2024-03-28T15:56:44.387Z

Spielbericht
Germania Ratingen steht im Halbfinale des Niederrheinpokals.
Germania Ratingen steht im Halbfinale des Niederrheinpokals. – Foto: Saysay M

Ratingen 04/19 feiert historischen Halbfinal-Einzug

Die Ratinger Oberliga-Fußballer machen im Niederrheinpokal bei Liga-Konkurrent SV Sonsbeck drei Tore in den ersten elf Minuten.

Für reichlich Fußballfan-Folklore war gesorgt beim Viertelfinale im Niederrheinpokal zwischen den Oberliga-Konkurrenten SV Sonsbeck und Ratingen 04/19: Die Gastgeber spielten vor der Partie die Hymne der Champions League ab, was nur ganz eventuell ein bisschen zu hoch gegriffen war. Die Gäste hatten zusätzlich zum Bus für die Mannschaft einen für Sponsoren und ihre „Edelfans“ gemietet, und die machten trotz ihrer überschaubaren Zahl einen infernalischen Lärm mit Plastik-Tröten und -Rasseln sowie ihren Gesängen, die einem Musiklehrer sicher deutlich weniger gefallen haben dürften als ihnen selbst.

Auf der Gegenseite entrollten die „Ultras“ des SV Sonsbeck ein selbst gemaltes Banner mit der Aufschrift: „Montag schreibt die RP wieder – der SVS ringt auch Ratingen nieder.“ Gemeint war sicher die Xantener Ausgabe, doch weder das Metrum des Reims noch die Aussage passten: Denn nach furiosem Beginn feierten die Ratinger einen 3:0 (3:0)-Sieg und damit den erstmaligen Einzug ins Halbfinale des Niederrheinpokals. Die Xantener Ausgabe titelte übrigens: „SV Sonsbeck wird überrumpelt“.

Das traf den Kern der Geschichte aus Sicht der Gastgeber. Nach sechs Minuten ging Ali Hammoud im SVS-Strafraum ins Eins-gegen-Eins und legte ab auf Tom Hirsch, dessen Schuss zur Ecke geklärt wurde. Die brachte Ali Can Ilbay von rechts hinein, zu flach, aber er bekam einen zweiten Versuch. Der wurde zur dritten Ecke geköpft, und die versenkte Gianluca Silberbach per Kopf zur 1:0-Führung (7. Minute).

Der SVS führte den folgenden Anstoß im Mittelkreis aus und spielte zurück auf Torwart Jonas Holzum, dessen Abschlagsversuch verunglückte – Hirsch wurde in der Folge noch im Strafraum am Abschluss gehindert, aber Samed Yesil nahm den Ball auf und versenkte ihn fast von der Torauslinie mit dem rechten Fuß im langen Eck – 2:0 (8.). Drei Minuten später spielte Hammoud eine Ratinger Ecke von links, die Sonsbecker Abwehr klärte den Ball nicht richtig, Yesil stand im Strafraum frei und machte per gefühlvollem Schlenzer das 3:0 (11.) – binnen vier Minuten hatte 04/19 dreimal getroffen und das Viertelfinale vorentschieden.

Das gefiel dem Ratinger Anhang, der die rund 45-minütige Anreise ohne eigenen PKW offensichtlich gut genutzt hatte, um die Stimmbänder zu befeuchten. „Edelfan“ Torsten Kimura musste derweil Schwerstarbeit leisten, weil er bei jedem Treffer – wie schon beim Einlaufen – seine riesige RSV-Fahne schwenkte. Dass nicht noch mehr Einsätze für ihn in Sonsbeck nötig wurden, lag erst an Schiedsrichter Markus Wollenweber, der ein klares Foul an Yesil im Strafraum übersah und deshalb keinen Elfmeter pfiff (27.), und dann an einer nicht mehr so effizienten Verwertung der Chancen seitens der Ratinger: Silberbachs Kopfball nach einer Hammoud-Ecke wurde vor der Linie geklärt (51.), Hammoud selber wurde bei einem Alleingang noch im Strafraum eingeholt und gestoppt (55.), Simon Busch prüfte Holzum, der den Ball zur Seite lenkte, wo der eingewechselte Leonard Bajraktari Probleme bei der Annahme hatte und so vor dem leeren Tor noch geblockt wurde (75.), ein Fallrückzieher von Hammoud ging über das Tor (76.), Holzum stoppte Hirsch im direkten Duell (85.), dann schoss der Ratinger aus dem Gewühl links am Tor vorbei (87.).

Auf der Gegenseite blieb der Schuss von Max Fuchs links am Pfosten vorbei die einzig nennenswerte Chance (66.), Ratingens „Pokal-Torwart“ Luca Fenzl fror ansonsten bei knapp vier Grad Celsius. „Du musst aber da sein, wenn es nötig ist, selbst wenn dir die Hände einfrieren“, sagte er. Auch das gelang.

So durfte 04/19 sehr zu Recht den Einzug ins Halbfinale feiern, so weit war der Ratinger Oberligist noch nie gekommen in seiner Vereinshistorie. Neben dem quirligen Hammoud und dem defensiv wie offensiv glänzenden Silberbach verdiente sich als zweifacher Torschütze diesmal Yesil eine Bestnote: Der Stürmer beeindruckte nicht nur mit seiner bekannt guten Technik am Ball, sondern auch mit Einsatz und Laufbereitschaft, signalisierte ständig, anspielbar zu sein. Ob es am Spiel auf Naturrasen lag? „Heute hat einfach alles gepasst: Der Rasen, das Spiel, die Fans, die Anreise im Bus“, sagte Yesil unserer Redaktion. „Wir waren von der ersten Minute an hellwach und über 90 Minuten dominant. Das ist ein vollkommen verdienter Sieg.“

An den SVS dürfte Yesil nun mehrere positive Erinnerungen haben: Beim 4:1 im Liga-Heimspiel gegen Sonsbeck hatte er seine neun Spiele andauernde Torflaute beendet und in den folgenden vier Spielen zwei Treffer erzielt, nun eben den Doppelpack zum historischen Halbfinal-Einzug. Vielleicht kam ihm auch die Umstellung des Systems entgegen: Weil Emre Demircan nach einer Grippe nur eingeschränkt zur Verfügung stand, hatte Trainer Martin Hasenpflug umgebaut und Hammoud als zweite Spitze neben Yesil aufgeboten. Zudem gab der in der Liga gesperrte Außenverteidiger Busch sein Comeback auf links, dafür rückte Ilbay ins rechte Mittelfeld vor.

Martin Hasenpflug erklärte: „Wir haben ein bisschen was verändert, aber es war ja kein Harakiri – alle sind ihre Positionen gewöhnt. Ali Hammoud hat sich bei uns immer dann hervorgetan, wenn er im Sturm ran durfte, und er hat auch heute wieder ein gutes Spiel gemacht, viele Bälle festgemacht und weitergeleitet. Die Umstellungen haben funktioniert, alle haben es gut gemacht.“ Wie in der Anfangsphase eindrucksvoll zu sehen war. „Das war schon fast ein bisschen unheimlich“, fand Hasenpflug, „als Trainer sieht man dann immer die Gefahr, dass die Mannschaft nachlassen könnte. Das hat sie aber nicht, sondern eine gute Mischung aus Ergebnis verwalten und Chancen erspielen gefunden.“

Apropos Chancen: Die Ratinger wussten, dass sie mit diesem Spiel „Geschichte schreiben“ könnten, wie Hasenpflug sagte, und der Trainer ergänzte: „Der Pokal war schon seit zwei, drei Wochen Thema in der Kabine – vielleicht haben uns deswegen zuletzt in der Liga fünf Prozent gefehlt. Aber die Jungs waren jetzt schon vor dem Spiel total fokussiert. Und so haben wir nächstes Jahr noch ein Highlight.“ Das Halbfinale gegen den Sieger der Partie ASV Mettmann (Bezirksliga) gegen Rot-Weiß Oberhausen (Regionalliga), die aber erst im März ausgetragen wird.

Dann riefen die 04/19-Fans Hasenpflug zur Huldigung, der Trainer dankte es mit einer selten gesehenen Ausgelassenheit, stimmte die „Humba“ für sie an und spritzte ihnen Wasser aus seiner Flasche entgegen. Die Fans antworteten mit „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“. Das war dann ähnlich zu hoch gegriffen wie die Champions-League-Hymne vor dem Spiel, die Euphorie aber angesichts des erstmaligen Einzugs ins Halbfinale jedoch verständlich.

So spielten sie: Niederrheinpokal, Viertelfinale

SV Sonsbeck – Ratingen 04/19 0:3 (0:3)

04/19: Fenzl – Paura, Silberbach, Koenders, Busch, Ari, Nowitzki, Ilbay (71. Bajraktari), Hirsch (89. Jecksties), Hammoud (87. Demircan), Yesil (65. Merzagua).

Tore: 0:1 Silberbach (7.), 0:2 Yesil (8.), 0:3 Yesil (11.).

Aufrufe: 021.11.2022, 23:00 Uhr
Georg AmendAutor