
Am Freitag warteten betroffene Vereine auf Entscheidungen des BFV-Sportgerichts zu den strittigen Spielwertungen in der Berlin-Liga (FuPa Berlin berichtete). Auf Nachfrage von FuPa Berlin verwies Sportrichter Dennis Dietel zunächst auf die Presseabteilung des BFV, nahm jedoch zu mehreren Punkten rund um das laufende Verfahren Stellung
Seit einem Beirats-Beschluss des Berliner Fußball-Verbandes (Inkraftreten Juli 2023) gelten Pokal- und Meisterschaftsspiele als gemeinsamer Pflichtspielblock. Eine Gelbsperre aus dem Pokal betrifft damit auch das unmittelbar folgende Ligaspiel. Genau hier liegt der Knackpunkt. Das bundesweit eingesetzte DFBnet-System kann diese Regel technisch nicht abbilden. Nur der Berliner Fußball Verband regelt beide Wettbewerbe so. Kein anderer Verband. Gesperrte Spieler erscheinen weiterhin als spielberechtigt. Ein Hinweis im System überträgt die Verantwortung vollständig auf die Vereine. Teilweise muss der Staffelleiter persönlich das System (Schloss) deaktivieren, um Spieler in die Berechtigung zu bringen. Oder nachträglich frei schalten.
Auslöser der aktuellen Debatte war ein Einspruch des SSC Südwest gegen die Spielwertung beim Frohnauer SC Anfang Dezember. In seiner Stellungnahme machte der Frohnauer SC anschließend selbst auf weitere Partien aufmerksam, in denen nach der Berliner Sonderregel gesperrte Spieler eingesetzt worden sein sollen. Seitdem befassen sich mehrere Einsprüche mit dem BFV-Sportgericht. Betroffen sind unter anderem Spiele von Berlin Türkspor, Blau-Weiß 90, den Füchsen Berlin, SC Staaken und dem TSV Rudow. Sollten die beanstandeten Wertungen Bestand haben, würde sich das Tabellenbild der Berlin-Liga spürbar verändern: Die Spandauer Kickers rücken dicht an die Füchse Berlin heran, Blau-Weiß 90 würde deutlich profitieren, während Berlin Türkspor und der Frohnauer SC zu den Verlierern zählen könnten.

Auf Nachfrage von FuPa Berlin zu Gerüchten, wonach nahezu 40 Vereine (auch ausserhalb der Berlin-Liga) betroffen sein sollen, stellte BFV-Sportrichter Dennis Dietel klar, dass es sich um deutlich weniger Verfahren handele. Ligaübergreifend gehe es nach seinen Angaben um rund 10 bis 15 Einsprüche. Zudem betonte Dietel, dass die umstrittene Zusammenlegung von Pokal- und Meisterschaftsstrafen im Sommer 2023 nicht vom Sportgericht, sondern vom Beirat des Berliner Fußball-Verbandes beschlossen worden sei. Der Entscheidung sei ein Antrag aus dem Vereinskreis vorausgegangen, der mit Mehrheit angenommen wurde – trotz entsprechender Hinweise und Bedenken des Spielausschusses, der bereits damals auf die nun diskutierten Probleme aufmerksam gemacht habe. Das Sportgericht selbst sei in diesen Entscheidungsprozess nicht eingebunden gewesen und werde erst im Nachgang mit den daraus resultierenden Verfahren befasst.
Die Regel ist eindeutig – die Entscheidung jedoch weiter offen. Und nun kommen neue Details hinzu.
FuPa Berlin liegt eine interne E-Mail aus einer BFV-Liga vom 1. August vor. Darin weist ein Staffelleiter seine Vereine ausdrücklich auf technische Probleme im DFBnet-System hin. Konkret geht es um den Berliner Sonderweg, nach dem Pokal- und Meisterschaftsspiele als gemeinsamer Pflichtspielblock gelten – eine Regelung, die das bundesweit eingesetzte System aktuell technisch nicht abbilden kann.

Nach FuPa-Recherchen wurden jedoch nicht alle Staffeln im Vorfeld in vergleichbarer Weise informiert. Offenbar gingen einige Verantwortliche davon aus, dass der Hinweis in der Spielberechtigungsliste – wonach die Vereine selbst für die Einhaltung der BFV-Regeln verantwortlich sind – ausreichend sei.
Genau hier setzt die zentrale Kritik an. Denn faktisch wurde die Umsetzung der eigenen Regel nicht aktiv kontrolliert. Gesperrte Spieler erschienen im System weiterhin als spielberechtigt, ein automatischer Vollzug der Strafen fand nicht statt. Überprüft wurden Spielwertungen erst dann, wenn Vereine innerhalb der 14-tägigen Frist Einspruch einlegten. Brisant ist dabei auch die weiterreichende Dimension des Problems. Da der BFV die Einhaltung der Sperren nicht präventiv überprüft, sondern erst im Falle eines fristgerechten Einspruchs reagiert, bleibt offen, ob in der Vergangenheit bereits Spiele, Tabellenplätze oder sogar Meisterschaften unter Voraussetzungen zustande gekommen sind, die der eigenen Spielordnung widersprechen. Denn ohne Einspruch bleiben mögliche Regelverstöße folgenlos – unabhängig davon, ob gesperrte Spieler eingesetzt wurden oder nicht. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, ob sportliche Erfolge unter diesen Bedingungen stets regelkonform zustande gekommen sind oder ob der Wettbewerb strukturell von einer Kontrolle abhängig ist, die faktisch nicht stattfindet.
Kann ein Verband Sanktionen wirksam durchsetzen, wenn er weiß, dass sein System diese nicht korrekt abbildet – und zugleich die Verantwortung auf die Vereine verlagert?
Brisant ist zudem, dass Staffelleiter technisch durchaus eingreifen konnten. In mehreren Fällen mussten Spielberechtigungen manuell gesperrt oder freigegeben werden, weil das System falsche Zustände anzeigte. Eine einheitliche, verbandsweite Information aller Ligen erfolgte jedoch offenbar nicht.
So würde sich die Berlin-Liga Tabelle nach einer möglichen Wertung verschieben:

Hier geht es zur aktuellen Tabelle
Die Konsequenzen sind bekannt: laufende Einsprüche, drohende Umwertungen, mögliche Punktverluste – und inzwischen auch Überlegungen betroffener Vereine, juristische Schritte einzuleiten. Je länger das BFV-Sportgericht mit Entscheidungen wartet, desto größer wird der Druck, Zuständigkeiten und Verantwortung klar zu benennen.
Ob der Verband hier lediglich auf formale Hinweise gesetzt oder sich bewusst aus der praktischen Kontrolle zurückgezogen hat, wird zunehmend diskutiert. Fest steht: Die technische Problematik war bekannt, die Regel galt – eine präventive Überprüfung fand nicht statt.
Ob daraus sportrechtlich mehr als ein Organisationsversagen entsteht, ist offen. Die Frage steht jedoch im Raum – und wird mit jeder Woche ohne Entscheidung lauter gestellt.