2024-06-17T07:46:28.129Z

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Mit dem SV Schelsen feierte Frank Wachmeister vor einem Jahr den ersten A-Liga-Aufstieg der Vereinsgeschichte.
Mit dem SV Schelsen feierte Frank Wachmeister vor einem Jahr den ersten A-Liga-Aufstieg der Vereinsgeschichte. – Foto: Theo Titz
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Frank Wachmeister: "Geld? Damit alleine baust du keinen Kader"

20 Jahre war Frank Wachmeister als Trainer im tätig. Zuletzt führte er seinem Heimatverein SV Schelsen erstmalig in die Kreisliga A und hielt in der vergangenen Saison souverän die Klasse. Nun macht der 54-Jährige Schluss – und lässt seine Zeit Revue passieren.

Zum Interview bringt Frank Wachmeister eine Aktentasche mit – im Grunde nichts Ungewöhnliches für einen Versicherungskaufmann, nur soll es im Gespräch doch eigentlich um seine bewegte Zeit als Trainer im Mönchengladbacher Amateurfußball gehen. Die Verwunderung legt sich, als der 54-Jährige seine Tasche öffnet und der Inhalt zum Vorschein kommt: alte Zeitungsartikel, Fotos, Aufstiegsshirts und andere Erinnerungsstücke an seine Laufbahn als Trainer. Nach 20 Jahren macht er damit Schluss – und blickt zurück.

Herr Wachmeister, im April haben Sie angekündigt, dass Sie nach der Saison mit dem SV Schelsen Ihre Laufbahn als Trainer beenden: Bereuen Sie diese Entscheidung schon?

FRANK WACHMEISTER Absolut nicht, es ist genau der richtige Moment dafür. Ich hatte in Schelsen eine tolle Mannschaft, die mir einen tollen Abschied bereitet hat. Für mich war jetzt einfach der Zeitpunkt gekommen, an dem ich alles erreicht habe, was ich als Trainer erreichen konnte und wollte.

Sie meinen den Aufstieg und Klassenerhalt mit Ihrem Heimatverein in der Kreisliga A.

WACHMEISTER Sehen Sie – eigentlich wollte ich schon vor meinem Job in Schelsen als Trainer aufhören. Aber ich bin ein Schelsener Junge und als mich mein Herzensverein gefragt hat, ob ich nicht helfen könnte, da hatte ich natürlich keine Wahl. Ich wusste ja, wenn uns tatsächlich der Aufstieg in die Kreisliga A gelingen sollte, dann bekomme ich hier einen Hubschrauberlandeplatz gebaut (lacht). Nach dem Aufstieg und dem Klassenerhalt war für mich nun aber der Punkt erreicht, um Schluss zu machen.

Sie haben mal gesagt, dass der Trainerjob im Amateurbereich immer anstrengender wird. Hat dieses Gefühl eine Rolle gespielt?

WACHMEISTER Ja, eine entscheidende sogar. Es wird immer schwieriger, die richtigen Jungs für einen Kader zu finden: Da unterhält man sich lange mit einem Spieler, der gut ins Team passen würde, man erklärt ihm das Projekt und die Perspektive – und am Ende geht er doch dahin, wo er Geld verdienen kann. Auf diese Gespräche hatte ich einfach keinen Bock mehr. Ich weiß, dass sich die Dinge so entwickelt haben – die Gesellschaft hat sich verändert, der Job des Trainers hat sich verändert. Aber vielleicht gehöre ich dann in diese Welt nicht mehr rein.

Braucht es denn in diesen unteren Ligen überhaupt schon Geld bei der Kaderzusammenstellung?

WACHMEISTER Ich finde nicht. Mit Geld alleine baust du keinen guten Kader. Leider wird das ja schon im unteren Amateurbereich häufig genug versucht – dann flammt in den Vereinen vielleicht mal kurzzeitig etwas auf, meistens hält das aber nicht langfristig. Meine Aufgabe als Trainer war es immer, eine Mannschaft zusammenzustellen, in der die Menschen gut miteinander harmonieren und trotzdem genügend Qualität auf dem Platz vorhanden ist. Dieser Job wird aber immer anstrengender, weil immer weniger Amateurspieler ohne Bezahlung kicken wollen.

In Schelsen hatten Sie zuletzt so eine Mannschaft.

WACHMEISTER Zum Beispiel. Und ich hätte auch noch zehn Jahre weiter Trainer dieser Mannschaft sein können – im Team hat alles gestimmt. Ich habe aber auch als Coach von Giesenkirchen in der Bezirksliga eine tolle Situation erlebt. Da waren drei Jungs aus Wickrathhahn in meinem Büro, weil ich sie gerne ins Team holen wollte. Als ich während des Gesprächs auf das Thema Geld kam, fragten die drei, was sie denn zahlen müssten. Ich sagte ihnen, dass sie nichts zahlen müssen, sondern einen kleinen Betrag bekommen sollen. Das haben sie abgelehnt – die wollten einfach Fußball spielen, ohne Geld. Die Jungs sind dann mächtig eingeschlagen und ich stehe mit ihnen heute immer noch in Kontakt. Leider wird es immer schwieriger, solche Spieler im Amateurbereich zu finden.

Blicken wir ein paar Jahre zurück. Wie sind Sie überhaupt Trainer geworden?

WACHMEISTER Das war Anfang der 2000er-Jahre über meine Tochter Nina, die damals gerne Fußball spielen wollte. Ich habe sie in der F-Jugend von Schelsen angemeldet und da ein bisschen mitgewirkt. Ein Geschäftspartner fragte dann, ob wir nicht zu Borussia kommen wollen – und als sich Nina da das erste Training angeschaut hat, fehlte der Trainer. Also wurde ich gefragt, ob ich die Einheit leiten könnte. Aus einem Training sind dann vier Jahre bei Borussia geworden. Eine Zeit, die mich sehr geprägt hat. Ich habe viel gelernt, auch für meine Arbeit in der Selbstständigkeit. Damals habe ich Herrn Schippers und Herrn Königs (Stephan Schippers, Geschäftsführer Borussia, Rolf Königs, Präsident Borussia; Anm. d. Red.) kennengelernt und auch sehr eng mit Max Eberl zusammengearbeitet – der war damals ja noch Nachwuchskoordinator. 2007 habe ich dann aber aufgehört, um mich wieder mehr auf mein Geschäft zu konzentrieren.

Bei diesem Vorhaben blieb es dann aber offensichtlich nicht.

WACHMEISTER Ne, 2008 fragte mich mein damaliger Lehrling, der beim SV Dohr gespielt hat, ob ich aushelfen könne: Ihr Trainer (Manfred Claßen; Anm. d. Red.) sei krank. Das habe ich gemacht und bin dann auch als Übergangslösung geblieben, als klar war, dass der Trainer nicht zurückkommen würde. Damals war der SV Dohr, den es ja auch heute gar nicht mehr gibt, schon ziemlich marode. Wir haben es dann geschafft, einen Pool aus Sponsoren zusammenzustellen, um den Verein wieder auf Vordermann zu bringen. Weil ich aber wirklich nur eine Übergangslösung sein wollte, habe ich dort nach einiger Zeit wieder aufgehört. Eigentlich wollte ich mich ja voll auf meine Arbeit konzentrieren.

Eigentlich?

WACHMEISTER 2010 wurde ich mal wieder gefragt, ob ich helfen kann: Diesmal von Giesenkirchen, die damals mit drei Punkten Tabellenletzter der Landesliga waren.

Frank Wachmeister der Feuerwehrmann.

WACHMEISTER Wenn man so möchte, ja. Den Klassenerhalt haben wir dennoch knapp verpasst. Ich durfte dann aber mit vielen jungen Talenten aus Giesenkirchen den Neuaufbau in der Bezirksliga betreuen. Das war ein tolles Projekt, auch wenn es nach internen Querelen nach der Winterpause nicht mehr weiterging für mich und ich dann in Korschenbroich gelandet bin.

Vermutlich wieder, weil jemand nach Hilfe gefragt hat?

WACHMEISTER Im Grunde ja, das hat mich in meiner Trainerkarriere irgendwie begleitet (lacht). Diesmal war es mein guter Freund Guido Kopp, der ja mittlerweile leider verstorben ist, der mich damals so lange beredet hat, bis ich mit ihm gemeinsam den VfB Korschenbroich trainiert habe. Insgesamt war ich dort fünf Jahre, auch noch nachdem Guido dort aufgehört hat. Ich hatte in Korschenbroich eine wahnsinnig schöne Zeit – unter anderem ja mit dem Spiel in der zweiten Runde des Niederrheinpokals gegen den MSV Duisburg vor 3500 Zuschauern.

Mit Türkiyemspor Mönchengladbach gelang Ihnen 2018 der erste von zwei Aufstiegen Ihrer Laufbahn. Wie blicken Sie auf diese Station zurück?

WACHMEISTER Das war eine riesen Erfahrung, die ich damals mit der Mannschaft machen durfte. Onur Canbolat, der Präsident des Vereins, war früher mal mein Spieler gewesen und wollte mich als Trainer holen. Ich war zunächst skeptisch. Türkiyemspor wollte mich aber unbedingt haben. Um mich zu überzeugen, haben sie mich zum Essen eingeladen, mir Blumen nach Hause geschickt und sogar von einem türkischen Sänger einen Song für mich einsingen lassen – das war alles schon ziemlich verrückt. Ich habe dann für ein Jahr zugesagt und gemeinsam mit der tollen Mannschaft haben wir den Aufstieg in die Kreisliga A geschafft.

Sie waren nun 20 Jahre fast durchgängig Fußballtrainer – was machen Sie denn nun mit der ganzen Freizeit?

WACHMEISTER Ich freue mich auf einen Handy- und Fußball-Detox, um mehr Zeit für meine Familie zu haben. Wenn man 20 Jahre Trainer ist, dann ist man 20 Jahre lang am Wochenende nicht zu Hause – darunter hat meine Frau natürlich gelitten. Ich möchte reisen, ohne Gedanken über Training oder Spiele im Hinterkopf zu haben und habe mir vorgenommen, wieder mehr Fahrrad zu fahren. Dafür habe ich mein Mountainbike schon auf Vordermann gebracht. Und wenn ich mal Lust auf Fußball habe, dann fahre ich als Zuschauer auf einen Platz und gucke in Ruhe vom Seitenrand aus zu. An erster Stelle möchte ich aber erst einmal den Kopf freibekommen von Fußball und abschalten. Sollte ich in Zukunft wieder das Kribbeln verspüren, dann würde ich mir überlegen, noch einmal eine Mannschaft zu übernehmen. Dafür muss dann aber auch alles passen.

Die Tür ist also nicht ganz zu – gab es schon Anfragen anderer Vereine?

WACHMEISTER Tatsächlich. Zwei, drei Anrufe habe ich schon erhalten – da waren auch überraschende Sachen dabei, die mich sehr gefreut haben. Aber wie gesagt: Meine Planung ist aktuell eine andere.

INFO: Die Trainer-Stationen von Frank Wachmeister

2003 SV Schelsen (Jugend)

2003 - 2007 Borussia (Jugend)

2008 - 2009 SV Dohr

2010 - 2011 Giesenkirchen

2012 - 2017 VfB Korschenbroich

2017 - 2018 Türkiyemspor MG

2019 - 2023 SV Schelsen

Aufstiege Wachmeister führt erst Türkiyemspor und dann den SV Schelsen in die Kreisliga A.

Aufrufe: 014.7.2023, 23:00 Uhr
Sebastian KalenbergAutor