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Land unter: Nach dem zweiten Treffer waren die Miltacher Spieler nicht mehr zu halten. Die Jahn-Kicker hingegen hätten sich am Liebsten irgendwo eingegraben.
Land unter: Nach dem zweiten Treffer waren die Miltacher Spieler nicht mehr zu halten. Die Jahn-Kicker hingegen hätten sich am Liebsten irgendwo eingegraben. – Foto: Screenshot: FuPa

Noch ein Jahrhundertspiel? Miltach vs. Regensburg am 11. Juni 1988

David gegen Goliath, der 1. FC Miltach gegen den SSV Jahn Regensburg - mit dem besseren Ende für den Dorfverein. Ein Spiel, das bei beiden Teams in die Geschichtsbücher eingegangen ist - aus unterschiedlichen Gründen.

Ein einziges Schlagwort genügte, und alle Erinnerungen waren wieder da. Als Armin Grantner den FuPa-Bericht über die Partie Passau vs. Landshut am 30. Mai 1992 gelesen hat und dabei auf den Begriff "Jahrhundertspiel" gestoßen ist, fiel der Groschen. Denn auch der Rettenbacher war seiner Meinung nach bei einer Partie dabei, die wohl für alle Ewigkeit in Erinnerung bleiben wird. Nämlich das Relegationsmatch um einen Bayernliga-Platz zwischen dem 1. FC Miltach und dem SSV Jahn Regensburg am 11. Juni 1988 im Straubinger "Stadion am Peterswöhrd" vor offiziell 6.000 Zuschauern. Noch ein Jahrhundertspiel?

"Eine Antwort auf diese Frage ist wohl eine ziemlich subjektive Sache", spricht Otto Wolfgang das aus, was viele denken. Der 43-Jährige beschäftigt sich seit 30 Jahren intensiv mit der Geschichte des SSV Jahn Regensburg, ist seit 2008 ehrenamtlicher Archivar des Zweitligisten. Der Uni-Professor ist ein wandelndes Geschichtsbuch, wenn es um den oberpfälzischen Traditionsverein geht. Und natürlich ist ihm auch genanntes Aufeinandertreffen auf FuPa-Anfrage sofort geläufig.

Seine Einordnunng: "Es gibt wohl größere Spiele in der Jahn-Geschichte. Beispielsweise die Begegnung mit der SpVgg Weiden 1966/67, als Regensburg den Aufstieg in die damals zweitklassige Regionalliga Süd schaffte." Die Spielzeit 1987/88 möchte in der Domstadt nicht nur Wolfgang Otto am Liebsten einfach aus der Chronik streichen, stand doch am Ende der Abstieg in die Landesliga, "ein epochaler Tieffall". Vier Trainer - Erwin Käufl, Klaus Sturm, Hans Meichel (interimistisch) und Alfred Kohlhäufl - brauchte das Team um Thomas Hemmerich, Gabor Refi, Günther Bortner und Walter Schwabenbauer während der 38. Spieltage. Mit einem ernüchternden Ergebnis nach der "betrüblichen Niederlage" gegen Miltach.

Miltach 1987/88 - eine Mannschaft für die Ewigkeit: (hinten v.l.) Bernhard Scheuerer, Christian Münch, Karl Heinz Pittoni, Josef Schmidberger, Norbert Neumeier, Franz Martin, Bernhard Bucher, Roland Heigl, Trainer Alois Kreis, Betreuer Heinrich Vogl, Hans Jürgen Heigl (vorne v.l.), Helmut Holzapfel, Rudolf Nemmer, Georg Nemmer, Josef Holzapfel, Thomas Schwarz, Ludwig Martin, Karl Heinz Zollner und Physiotherapeutin Uschi Martin. Es fehlt: Günther Heigl.
Miltach 1987/88 - eine Mannschaft für die Ewigkeit: (hinten v.l.) Bernhard Scheuerer, Christian Münch, Karl Heinz Pittoni, Josef Schmidberger, Norbert Neumeier, Franz Martin, Bernhard Bucher, Roland Heigl, Trainer Alois Kreis, Betreuer Heinrich Vogl, Hans Jürgen Heigl (vorne v.l.), Helmut Holzapfel, Rudolf Nemmer, Georg Nemmer, Josef Holzapfel, Thomas Schwarz, Ludwig Martin, Karl Heinz Zollner und Physiotherapeutin Uschi Martin. Es fehlt: Günther Heigl. – Foto: 1. FC Miltach

"Gerade, weil dieses Spiel für uns mit einem negativen Erlebnis verbunden ist, ist es schwer, es als Jahrhundertspiel zu bezeichnen. Aus meiner Sicht suggeriert diese Begriff ja eher etwas Positives", doziert Prof. Dr. Otto. Seine ausgewählten Worte zeugen von seiner akademischen Bildung, aber auch von einer unendlichen Leidenschaft für den SSV Jahn Regensburg. Er will seinen Verein nicht zu schlecht machen, aber auch nichts vertuschen. Selbst im Rückblick tut ihm der Landesliga-Abstieg 1988 weh - zumal er just in diesem Jahr gegen Kronach als kleiner Bub das erste Mal bei einem Heimspiel live im Stadion dabei war.

Nach einem kurzen Moment der Emotionalität wird der 43-Jährige aber wieder sachlich. Er kehrt zurück in seinen Dozenten-Duktus und stellt insgesamt fest: "Ich kann schon verstehen, dass diese Begegnung gerade für Miltach und den Bayerwald eine riesengroße Bedeutung hat. Das war ja eine gewaltige Sache für das kleine Dorf. Und das Duell Klein gegen Groß hatte ja schon immer seinen Reiz, gerade wenn der scheinbare Außenseiter am Ende als Sieger vom Platz geht."

Ein Favorit war im Vorfeld der geschichtsträchtigen Partie am 11. Juni 1988 nicht auszumachen. Und wenn, dann wäre es eher der 1. FC Miltach gewesen. Die Regentaler erlebten damals den Höhepunkt ihrer Vereinsgeschichte. Angeführt von Alois Kreis, der von 1973 bis 1997 (!) Trainer war ("Es hieß: Du bist Sportstudent, also machst Du das"), schöpfte die Goldene Generation um die Großcousins Franz und Ludwig Martin ihr Potenzial vollends aus. Am Ende ließen Heigl, Scheuerer & Co. klangvolle Namen wie die SpVgg Fürth, die Club-Amateure und den ASV Cham hinter sich - begleitet von zahlreichen Geschichten, die man sich noch heute erzählt.

"'Keiner weiß, wo Miltach liegt' – machte sich die fränkische Presse vor dem Spiel gegen Fürth über uns lustig", erinnert sich Alois Kreis, der mit dem 1. FC Miltach länger verheiratet ist als mit seiner Frau - und noch heute als Sportlicher Leiter aktiv ist. Nach dem 7. November 1987 wusste man dann sehr wohl, wo der 1. FC heimisch ist. Denn der heutige Zweitligist kam im Regentalstadion mit 3:0 unter die Räder.

Eine weitere Anekdote: Zum Oberpfalz-Duell mit der SpVgg Weiden am 23. April 1988 wollten dermaßen viele Zuschauer in die Miltacher „Arena“, sodass diese sprichwörtlich überging. "500 Leute standen vor der Kasse und wollten rein. Sie durften aber nicht, weil einfach kein Platz mehr war." Das Spiel endete übrigens 2:2.

Während der kleine Dorfverein also getragen von einer enormen Begeisterungswelle und mit Fans im vierstelligen Bereich nach Straubing zum Relegationsspiel fuhr, trat der SSV Jahn Regensburg diese Reise mit einer großen Ernüchterung im Rücken an. Man rettete sich regelrecht in die Saisonverlängerung, gewann das erste Entscheidungsspiel gegen SV Heidingsfeld Würzburg (2:0). Und auch dort strich die Kohlhäufl-Truppe relativ schnell und eindeutig die Segeln. Die Mittelbayerische Zeitung sprach von einem "hochverdienten Erfolg des in allen Belangen besseren und eine fußballerische Glanzleistung darbietenden Zweiten des Landesliga Mitte."

Die Mannschaft des SSV Jahn Regensburg zu Beginn der Saison 1987/88.
Die Mannschaft des SSV Jahn Regensburg zu Beginn der Saison 1987/88. – Foto: Archiv Wolfgang Otto

Selbstreden, dass sich Alois Kreis an dieses Highlight bestens erinnern kann. "Sowas vergisst man nie", wiederholt er mehrmals. Genauso: "So ein Spiel prägt man sich ein." Der 1. FC Miltach schien damals - nicht nur im „Jahrhundertspiel“ gegen Regensburg - keine Grenzen nach oben zu kennen. Das Team bestand überwiegend aus Dorfbuam. Nur Thomas Schwarz und Norbert Neumeier "holte ich von auswärts dazu". Bezeichnend: Letztgenannter ist aktuell 1. Vorsitzender des Vereins. "Der Zusammenhalt war enorm. Miltach hat 2.000 Einwohner – und im Schnitt kamen in der Saison 1987/88 1.555 Zuschauer."

Kreis weiß das alles so genau, weil er seit Jahrzehnten einen Ordner mit Zeitungsartikel über „seinen“ Verein füllt. Zwei Spiele haben sogar die Ehre, einen eigenen Hefter zu haben. Zum einen eben jenes erfolgreiche Relegationsspiel gegen den Jahn. Zum anderen das endgültige Finale um die Bayernliga eine Woche später gegen Schwaben Augsburg. Leider blieb dem 1. FC Miltach in diesem "Drama" die endgültige Krönung versagt. In der Verlängerung verlor man am 17. Juni 1988 mit 3:4. Also eigentlich auch ein „Jahrhundertspiel“. Aber diesen Begriff nimmt man im Regental eher für die Partie gegen den SSV Jahn Regensburg her. Denn an diese erinnert man sich aufgrund des heroischen Sieges einfach lieber...

Aufrufe: 013.3.2023, 09:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor