). Der Schiedsrichter zückte Rot, was ohnehin schon eine Schwächung in diesem Abstiegskracher bedeutete. Umso schwerer wog, dass die Gäste keinen Ersatztorwart auf der Bank hatten, mit Mohammed Bouchafrati wurde ein Feldspieler zwischen die Pfosten beordert.
Den fälligen Freistoß setzte Tugay Temel noch in die Mauer, aber schon nach wenigen Minuten in Überzahl führten die Hausherren. Rodrigues Pires gelang seine erste von drei Vorlagen, Henrik Artz gelang per Kopf endlich sein erstes Saisontor (22.). Hennef stand tief in einem 4-4-1 und kam nach dem Rückstand dennoch zu drei kleineren Gelegenheiten. „Nach dem 1:0 und auch nach dem 5:0 hatten wir Phasen, in denen wir nicht komplett am Anschlag unterwegs waren“, fand Avramovic Kritikpunkte. Aber sein Team hatte eben auch die Qualität, zu weiteren Treffern zu kommen. Wie beim Platzverweis wurde schnell kombiniert, ein feiner vertikaler Ball von Marvin Ailiesei erreicht Artz, der mit mit einem überlegten Flachschuss den Doppelpack schnürte (36.).
Bis zur Pause war die Sache dann erledigt. Rodrigues Pires scheiterte noch an einem Abwehrbein, Temel versenkte den Nachschuss artistisch zum 3:0 (39.). Und wieder drei Minuten später legte Ak für Rodrigues Pires auf, der mit der Fußspitze auf 4:0 stellte. Gleich nach dem Seitenwechsel folgte Aks Traumtor, wenig später legte Artz uneigennützig quer auf Temel, der das halbe Dutzend voll machte (56.). Danach schaltete der VfL zwei Gänge runter, Hennef betrieb Schadensbegrenzung. „Die Rote Karte hat uns logischerweise total in die Karten gespielt, das muss man seriös einordnen“, sagte Avramovic.
Doppeltorschütze Henrik Artz freute sich nach seinen ersten Saisontoren: „In den letzten Spielen hat man gemerkt, dass wir langsam wieder in die Spur finden. Natürlich ist es jetzt ein schönes Gefühl, die Abstiegsplätze verlassen zu haben. Aber wir werden uns nicht zurücklehnen, wir haben alle verstanden, worauf es ankommt.“ Unmittelbar nach Abpfiff schwor Avramovic sein Team auf den sich fortsetzenden Abstiegskampf ein. „Es gibt keine Garantie, dass die Situation so bleibt“, mahnte der Coach.
Vichttal: Gökcesin - Ioannidis, Dollhopf (46. Malekzadeh), Schütte, Schlösser (46. Seke) - Alagöz (67. Nkrumah-Sarfo), Ailiesei (60. Kilic), Artz, Ak, Rodrigues Pires (75. Varli) - Temel
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