2023-12-01T13:34:47.520Z

Kommentar
Sieben Punkte Rückstand auf Platz zwei, Spieler sind Schatten ihrer selbst: Die Entlassung von Michael Köllner war unausweichlich, sagt Sportredakteur Uli Kellner.
Sieben Punkte Rückstand auf Platz zwei, Spieler sind Schatten ihrer selbst: Die Entlassung von Michael Köllner war unausweichlich, sagt Sportredakteur Uli Kellner. – Foto: Imago/Sven Simon

Kommentar zum Köllner-Aus: Richtig gehandelt, aber zu spät – Zauderei, die einen hohen Preis hat

TSV 1860 entlässt Trainer Köllner

Der TSV 1860 München musste sich von Michael Köllner trennen. Dass sich die Verantwortlichen nicht früher getraut haben, kommt sie teuer zu stehen. Ein Kommentar.

Am Ende war seine Ratlosigkeit greifbar. Im Montagabendspiel lief die 90.+3 Minute, als Michael Köllner von seiner letzten Wechseloption Gebrauch machte. Er holte Phillipp Steinhart vom Feld, brachte Fabian Greilinger, was zu einer weiteren Spielunterbrechung führte. Eine Verzweiflungsaktion, die Dresden, das 2:1 führte, mehr nutzte als den Löwen, denen die Zeit davon lief. Sekunden später pfiff Schiedsrichter Tobias Reichel ab – und abgelaufen war damit auch Köllners Zeit in München.

TSV 1860: Letzte Amtshandlung von Köllner lässt tief blicken – was er auch machte, nichts klappte mehr

Eine Trainerära von drei Jahren und fast drei Monaten endet also mit einer Aktion, die nicht davon zeugt, dass Köllner noch Kontrolle über das Geschehen hatte. Psychologen würden von einer Übersprungshandlung sprechen: Haltsuche durch vertraute Verhaltensmuster, wenn eine Situation ausweglos erscheint. So muss es Köllner am Ende vorgekommen sein. Was er auch machte – nichts klappte mehr. Müßig zu spekulieren, ob er die Kabine verloren hatte, wie man im Fußball sagt, ob Trainer und Team unter tonnenschweren Erwartungen litten, die sie selbst geweckt haben. In jedem Fall war die Heimpleite gegen Dresden die Fortsetzung einer Entwicklung, die nicht aus heiterem Himmel kam.

Startrekord, eine sich anschleichende Form- und Ergebniskrise, gipfelnd in einer alarmierenden Niederlagenserie (fünf aus den letzten sieben Spielen). Dass der Verein am Dienstag den Stecker zog, war so nachvollziehbar wie überfällig.

Köllner-Entlassung: TSV 1860 konnte nicht mehr am Trainer festhalten – das Zaudern hat einen hohen Preis

Ein Profiverein, der aufsteigen will, hätte Zweifel an seiner Führungskompetenz geweckt, hätte er nicht irgendwann die Reißleine gezogen. Es war schon schwer genug, den Fans zu vermitteln, dass man nicht schon die WM-Pause für einen Neuanfang genutzt hatte.

Zauderei, die einen hohen Preis hat. Sieben Punkte Rückstand auf Platz zwei, Aufstiegstraum in akuter Gefahr, die Mannschaft tief verunsichert. Wandelnde Beispiele dafür sind Marcel Bär, Jesper Verlaat und Stefan Lex. Der Torschützenkönig, der bisherige Abwehrchef und der Kapitän – alle nur noch ein Schatten früherer Tage.

Gorenzel springt selbst in die Bresche: Jetzt steht die Mannschaft in der Pflicht

Dass sich Sportchef Günther Gorenzel gestern selbst für die Rettermission nominierte, spricht für seinen Ehrgeiz, die Saison nicht abzuschenken. Er lässt sich jetzt Zeit, will eine schlüssige „Dauerlösung“ finden. Gute Trainer wären auf dem Markt: Lösungen mit Stallgeruch (Fröhling, Schmidt), mit Promistatus (Fink, Funkel), mit Aufstiegsexpertise (Härtel, Neuhaus) oder Guru-Image (Oral). Allein: Für eine größere Lösung fehlt das Geld, das eine Einigung der Gesellschafter voraussetzt.

Immerhin: Das Trainer-Alibi wurde dem Team nun genommen. Ab sofort steht die Mannschaft in der Pflicht. Dass sie besser spielen kann als in den letzten Monaten unter Köllner, hat sie bewiesen. Unter anderem in den ersten Saisonspielen unter Köllner, als der Trainer noch unbeschwert wirkte. Am Ende ist er wohl auch daran gescheitert, dass er sich einen Druck aufgebaut hatte, dem er nicht mehr gerecht werden konnte. (Uli Kellner)

Aufrufe: 031.1.2023, 17:18 Uhr
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