2024-05-08T14:46:11.570Z

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Der jüngste Tiefschlag einer ganzen Reihe von Misserfolgen der DFB-Teams: Die Frauen schieden in der WM-Vorrunde aus.
Der jüngste Tiefschlag einer ganzen Reihe von Misserfolgen der DFB-Teams: Die Frauen schieden in der WM-Vorrunde aus. – Foto: Darren England

„Leistung muss wieder im Zentrum stehen“: Fürstenfeldbrucks Trainer zur Lage des deutschen Fußballs

Die Meinungen der Coaches

Der deutsche Fußball hat in den letzten Jahren keine gute Figur gemacht. Die Trainer der Fürstenfeldbrucker Vereine sagen ihre Meinung dazu.

Fürstenfeldbruck – Was ist nur los mit dem deutschen Fußball? Nach dem Männer-Nationalteam und der U21 sind kürzlich auch die umjubelten Frauen schon in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft gescheitert. Der deutsche Fußballbund (DFB) strebt deshalb umfassende Reformen an, insbesondere im Jugendbereich. Doch auch an denen entzünden sich Diskussionen.

Ist der deutsche Fußball zu weich geworden? Woran liegt’s? Und was kann man tun, um aus der Misere wieder rauszukommen? Das Tagblatt hat sich bei den Landkreis-Trainern umgehört.

Computer ersetzen den Freizeit-Kick

Für Kottgeiserings Trainer Uwe Slowik beginnt die Misere bereits bei den jüngsten Kickern. „Mit der Abschaffung von Tabellen wird den Kindern jeglicher Leistungsdruck genommen“, sagt der 67-Jährige. „Wir schauten früher sofort nach dem Spiel auf die Tabelle. Wir wollten doch wissen, wie die Gegner gespielt haben.“

Dazu hätte der Fußball bei vielen Kindern einen geringeren Stellenwert als früher. Nicht nur verbringen sie viel mehr Zeit in der Schule. Jenseits vom Training hätten sie in ihrer Freizeit auch nicht mehr viel mit dem Kicken am Hut. „Die Sporttasche fliegt in die Ecke und ran an den Computer. Straßenfußball, so wie in Brasilien oder Afrika, gibt es bei uns schon lange nicht mehr.“

Uwe Slowik SV Kottgeisering
Uwe Slowik SV Kottgeisering – Foto: SV Kottgeisering

Die lasche Einstellung setze sich in den Nationalmannschaften fort. „Ich vermisse Willen, Aggressivität und Leidenschaft, so wie bei den Engländern oder Kroaten. Die gehen ganz anders zur Sache.“ Dazu sieht der 67-Jährige auch bürokratische Hürden. So fordere der DFB gute Stützpunkt-Trainer. In der Praxis heißt das: Schon ein U11-Coach braucht die B+-Lizenz.

„Die ist allerdings teuer und wird von den Vereinen kaum übernommen. Das schreckt viele ab, überhaupt den Schein zu machen“, sagt Slowik, der aber auch Positives sieht. „Der Weg, den der neue DFB-Nachwuchs-Direktor Hannes Wolf geht, ist vielversprechend. Vier gegen vier zum Beispiel, da ist alles drin: Zweikämpfe, Torschüsse und Kampf.“

Ins Nationalteam gehören die Besten

In Sachen Nationalmannschaften fordert Geiselbullachs Spielertrainer Stefan Held einen differenzierten Blick. So sehe er das frühe Aus bei der Frauen-WM nur als Ausrutscher. Anders bei den Männern. Dort lägen die Probleme tiefer. „Aber eines sollte bei allen an erster Stelle stehen: das Leistungsprinzip. So sollten zur Nationalmannschaft die besten eingeladen werden und nicht junge Spieler, die dort erst mal Erfahrungen sammeln sollen.“

Stefan Held, TSV Geiselbullach.
Stefan Held, TSV Geiselbullach. – Foto: TSV Geiselbullach

Der 28-Jährige beklagt, dass zu wenige deutsche U21-Spieler in den Bundesligen zum Einsatz kämen. „Das lässt den Schluss zu, dass die Ausbildung in deutschen Vereinen wesentlich leistungsorientierter sein sollte.“

Auch im untersten Jugendbereich sei er gegen die Abschaffung der Tabellen. „Wobei ich das Funino-Training für die Kleinsten als gute Spielform sehe, wo die fußballerische Entwicklung der Kinder mit vielen Ballkontakten gefördert wird.“

Mehr Kontinuität beim DFB würde helfen

„Wir müssen einfach mehr Identität entwickeln. Wir sind kein Abwehrbollwerk, keine Tiki-Taka Fußballer“, meint Olchings Co-Trainer Felix Mayer. „Wir haben gute Einzelspieler in den Vereinen, aber ich vermisse in der Nationalmannschaft Mentalität und Teamgeist.“ Zudem habe es zu viel Rotation im Team gegeben.

Felix Mayer.
Felix Mayer. – Foto: SV Mammendorf

Und noch etwas kritisiert der 28-Jährige: „In der Nationalmannschaft fehlt mir das Gewinner-Gen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es den Spielern großartig wehgetan hat, weil sie ausgeschieden sind.“ Eine Lösung laut Mayer: mehr Kontinuität beim DFB. „Nach jedem Turnier, das die Nationalelf verkackt, werden gleich alle Vorsätze über den Haufen geworfen, anstatt einige Jahre an neuen Strukturen festzuhalten.“

Die Reform des DFB-Nachwuchs-Direktors Wolf unterstützt Mayer aber. „Die Kinder müssen ständig den Ball am Fuß haben. Ich gehe doch nicht auf den Platz um Koordinationsspielchen zu machen, um Hütchen zu umlaufen.“ Funino sei im Ansatz gut, aber es fehle das Toreschießen. „Und wie will man den Kindern Niederlagen beibringen, wenn‘s keine Tabellen gibt. Sie müssen lernen, mit Niederlagen umzugehen“, so Mayer.

Straßenfußballer statt Systemkicker

Ganz ähnlich sieht es Unterpfaffenhofens Sportdirektor Jürgen Kapfer. Den Kindern werde jeglicher Wettkampf genommen. „Um erfolgreich zu sein, gehören neben Siegen auch Niederlagen dazu. Unsere Kinder heutzutage verweichlichen und verlernen, sich durchzusetzen“, sagt der 54-Jährige.

Zudem würden junge Kicker zu sehr in ein Korsett von Spielsystemen gepresst. „Was mir abgeht, sind die echten Straßenfußballer. Die gibt es einfach nicht mehr. Junge Fußballer, die eigene Ideen im Spiel entwickeln, um den Gegner zu erledigen“, so Kapfer. „Die Ausbildung ist ja an und für sich nicht schlecht. Aber das eigene Selbstbewusstsein, Ideen selbst zu kreieren, das geht immer mehr verloren.“ Eine gewisse Portion Egoismus würde den jungen Kickern nicht schaden.

Jürgen Kapfer, Sportdirektor des SC Unterpfaffenhofen.
Jürgen Kapfer, Sportdirektor des SC Unterpfaffenhofen. – Foto: SC Unterpaffenhofen

Aber auch an der Ausbildungslandschaft in Deutschland übt Kapfer Kritik. „Jugendspieler, die zu den Leistungszentren eingeladen werden, kommen häufig gar nicht wirklich zum Zug, werden links liegengelassen und haben es schwer, sich gegen etablierte und namhafte Spieler zu behaupten.“

Das mache sich dann auch im Nationalteam bemerkbar. „Die entscheidenden Positionen in den deutschen Vereinen sind von ausländischen Spielern besetzt.“ So habe die DFB-Elf nur noch Stürmer zweiter Wahl. Beim FC Bayern spielte lange Zeit eine komplett französische Abwehr und im Sturm der Pole Robert Lewandowski – jetzt der Engländer Harry Kane. Die Folge: Im Nationalteam seien viele Spieler, die im Verein nur die Bank drücken.

Dazu komme, dass sich niemand mehr so richtig schinden mag. „Wenn wir uns früher spielerisch nicht durchsetzen konnten, dann haben wir das mit kämpferischem Einsatz ausgeglichen“, erzählt Kapfer. „Und heute? Fehlanzeige.“ (Dieter Metzler)

Aufrufe: 031.8.2023, 07:10 Uhr
Dieter MetzlerAutor