Manni Breuckmann liest: »Haki und der lange Pfosten«

Der Haki hatte sich in der Herrenmannschaft des SV Südstadt schnell den Ruf erarbeitet, ein wenig einfältig zu sein. Doch weil er ein loyaler und netter Kerl und zudem ein pfeilschneller und physisch starker Stürmer war, verzieh man ihm teamintern seine gelegentlichen Denkfouls gern.

Auffällig geworden war der Haki damals gleich in seinem ersten Spiel. Der Trainer, ein ruppiger Charakter alter Schule, hatte ihn in der Kabinenansprache angewiesen, bei Ecken des Gegners den langen Pfosten zu decken. Nachdem eine Halbzeit lang zu beobachten gewesen war, dass der Haki mit dieser Anweisung überhaupt nicht zurechtkam – er lief bei den Eckstößen hektisch zwischen den Torstangen hin und her und irritierte damit den eigenen Torwart –, stellte ihn der Coach in der Pause vor versammelter Mannschaft zur Rede: „Haki, was ist los? Du sollst doch bei den Ecken am langen Pfosten bleiben!“ Daraufhin der Haki, der Verzweiflung nah: „Was heißt das denn? Langer Pfosten, langer Pfosten! Die sind doch beide gleich lang!“

Ein paar Monate später lieferte der Haki ein weiteres Mal Gesprächsstoff – diesmal mit Folgen für das Binnenklima im Verein. Nachdem der Trainer von einem Schiedsrichter ermahnt wurde, dass Hakis Passbild im Verbandssystem erneuert werden müsse – die Aufnahme zeigte ihn als Jugendlichen, der Haki hatte sich seitdem optisch ziemlich verändert –, war er am Tag darauf mit einer SMS an seinen Spieler herangetreten. Ein Screenshot des Chatverlaufs machte anschließend die Runde. Die Originalnachricht des Trainers: „Hallo Haki, kannst du mir für den Verband ein Foto von dir schicken?“ Und als Hilfestellung schickte er hinterher: „Du kannst auch schnell eines von deiner Freundin machen lassen.“ Schon ein paar Sekunden später hatte der Trainer Hakis Antwort auf dem Display: „Von mir schick ich dir ein Foto aber warum von meiner Freundin?“

Dass der Trainer diesen Screenshot auf Hakis Kosten zur Belustigung anderer einfach weitergegeben hatte, traf den eigentlich stets gut gelaunten Haki dann doch. Seine Enttäuschung darüber war ihm anzumerken. Und da andere Mannschaftsmitglieder sich mit ihm solidarisierten und dem Trainer entsprechende Vorwürfe machten, wurde das Verhältnis zwischen Mannschaft und Übungsleiter immer schlechter. Als der Haki dann auch noch begann, seine Tore fortan in Denkerpose mit Blickrichtung Trainer zu feiern, da war es für diesen zu viel und er nahm seinen Hut.

Der Haki aber ging weiterhin auf Torejagd für den SV Südstadt – seinen Jubel behielt er bei.

Zum Sprecher:
Manfred "Manni" Breuckmann (Jahrgang 1951) ist ein deutscher Hörfunkmoderator und Sportreporter. Er wurde 2011 mit dem Deutscher Radiopreis ausgezeichnet. Von 1972 (zunächst als Freier Mitarbeiter) bis 2008 war er Fußball-Radiomoderator für die ARD tätig (u.a. je 5 Welt- und Europameisterschaften). Seit 2009 befindet er sich "im kreativen Ruhestand": schreibend und sprechend (u.a. 2 Jahre als Reporter für das Internet-Radio 90elf).

Zum Autor:
Tim Frohwein (Jahrgang 1983) ist Soziologe und setzt sich seit über einem Jahrzehnt wissenschaftlich und journalistisch mit dem Amateurfußball auseinander. Er unterrichtet an der Hochschule München, ist Redaktionsmitglied beim Zeitspiel-Magazin und organisiert die Veranstaltungsreihe Mikrokosmos Amateurfußball. Seit bald zwanzig Jahren kickt er in den Herrenmannschaften des FC Dreistern München.

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