2024-04-23T13:35:06.289Z

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Nach dem entscheidenden Sieg gegen Regensburg eskalierten nicht nur (v.l.) Physio Julian Schmitt, Fabio Reck, Luca Ljevsic und Ben Olschewski.
Nach dem entscheidenden Sieg gegen Regensburg eskalierten nicht nur (v.l.) Physio Julian Schmitt, Fabio Reck, Luca Ljevsic und Ben Olschewski. – Foto: Sascha Dorsch

»Holterdiepolter« in Liga 4: Der Überraschungs-Meister mit Ansage

Der FC Eintracht Bamberg ist Bayernliga-Meister. Der verdiente Lohn für eine starke Saison, die mehrmals zu kippen drohte...

Jan Gernlein ist deutlich hörbar angeschlagen. Er muss den vergangenen Tagen einfach Tribut zollen. Körperlich. Wenig Schlaf, viel Party. "Erst sind wir lange im Stadion geblieben und haben mit Fans und den Familien gefeiert. Dann haben wir uns kurz in die Kabine zurückgezogen, um für uns zu sein", berichtet er. Weiter gings in einer typisch fränkischen Brauerei-Wirtschaft, ehe die Domreiter die Bamberger Nacht zum Tage gemacht haben. Am Sonntag stand nach "drei Stunden Schlaf" ein Frühschoppen auf dem Programm. "Nachmittags haben wir unserem Kooperationspartner Oberhaid zugeschaut. Drei Spieler haben geschlafen. Viele wissen wohl immer noch nicht, wie das Spiel geendet hat", erzählt FCE-Manager Sascha Dorsch.

Der FC Eintracht Bamberg ist Meister der Bayernliga-Saison 2022/23 und kehrt somit nach acht Jahren in die "Champions League der Amateure" zurück. Am Samstag machte der oberfränkische Traditionsverein mit dem 5:2-Heimerfolg vor 1.600 (!) Zuschauer im legendären Fuchs-Park-Stadion bereits einen Spieltag vor Saisonende Nägel mit Köpfe. Selbstredend, dass nach Abpfiff alle Dämme brachen. Logisch, dass dieser Erfolg gebührend gefeiert wurde - und noch wird. "Wir haben es richtig krachen lassen", fasst Trainer Gernlein noch einmal zusammen. Tobias Linz, dienstältester Spieler im Kader, ist noch emotionaler: "Ein unfassbares Gefühl. Man ist einfach unfassbar stolz."

Der Meistertitel ist - natürlich - der verdiente Lohn für eine starke Saison. Er ist aber im Falle des FC Eintracht Bamberg auch der Beweis, dass die Oberfranken eine Mannschaft haben, die füreinander einsteht. Und die sich selbst von den krassesten und außergewöhnlichsten Herausforderungen nicht aus der Bahn werfen lässt. Kurz vor Saisonbeginn haben mit Vorstand Jörg Schmalfuß und Trainer Julian Kolbeck zwei maßgebliche Funktionsträger den Verein verlassen. Hinzu kamen namhafte Abgänge von Leistungsträger. "Nur zur Erinnerung: Uns haben 50 Tore verlassen", blickt Sascha Dorsch zurück.

Als auch noch das erste Saisonspiel gegen Würzburg verloren ging, "wussten wir ehrlich gesagt nicht, wie wir diese Spielzeit irgendwie hinbekommen sollen". Doch das Team präsentierte sich von Beginn an als solches. Es lieferte. Anfangs überraschend, später als gäbe es nichts Einfacheres. Tobias Linz weiß, warum: "Klar, uns sind wichtige Spieler weggebrochen. Aber das Grundgerüst ist geblieben. Drumherum konnten sich die Talente hervorragend entwickeln." Jan Gernlein sieht in Christopher Kettler, Marc Reischmann, Felix Popp und Moritz Kaube diese Korsettstangen. Allesamt Defensivspieler, weshalb es nicht verwundert, "dass die Abwehr unser Prunkstück ist".

Das hatte vor der Saison auch Sascha Dorsch in genannter schwieriger Phase im Hinterkopf. "Wir haben ständig gewusst, dass wir uns auf die Defensive verlassen können - und auf unsere Kameradschaft." Was hinzukommt, ist eine enorme psychische Belastbarkeit aller Kadermitglieder. Denn diese wurde mehrmals geprüft. "Es ging Holterdiepolter", unterstreicht der Eintracht-Manager: Der lange unbespielbare Rasen im Fuchs-Park-Stadion, das Nebel-Chaos von Gebenbach, enorm viele Absagen und in der Folge unzählige Englische Wochen, die immer größer werdende Erwartungshaltung von außen - all diese Hürden übersprangen die Domreiter nicht nur gekonnt, sondern auch mit einer beinahe unglaublichen Leichtigkeit. Zwischenzeitlich blieb Bamberg 27 Partien ohne Niederlage.

– Foto: Sascha Dorsch

"Das hat Jan Gernlein hervorragend moderiert und den Spielern eine Jetzt-erst-recht-Mentalität eingetrichtert", geht Sascha Dorsch auf die Rolle des Trainers ein, der erst kurzfristig vor der Saison sein Amt übernommen hat. Und dennoch ist der Anteil des 30-Jährigen am Erfolg nicht von der Hand zu weisen. "Er hat die Arbeit von Michael Hutzler und Julian Kolbeck weitergeführt und mit seiner persönlichen Note angereichert. Der Meistertitel zeigt, dass er es richtig gemacht hat." Klingt relativ einfach. Das war es aber bei Weitem nicht, wie Gernlein erklärt: "Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Zwar kannte ich einige Spieler. Aber es braucht immer Zeit, bis Trainer und Team zueinander finden. Bei uns ging das sehr, sehr schnell. Und das war der Schlüssel. Denn es hätte auch in die andere Richtung gehen können."

Verlassen konnte sich der Coach stets auf den Rückhalt seitens der Führungsriege - allen voran in Person von Sascha Dorsch. Und auch das Umfeld blieb stets ruhig, was rund um den FC Eintracht Bamberg nicht immer der Fall war - Stichwort: Insolvenz. "Nun ist alles nachhaltiger aufgebaut", weiß Tobias Linz. "Wir leben Bodenständigkeit vor. Das wird honoriert und hat dazu geführt, dass frühere Gegner nun Befürworter sind." Die Fehler der Vergangenheit sind gleichzeitig der Auftrag für die Zukunft. Sascha Dorsch: "Wir kalkulieren mit allergrößter Sorgfalt. Das ist unser historisches Erbe."

– Foto: Sascha Dorsch

Die Regionalliga wird eine großer Aufgabe werden für den Verein. Natürlich in finanzieller Hinsicht. "Unser Etat wird zu den kleinsten der Liga zählen. Als gallisches Dorf in dieser Hinsicht wollen wir aber eine gewisse Strahlkraft entwickeln." Die 4. Liga wird aber auch in sportlicher Hinsicht eine andere, größere Hausnummer werden. "Ich vertraue den Jungs", macht Jan Gernlein klar. "Aber wir werden uns auch punktuell verstärken - vor allem in der Breite. Fest steht aber, dass wir weiterhin auf regionale Kräfte setzen."

Der Aufstieg ist in erster Linie eine durch und durch positive Sache. Die höhere Spielklasse ist aber auch mit noch mehr Arbeit verbunden - für die Spieler, für den Trainer, für die Verantwortlichen. Schon am Sonntag war Sascha Dorsch damit beschäftigt, deshalb einige Dinge in die Wege zu leiten. Noch mehr Ehrenamtliche zu mobilisieren, noch mehr Details mit der Stadtverwaltung absprechen. "Angst ist das falsche Wort. Es ist eher Respekt. Nächste Saison warten Gegner wie Bayern II, Bayreuth und die Würzburger Kickers. Das wird super, aber auch richtig schwer."

– Foto: Sascha Dorsch

Die Spieler um Tobias Linz müssen noch mehr Gas geben, "weil alles krasser und schneller" werden wird. Auf Sascha Dorsch und Jan Gernlein kommt ebenfalls eine große körperliche Belastung zu. Aber vor allem eine mentale. Aber das sind sie nach dieser Spielzeit ja bereits gewohnt. Übung macht den Meister. Und ab und an darf man auch mal angeschlagen sein. Denn bisher ist man beim FC Eintracht Bamberg immer gestärkt zurückgekommen...

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Gratulanten zum Meistertitel:

Patrick Garbe (Spielleiter): "Eine spannende Saison findet ihren Meister mit Eintracht Bamberg. Herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg und viel Glück in der Regionalliga. Es war lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dies hat für sehr viel Spannung in der Meisterschaft gesorgt und Werbung für den bayerischen Amateur-Spitzenfußball gemacht. Jetzt ist es nochmal spannend um den Relegationsplatz geworden und wir haben noch einen spannenden letzten Spieltag. Ich drücke schon heute die Daumen für den nordbayerischen Teilnehmer in der Relegation."

– Foto: Sascha Dorsch

Michael Hutzler (Ex-Trainer): "Mein allergrößten Respekt in Richtung FC Eintracht Bamberg. Ich bin so glücklich, dass sie es geschafft haben. Ganz Bamberg kann megastolz sein auf diese Mannschaft, auf den Verein, auf das Trainerteam, das klasse gearbeitet hat. Der Übervater des Erfolges ist für mich Sascha Dorsch, der im Hintergrund die Geschicke leitet. Ich finde es hammer, so einen Erfolg mit derart jungen Spielern, die selber ausgebildet worden sind, zu schaffen."

Julian Kolbeck (Ex-Trainer): "Unfassbar, was Jan und das Team mit dem Aufstieg in die Regionalliga geschafft haben. Ich empfinde enormen Stolz, weil ich selber ein Jahr erleben durfte, mit welchem Herzblut der Fußball beim FC gelebt wird. Sascha Dorsch und Co. haben Unglaubliches geleistet. Ich gratuliere dem FC Eintracht Bamberg herzlichst zum Aufstieg und wünsche viel Erfolg in der Regionalliga. Feiert schön!"

Franz Helmer (Ex-Spieler): "Ich habe schon ein paar Bilder von den Feierlichkeiten gesehen. Es freut mich natürlich riesig für die Jungs und hat mich auch zum Schmunzeln gebracht. Den Meistertitel hat sich der ganze Verein mit allen Verantwortlichen und Ehrenamtlichen durch die hervorragende Arbeit verdient."

Jakob Tranziska (Ex-Spieler): "Absolut verdiente Meisterschaft nach einer so starken Saison mit gerade einmal zwei Niederlagen. Der FC ist endlich wieder da, wo er hingehört. Herzlichen Glückwunsch von mir."

– Foto: Sascha Dorsch

Aufrufe: 023.5.2023, 10:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor