Hertha BSC Ama Zwee – 1.FC Lübars II 4:2
4.Spieltag Kreisliga A Berlin Staffel 1 Saison 2023/2024
Sonntag, 17.09.2023 10:30 Uhr
Sportplatz Lüderitzstraße
Ca. 50 Zuschauer
Das Fotografieren beim Schlusspfiff ist reine Utopie. Wie soll ich auch etwas vor die Linse bekommen? Meine Arme sind gen Himmel gereckt, und ich renne zusammen mit den Ersatzspielern und den Trainern auf den Platz, um irgendjemanden in die Arme zu fallen. Es ist pure Freude und Erleichterung, die der Abpfiff freilässt, ähnlich wie in der Szene aus "Der Herr der Ringe - Die zwei Türme", in der die Ents den Fluss Isen befreien und Isengart damit fluten. Wie angespannt ich war, war mir gar nicht bewusst. Aber ich hatte auch bis zum Spiel keine Chance gehabt, mich damit zu befassen. Durch den frühen Anstoß war der Morgen nach einer schlechten Nacht sehr kurzweilig: Frühstücken, das Nötigste aufräumen, den Nachwuchs beim Kita-Kumpel abladen, und schon war ich auf dem Weg in den Wedding.
Auch hier war kaum Zeit, mich mit den eigenen Emotionen bezüglich des Spiels zu beschäftigen. Sonntagsfahrer und Mittelspurschleicher, überall. Den Rest erledigten Baustellen. Dafür fand ich einen Parkplatz genau am Eingang der Lüderitze und betrat den Sportplatz eine knappe Stunde vor dem Anstoß.
Die Herthaner, die schon vor Ort waren, egal ob Mannschaft oder Fans, waren deutlich angespannt, und dadurch wurde auch mir plötzlich klar, wie nervös ich eigentlich war. Auch das Gespräch mit der Mannschaftsbetreuerin, die mir versicherte, dass die Stimmung in der Mannschaft gut sei, beruhigte mich nur bedingt. Zumal die ersten zehn Minuten ganz klar den Gästen von der Schluchseestraße gehörten. Lübars war mit einem ähnlich schlechten Torverhältnis wie Hertha in den Wedding gekommen. Allerdings standen auf der Habenseite der Nordberliner deutlich mehr geschossene Tore als bei den Ama Zwee. Und ganz offensichtlich wollte Lübars Zweite das auch sofort bestätigen. Aber unsere Defensive hielt diesem ersten Ansturm stand. Sie wackelte zwar, aber die Null blieb erst einmal stehen.
Und gerade als sich Hertha aus diesem ersten Würgegriff der Gäste befreit hatte, wurden wir durch den Schiedsrichter mit einer glatten roten Karte dezimiert. Keiner, nicht mal der vom Platz gestellte, wusste, warum der Platzverweis erteilt wurde. Eventuell lag ein Wortgefecht zweier Spieler zugrunde, in dem sich beide Parteien Schimpfwörter an den Kopf geworfen hatten. Warum dann nur ein Spieler bestraft wurde, bleibt wohl das Geheimnis des Unparteiischen. Allerdings hatte sich dieser wohl vor dem Spiel nach den vielen roten Karten der Ama Zwee in den vorherigen Spielen erkundigt. Es schien ein bisschen so wie früher in der Schule: Wenn du bei einem Lehrer auf dem Kieker bist, haben dich plötzlich auch alle anderen Lehrkräfte besonders im Auge und bestrafen dich umgehend bei der kleinsten Verfehlung. So kam mir das auch heute vor. Ich bekam richtige Kopfschmerzen, so sauer machte mich diese Entscheidung. Was nützt der beste Team-Spirit, wenn man durch solche Entscheidungen zurückgeworfen wird?
Offenbar eine ganze Menge, denn Hertha BSC dachte gar nicht daran, sich durch die Dezimierung negativ beeinflussen zu lassen. Im Gegenteil: Nach 36 Minuten bekam Kapitän Justin einen langen Ball in den Lauf gespielt. Trotz Reklamierens der Lübarser Defensive sah der Schiedsrichter keine Abseitsposition und ließ laufen. Der Rest ist pure Glückseligkeit, als der Ball kurze Zeit später im Netz lag. Hoffnung auf den ersten Dreier dieser Saison keimte wieder auf, wurde aber nur fünf Minuten später durch den nächsten roten Karton wieder arg ins Wanken gebracht. Die Hertha Ama Zwee waren nach 41 Minuten und einer Grätsche von hinten nur noch zu neunt. Hier ist die Regel ganz klar auf der Seite des Schiedsrichters. Aber mit Dunkelgelb hätte man die Sache, aus meiner Sicht, auch klären können.
Natürlich herrschte an der Seitenlinie Fassungslosigkeit. Auf dem Platz dominierte dagegen Trotz. Justin holte mit purem Willen, mit der letzten Aktion der Halbzeit, eine Ecke raus. Er brachte sie auch selbst ins Zentrum, wo Lübars die Pille nicht klären konnte und sie Nobre vor die Füße fiel. Der Abwehr-Riese fackelte dann nicht lange und netzte ein.
Halbzeit - Durchatmen. Jetzt müssen wir es taktisch clever anstellen. Lübars sich müde laufen lassen und auf Konter lauern. Wir Stankett-Kiebitze waren uns einig, dass es so etwas werden könnte mit drei Punkten. Allerdings sah Lübars das gar nicht ein. Innerhalb von vier Minuten waren sie, zwischen Minute 50 und 54, zum Ausgleich gekommen. “Das Ding verlieren wir hier jetzt mit 2:8”, unkte Rónnóur. Ich hatte kein Argument dagegen, verließ aber die Szenerie mit den Worten: “Ich stelle die Kamera jetzt trotzdem ans Tor von Lübars, um unsere nächsten Treffer zu filmen.” Und auf dem Weg dorthin wollte mir der Unparteiische offenbar wirklich Filmmaterial liefern, denn er zeigte nach einem Konter und einem Foul an unserem Kapitän auf den Punkt. Elfmeter für die Ama Zwee. Ich war aber gerade erst auf Höhe der Mittellinie, und das kleine rote REC-Lämpchen leuchtete auch noch nicht. Daher verschossen wir den Elfer lieber, und das Spiel ging mit dem 2:2 weiter.
Hertha hatte nun eine Mischung aus gutem Einsatz und Glück, dass Lübars nichts mit der personellen Mehrheit anfangen konnte. Und dann: Zehn Minuten vor dem regulären Ende der Partie eroberte Justin den Ball und hatte nun freie Fahrt zum Tor. Ein kurzer Blick, und er sah den mitgelaufenen Oscar. Ein präziser Pass, ein lockerer Abschluss und alle Herthaner explodieren.
Jetzt müssen nur noch zehn Minuten plus Nachspielzeit überstanden werden. Die Gäste werden zunehmend unzufriedener und meckern und mosern nur noch. Der Schiedsrichter verzichtet auf Verwarnungen, obwohl Lübars mehr als einmal lautstark eine gelbe Karte für den Gegner fordert. Andererseits gibt es auch keine gelbe Karte gegen Hertha BSC, obwohl alle Spieler jetzt alles tun, um Zeit von der Uhr zu nehmen.
Der gesperrte Sascha avancierte zum neuen Defensiv-Coach, koordinierte die Abwehrreihe und gab Tipps und Ratschläge von außen und koordinierte die Verteidiger.
So schleppte sich Hertha BSC bis in die zweite Minute der fünfminütigen Nachspielzeit. Dann ist es erneut Justin, der wieder den Ball erobert, mit letzter Kraft in die Box geht und den wieder mitgelaufenen Oscar sieht. Der vollzieht sogar noch eine Ballrolle, bevor er die Kugel zum 4:2 einschiebt. Der Torjubel ist eine Mischung aus purer Ekstase und vollkommener Erschöpfung. Wer noch kann, rennt zum nächsten Mitspieler und jubelt. Die meisten sacken aber einfach zusammen. Dann ist Schluss, und jeder, der noch Luft hat, jubelt. Die meisten liegen aber in Jubelpose auf dem Boden und versuchen, ihren Kreislauf zu beruhigen.
Die meisten Zuschauer und auch einige Spieler machten sich recht schnell vom Acker, um die Mannschaft der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA noch zu sehen. Die, die noch blieben, resümierten das Spiel mit einer Mischung aus Freude und Erleichterung.
Es war nicht alles gut, was da heute auf dem Platz los war. Aber die Moral war da, der Wille war da, und das Ergebnis stimmte.
So kann es eigentlich weitergehen.
Ich kam völlig fertig zu Hause an und war froh, noch ein paar Minuten Luft zu haben, weil der Sohnemann noch seinen Mittagsschlaf vollzog. Als er wach wurde, sahen wir uns zusammen die Bilder vom Spiel an, und er verkündete: 'Ich will auch zum Fußball.' Na, das lässt sich bestimmt bald mal einrichten."
Ha Ho He Amateure Zwee
der Kutten König