Folgendes Szenario dürfte jeder Amateurfußballer schon einmal erlebt haben: Er ist verletzt, krank oder einfach nicht für den Kader nominiert, will aber unbedingt seine Mannschaft unterstützen. Er erscheint eine gewisse Zeit vor dem Anstoß am Platz und bekommt urplötzlich eine Schiedsrichterfahne in die Hand gedrückt. „Du musst heute den Vereinsassistenten machen“, befiehlt dann der Trainer. Weil er der jüngste ist, der letzte, neu oder irgendetwas anderes gemacht hat.
Für diejenigen, die nicht wissen, was der Vereinsassistent eigentlich ist: Je ein Mitglied von Heim- oder Gastverein muss an der Mittellinie stehen und anzeigen, wann der Ball im Seitenaus gewesen ist. Keine Richtung, kein Abseits, kein Foul. Er soll wirklich nur die Fahne heben, wenn der Ball vollständig die Linie überschritten hat. Das birgt riesiges Konfliktpotenzial.
Vor allem, weil in der Praxis „vollständig im Aus“ immer wieder unterschiedlich interpretiert wird. Insbesondere, wenn die eigene Mannschaft davon profitiert. In der Praxis führt das dazu, dass in strittigen Szenen der Ball für den eigenen Konter immer im Spiel war, beim Konter des Gegners immer im Aus. So, wie es gerade nützt. Auf der einen Seite für die Heimmannschaft. Auf der anderen für die Gäste
Die Rolle selbst wird ohnehin unterschiedlich akribisch wahrgenommen. Der eine steht wirklich an der Mittellinie und quatscht maximal mit dem eigenen Trainer oder Ersatzspielern, andere gehen dafür einfach in die eigene Coachingzone. Wieder andere lehnen sich an die Bande, trinken genüsslich ihr Bierchen, rauchen sich eine und heben als Gag die Fahne, wenn der Ball an der Seitenlinie über Zäune geschossen wurde.
Die Schiedsrichter kennen dabei ihre Pappenheimer. Der eine oder andere ignoriert sie völlig, weiß aber, dass er sie haben muss, falls doch jemand vom Verband mal zur Beobachtung kommt. Andere verlassen sich auf ihre „Assistenten“. Wieder andere schauen drauf, aber überstimmen sie, weil sie selbst klar gesehen haben, dass ein Ball im Aus oder noch im Spielfeld war und der Vereinsassistent das übliche Spiel spielt. Dann wird gemotzt, die Fahne theatralisch auf den Boden geschmissen. Und am Ende bekommt der Verein eine Geldstrafe. Fünf Euro meist.
Diese Strafe gibt es auch, wenn sich ein Verein geweigert hat, einen Vereinsassistenten zu stellen. Weil man als zweite, dritte oder vierte Mannschaft in den unteren Kreisligen eben nur mit dem eingesetzten Kader zum Auswärtsspiel gereist ist. Wohingegen es in beiden Fällen die viel größere Strafe ist, dass der Schiedsrichter genervt ist und anfangs eher Sympathien für die gegnerische Mannschaft hegt.
Deswegen, lieber Verband, liebe Kreise: Schafft den Vereinsassistenten doch bitte ab. Eure Schiedsrichter kriegen diese Aus-Entscheidung besser ohne parteiische Hilfe hin. Und wenn nicht, ist das auch meist ihr geringstes Problem auf dem Feld.