
Von "fehlender Mentalität und fehlendem Charakter" sprach u. a. Aufsichtsratschef Heinz-Jürgen Gosda, der der Mannschaft aber die Qualität nicht absprechen wollte. Nichtsdestotrotz heißt die aktuelle Realität nicht mehr Wuppertaler SV, RW Oberhausen oder Alemannia Aachen, sondern TuS Ennepetal, Eintracht Rheine und Concordia Wiemelhausen in der Oberliga Westfalen, der höchsten Spielklasse des Fußball- und Leichtathletik-Verbands Westfalen (FLVW).
Großer Umbruch als Herausforderung
Die Herausforderungen nach dem Abstieg sind vielfältig, die Veränderungen im und um das Team sind enorm. Mit Luis Ackermann, Luka Tankulic, De Lemos und Lukas Krekeler sind nur vier Spieler aus dem letztjährigen Kader geblieben. 22 Spieler haben den Verein verlassen, dem gegenüber stehen 14 Neuzugänge. Spieler, die man gerne gehalten hätte, wie Kyere (zu Sportfreunde Siegen), Cejas (Wuppertaler SV) oder Lanfer (FC Gütersloh) entschieden sich für finanzstärkere Angebote oder einfach für die bessere sportliche Perspektive in der Regionalliga. Auch der Liebling der Fans, Kevin Coleman, entschied sich gegen ein Engagement in Ahlen. Sein neuer Verein ist noch nicht bekannt, sein sportlicher Fokus könnte dem Vernehmen nach in einem ganz anderen Bundesland liegen.
18 Spieler umfasst der aktuelle Kader, dabei ist man jedoch noch nicht fertig mit den Transferaktivitäten. Die Zielvorgabe lautet 19+3. Eine hochkarätige Verpflichtung bahnt sich schon eventuell diese Woche an. Es gab Gespräche mit Bruno Soares. Der 35-Jährige Innenverteidiger spielte in der vergangenen Saison mit dem SV Meppen um den Aufstieg in die 3. Liga, den die Niedersachsen mit dem zweiten Tabellenplatz nur knapp verpassten. Der Ex-Zweitliga-Spieler absolvierte 23 Partien und erzielte zwei Tore sowie ein Assist. Mit Stationen in Norwegen, Israel, Malaysia, Brasilien und Österreich würde er der jungen Mannschaft einen deutlichen Qualitätsschub geben. Der Vertrag des Brasilianers läuft am 30. Juni aus und die Gespräche befinden sich auf der Zielgeraden. Außerdem sollen die Rot-Weißen an einer Verpflichtung eines Offensivspielers dran sein, der in seiner Vita eine dreistellige Anzahl an Spielen in der 3. Liga vorweisen kann.
Regionalität und Verjüngungskur
Der neue Ahlener Weg auf ehemalige Spieler zu setzen, die bereits das Trikot von RW Ahlen getragen haben und Spielern, die einen regionalen Bezug haben, sollen das Markenzeichen des neuen Kaders sein. So konnten mit Hakan Sezer, der bereits in der Regionalliga in der Saison 2022/23 das Ahlener Trikot getragen hat, und Publikumsliebling Mike Pihl zurückgeholt werden. Besondere Hoffnungen werden in Davin Wöstmann gesetzt. Mit 15 Scorerpunkten in 28 Spielen hat er beim Oberligisten Victoria Clarholz seine Qualitäten gezeigt und soll die Offensive beleben. Ebenfalls ein wichtiger Faktor dürfte der aus Hamm stammende Fabian Holthaus werden. Mit der Erfahrung aus 134 Spielen in der 3. Liga und 109 Spielen in der Regionalliga West soll der 29-jährige Routinier der jungen Mannschaft vor allem mit seiner Erfahrung weiterhelfen.
Favoritenstatus haben andere Vereine
Die Euphorie unter den Fans ist nach dem großen Umbruch nicht besonders groß. Zudem wird die Favoritenrolle anderen Teams zugeordnet. Die Sportfreunde Siegen rüsten mit Trainer Thorsten Nehrbauer mächtig auf, die in Fankreisen eher unbeliebten U-Teams des SC Preußen Münster und VfL Bochum dürften eine gewichtige Rolle im Aufstiegskampf spielen. Daneben möchten der ASC 09 Dortmund und die Spvgg Erkenschwick wieder oben mitmischen. Last but not least ist auch noch Mitabsteiger SV Lippstadt 08 zu erwähnen. Es wird also keine einfache Saison für die Wersekicker, das wissen auch die Verantwortlichen. Nicht umsonst wurden alle Neuzugänge, die sich für den neuen Weg von RW Ahlen entschieden haben, mit Zweijahresverträgen ausgestattet. Große Fluktuationen, wie in den letzten Jahren üblich, sollen unbedingt vermieden werden.
Neue Rolle von Tankulic
In einer völlig neuen Rolle wird Spielmacher Luka Tankulic schlüpfen, der an der Seite von Björn Joppe als spielender Co-Trainer fungieren wird. Parallel zu seinen Aufgaben bei RW Ahlen wird er die Trainer-B-Lizenz beginnen und mit Joppe zusammen die sportliche Verantwortung übernehmen. Der intern in Kritik geratene bisherige Sportchef Orhan Özkara wird sich neuen Aufgaben widmen und Hasan Ugur als Trainer der U19 Mannschaft ersetzen. Neu im Trainerteam ist auch Petrick Piontek, der ehemalige Oberliga-Kicker von Roland Beckum wird die Rolle des Videoanalysten übernehmen und soll das Trainerteam bereichern. Auch im Vorstand ist es zu Veränderungen gekommen, eine neue Generation mit Bent Gosda, Dennis Kocker und Finanzvorstand Jens Michelis möchte das Image des ehemaligen Zweitligisten aufpolieren.
VfL Bochum als Vorbereitungs-Highlight
Den Startschuss für die neue Saison gab es mit dem Trainingsauftakt am vergangenen Sonntag. Mit dem A-Ligisten SV Neubeckum und dem Regionalligisten SC Wiedenbrück erwartet die Mannschaft zwei Vorbereitungsspiele am Wochenende. Das Highlight wird aber definitiv das Duell gegen den VfL Bochum am 6, Juli sein. Anlässlich der Jubiläumsfeier der Stadt Ahlen, die 800 Jahre alt wird, gibt sich der Bundesligist die Ehre und wird auch wie vertraglich geregelt mit der Bestbesetzung antreten. Des Weiteren werden prominente Gäste wie Peter Neururer und Weltmeister Kevin Großkreutz erwartet.
Es wird eine schwere Saison, in der ganz Ahlen Ruhe bewahren muss, um den Neustart erfolgreich zu bewältigen. Nach den Turbulenzen der letzten Jahre und dem damit verbundenen Misserfolg braucht die Mannschaft und das Trainerteam um Björn Joppe Zeit, um nach dem radikalen Umbruch eine Einheit zu formen und die Identifikation mit Regionalität und jungen Spielern in die Tat umzusetzen.