Passt das zusammen? Beim TSV 1860 München wächst der Fanfrust und trotzdem fahren zahlreiche Anhänger nach Saarbrücken, um ihre Mannschaft anzufeuern.
Kein Trainingslager, zwei Testspiele ohne Zuschauer, dazu Flaute auf dem Transfermarkt und nicht mal ein neuer Trainer. Man muss kein typischer Löwen-Grantler sein, um diese Winterpause öde zu finden. Um sich trotzdem irgendwie in Rückrundenstimmung zu bringen, dachte sich Hans Faber (74) am Sonntag: „Jetzt fahr ich doch mal auf München und schau‘ mir ein Training an.“
„Die Leute sind so frustriert, dass viele nach dem letzten Heimspiel gesagt haben: Jetzt stelle ich meine Jahreskarte bei Facebook rein oder sonst wo.“
Hans Faber, langjähriger Fan des TSV 1860 München.
Gesagt, getan, doch wirklich gelohnt hat es sich nicht: „25 Minuten san‘s ausgelaufen, danach mit Essenstöpf‘ rüber – und wieder nach Hause gefahren.“ Wäre Faber mit seinen drei Spezln von den Kasinger Löwen nicht noch spontan im Wirtshaus gelandet – er hätte sich die zweistündige Anreise mit der Regionalbahn sparen können.
Aufbruchstimmung sieht anders aus – vor allem für einen wie den Faber Hans, der in fast sieben Jahrzehnten als Löwen-Fan auch schöne Zeiten erlebt hat. Momentan, sagt der Rentner, ist es besonders hart für ihn, sein Hobby auszuleben – das sehen viele der 360 Mitglieder in seinem Fanclub nicht anders.
„Es ist wirklich schlimm geworden“, klagt Faber am Telefon: „Die Leute sind so frustriert, dass viele nach dem letzten Heimspiel gesagt haben: Jetzt stelle ich meine Jahreskarte bei Facebook rein oder sonst wo. Viele haben zu mir gesagt: Hans, ich fahr‘ nicht mehr rauf, ich mag nicht mehr.“
„Den großen Bock hab ich ehrlich gesagt auch nicht mehr.“
Sepp Schmid, Gründer des Fanclubs „Vierkirchen-Pasenbach“.
0:4 endete besagtes Heimspiel gegen Verl, als die Ränge im Grünwalder Stadion eh schon halb leer waren. In besseren Zeiten hat Faber einen Bus für 80 Leute gechartert, um Auswärtsspiele zu besuchen. Am Samstag, wenn 1860 in Saarbrücken startet, kommt nicht mal mehr ein Neunsitzer zusammen. „Die Jungen fahren mit dem Zug“, sagt Faber. Vielen, vermutet er, würde es auch weniger ums sportliche Vorankommen gehen, sondern um den Eventcharakter einer Auswärtsreise.
Ähnliches wie Faber berichtet auch Sepp Schmid (63), der vor 15 Jahren den Fanclub „Vierkirchen-Pasenbach“ ins Leben gerufen hat. 460 Mitglieder, die Zaunfahne immer im Gepäck. Man fährt zwar noch, immer zu den Heimspielen, immer seltener auswärts, doch Spaß macht das Leben als Löwen-Fan schon länger nicht mehr.
„Den großen Bock hab ich ehrlich gesagt auch nicht mehr“, gesteht der Werkstatt-Besitzer. „Daheim die Spiele“, sagt er und sucht die passenden Worte: „Da magst du keinen mehr mit reinnehmen. Die Heimspiele sind echt nur noch traurig. Wie viele haben wir gewonnen? Zwei waren‘s, mein‘ ich. Ich sag‘s ganz ehrlich: Spätestens im Winter hätte der Trainer weggehört. Dazu der ewige Streit! Inzwischen hacken sie sich im e.V. schon gegenseitig die Augen aus. Und wenn ich dann noch lese, dass der Mueller 600 000 Euro für eine Arbeit fordert, die er nie geleistet hat, dann dreht sich mir der Magen rum. Die Grundstimmung ist halt einfach schlecht.“
Vor diesem Hintergrund gleicht es einem Wunder, dass sich Stand Montag schon wieder 1500 Fans des TSV 1860 München ein Ticket für das Auswärtsspiel am Samstag in Saarbrücken besorgt haben. Einige vielleicht aus Gewohnheit. Andere wie der Schmid Sepp, weil sie sich verpflichtet sehen, wenigstens beim Rückrundenstart vor Ort die Daumen zu drücken. Auch Faber wird am Samstag mitfiebern, aber vor dem Fernseher: „Ich hoffe, dass wir zumindest die Klasse erhalten. Lieber wär‘s mir, sie würden noch mal um den Aufstieg spielen, aber ob ich das noch erlebe?“ Auch für Faber steht fest: „Eigentlich bräuchten wie einen kompletten Neuanfang.“