
Eigentlich hätte am Wochenende das traditionsreiche Duell zweier ehemaliger Oberligisten steigen sollen: BSG Wismut Gera gegen Wacker 90 Nordhausen. Doch statt Flutlichtknistern und hochgezogenen Schultern vor dem Anpfiff herrschte gähnende Leere – die Partie wurde frühzeitig abgesagt. Ein Sinnbild für die derzeitige Lage beider Vereine, die sich noch immer schwer tun, in der Thüringenliga Fuß zu fassen.
Kurz vor dem Ende der Hinrunde stehen sowohl die Geraer als auch die Nordhäuser auf Abstiegsplätzen – weit entfernt von den eigenen Ambitionen. Und es drängt sich die Frage auf: Ist es ein Trend, dass Oberliga-Absteiger in der Thüringenliga zunächst straucheln?
Wacker-Trainer Stefan Wilke, seit sieben Spielen im Amt, will diese Frage nicht endgültig beantworten – zumindest nicht aus Geraer Sicht. Doch aus Nordhäuser Perspektive erkennt er klare Muster. „Viele Gegner wirken gegen uns noch einmal besonders motiviert“, erklärt er. Schon in den Spielankündigungen spüre man den besonderen Reiz, einen abgestiegenen Traditionsverein zu ärgern. Auf dem Platz werde daraus ein emotionales und körperbetontes Niveau, das vor allem seinen jungen Spielern viel abverlange. Hinzu komme der psychologische Ballast eines Abstiegs. „Nach einem sportlich enttäuschenden Jahr spielt man selten komplett frei auf“, so Wilke. Verunsicherung, Erwartungsdruck und der Blick auf die Tabelle – all das begleite ein Team länger, als man es wahrhaben wolle.
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen sieht Wilke eine positive Entwicklung seiner Mannschaft. Sieben Punkte aus sieben Spielen sind noch kein Befreiungsschlag, aber ein erster Schritt zurück in die Stabilität. Besonders die Siege gegen Borsch und Saalfeld haben gezeigt, wohin der Weg führen kann: mehr Intensität, mehr Zugriff gegen den Ball, klarere Umschaltsituationen. Gegen Arnstadt hielt Wacker lange mit und scheiterte letztlich an Fehlern, „die man nicht kassiert, wenn man im gesicherten Tabellenmittelfeld steht“.
Doch es bleibt ein fragiler Prozess. Die Niederlage in Weida – die schwächste Leistung unter Wilke – hat deutlich gemacht, wie schnell Fortschritte ins Wanken geraten können. „Wir waren meist einen Schritt zu spät und haben die notwendige Intensität komplett vermissen lassen“, so der Coach. Die Partie wurde analysiert, abgehakt – mehr bleibt auf einem steinigen Entwicklungsweg oft nicht übrig.
Die Beispiele Gera und Nordhausen zeigen ein Muster, das in den kommenden Jahren häufiger auftreten könnte: Absteiger aus der Oberliga, besonders Traditionsvereine, haben es zunehmend schwer, sich neu zu sortieren. Der Druck von außen ist groß, die Erwartungshaltung im Umfeld hoch – während im Team oft ein Bruch entsteht: Spieler verlassen den Verein, Neuzugänge müssen sich finden, der Nachwuchs rückt früher nach als geplant. Gleichzeitig begegnen Gegner den bekannten Namen mit maximaler Motivation. Der Nimbus von früheren Erfolgen wird zum zusätzlichen Gewicht im Rucksack.
Für Wacker Nordhausen hätte das ausgefallene Spiel in Gera ein wichtiger Stimmungsbooster werden können – der Plan, „extrem heiß“ in die Winterpause zu gehen, liegt vorerst auf Eis. Doch Wilkes nüchterne Analyse und der sichtbare Aufwärtstrend lassen zumindest erahnen, dass der Weg aus dem Tabellenkeller möglich ist – wenn auch mit Geduld, harter Arbeit und der Bereitschaft, schmerzhafte Rückschläge einzukalkulieren.
