Das Aus von Oliver Mueller beim TSV 1860 ist beschlossene Sache, aber immer noch nicht bestätigt. Ein Kommentar von Löwen-Reporter Uli Kellner.
Zuletzt, als hätte er eine Vorahnung gehabt, ging Oliver Mueller in die Offensive. Bei LinkedIn schilderte er ausführlich, wie ein typischer Arbeitstag in seinem Geschäftsführerleben aussieht, kündigte zudem detaillierte „Blicke durchs Schlüsselloch“ an. Auch auf die Medien ging der 1860-Boss zu und bot proaktiv Redaktionsbesuche an. Transparenz, die ihm am Ende nichts mehr nutzte, denn schon nach 215 Tagen im Amt erfolgte der Abpfiff für den 46 Jahre alten Badener. Die Löwen setzten den Nachfolger von Marc Pfeifer vor die Tür – und beendeten damit eine Zusammenarbeit, in der es von Anfang an geholpert hat.
Mit 50+1 gegen den Willen von Hasan Ismaik eingesetzt, legte Mueller los wie selten ein Geschäftsführer vor ihm. Er war kein Scharold, der im stillen Kämmerlein wirkte, auch kein Pfeifer, der sich mit seiner smarten Art schnell Freunde machte (anfangs), sondern eine kantig-kauzige Autorität, die keinen Zweifel an ihrer Eignung ließ. Restrukturierung, dann ins Wachstum gehen, Sponsoren im Rahmen einer „Road Show“ binden.
Bei einer legendären Präsentation („Der neue Biss des Löwen“) schwirrte manchem Beobachter der Kopf ob des Schlagworte-Gewitters, und hängen geblieben sind vor allem zwei Aussagen. Erstens: 1860 soll bis 2029 wieder die Nummer zwei im Freistaat sein. Zweitens: „Lieber tot als Zweiter“ – insgeheim war für den ehrgeizigen Mueller nur der weiß-blaue Himmel das Limit.
Passt so einer zu einem Verein, der sich als bodenständig-bayerischer Gegenentwurf der Großkopferten definiert? Bezeichnend: Mueller verteilte gerne ein kleines Lexikon: „Deutsch - Badisch, Badisch - Deutsch“. Sollte natürlich ein Gag sein, denn neben der internationalen Schreibweise seines Namens (ue) fiel der Schwarzwälder auch damit auf, dass er bevorzugt in seiner südbadischen Mundart schwätzte. Ob ihn alle bei 1860 verstanden haben, ist nicht bekannt.
Unverständnis – im anderen Sinne – erntete er dann aber immer häufiger. Wegen seiner fragwürdigen Sparpolitik (Tapeverbände reduzieren), wegen seiner frechen Spitzen in Richtung der e.V.-Opposition („Wenn der Clown in den Palast einzieht...“). Der Eindruck war: Mueller haut gerne einen raus, wogegen grundsätzlich gar nichts spricht. Problematisch wird es nur dann, wenn auf großspurige Ankündigungen überschaubare Taten folgen – und am Ende auch noch handwerkliche Fehler dazukommen.
Wer so austeilt und aneckt, sollte über jeden Zweifel erhaben sein. Mueller war es offensichtlich nicht. Dass die e.V-Seite erstaunlich schnell ihren Besetzungsfehler korrigiert hat, zeugt von hohem Verantwortungsbewusstsein, denn es ist gewiss nicht leicht, einen Mann abzuziehen, den die Gegner im eigenen Verein nie haben wollten. Vielleicht ist Muellers Aus sogar eine Chance, endlich mal einen Kompromisskandidaten einzusetzen und auf diese Weise den Spalt, der sich durch die Gesellschafterseiten zieht, zu verkleinern. Dass es so kommt, ist natürlich höchst unwahrscheinlich, es wäre aber einen Versuch wert.