2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Abgesprungen – und als Persönlichkeit gereift: Christopher Lannert war bei 1860 eine Randfigur – im Trikot von Arminia Bielefeld übernimmt er Verantwortung und setzt sich als Vizekapitän auch über Hindernisse hinweg.
Abgesprungen – und als Persönlichkeit gereift: Christopher Lannert war bei 1860 eine Randfigur – im Trikot von Arminia Bielefeld übernimmt er Verantwortung und setzt sich als Vizekapitän auch über Hindernisse hinweg. – Foto: Imago

Ex-Löwe Chris Lannert über seinen Wechsel nach Bielefeld: „Es war keine Flucht!“

Wiedersehen am Sonntag

17 von 18 Spiele hat Christopher Lannert seit seinem Wechsel vom TSV 1860 nach Bielefeld gemacht - alle von Anfang an. Das Interview mit dem Ex-Löwen.

München – Vom Mitläufer beim TSV 1860 zum Stammspieler und Vizekapitän bei Zweitliga-Absteiger Arminia Bielefeld. Für Christopher Lannert (25), den gebürtigen Münchner, hat sich der Wechsel nach Ostwestfalen gelohnt – obwohl auch sein neuer Club bisher hinter den Erwartungen zurückbleibt. Wie der Rechtsverteidiger auf das Duell der Enttäuschten am Sonntag blickt, verrät er in unserem Interview.

Chris, Ihr Ex-Verein 1860 kommt am dritten Advent. Beschenkt sich die Arminia passend dazu mit drei Punkten? Der letzte Sieg in der Liga ist ja schon etwas länger her, Ende Oktober das 4:0 gegen Ingolstadt.

Ich hoffe doch. Und ja, wir hatten zuletzt eine kleine Unentschieden-Serie, wo wir es leider nicht ganz geschafft haben, die Spiele zu gewinnen. Jetzt wollen wir uns endlich mal wieder belohnen.

„Natürlich löst ein Trainerwechsel immer etwas aus. Schon weil die Abläufe, die es davor gab, verändert sind.“

Christopher Lannert über das Duell gegen seinen Ex-Klub.

Auch die Löwen sind ein angeschlagener Boxer. Seit drei Spielen sieglos, ohne selbst geschossenes Tor. Verfolgen Sie noch das Geschehen bei Ihrem Ex-Verein?

Ich bekomme ein wenig mit – weil wir in derselben Liga spielen und ich noch Kontakt zu ein paar Jungs habe. Ein sportliches Urteil kann ich mir aber nicht erlauben, dafür bin ich zu weit weg.

Macht der Trainerwechsel bei den Löwen die Aufgabe noch kniffliger?

Schwer zu sagen. Natürlich löst ein Trainerwechsel immer etwas aus. Schon weil die Abläufe, die es davor gab, verändert sind. Aber wir sind grundsätzlich eh so gestimmt, dass wir versuchen, unseren eigenen Plan durchzubringen. Deswegen ändert das für uns nicht allzu viel in der Spielvorbereitung.

„Ich bin gegangen, weil ich überzeugt war, dass für mich in Bielefeld die Perspektive optimal ist.“

Christopher Lannert über seinen Abgang vom TSV 1860 München.

Als Sie die Löwen mitten im Sommertrainingslager verlassen haben, wirkte das wie eine Flucht. Vor wem oder was?

Es war keine Flucht. Ich bin gegangen, weil ich überzeugt war, dass für mich in Bielefeld die Perspektive optimal ist. Ich hatte einfach ein richtig gutes Gefühl.

Dabei waren Sie doch eigentlich ganz happy, als Sie 2022 zurück in Ihre Heimatstadt München gewechselt sind.

Natürlich war ich froh, wieder bei meiner Familie zu sein. Ich bin in München geboren, habe meine Kindheit und Jugend dort verbracht habe. Aber die Gespräche mit (Trainer Mitch Kniat und (Sportchef) Michael Mutzel haben mich überzeugt, deswegen habe ich mich für den Wechsel entschieden.

Die ehemaligen Löwen Wörl, Belkahia, Biankadi und Lannert halten auch in Bielefeld zusammen

Was ehemalige Münchner angeht, sind Sie ja in Bielefeld in bester Gesellschaft. Wie lebt es sich in einer Löwen-Filiale mit Semi Belkahia, Marius Wörl und Merveille Biankadi?

Bestens (lacht). Wir sind als Ex-Münchner alle gut befreundet, unternehmen auch viel zusammen – wir sind alle froh, hier gelandet zu sein. Mit Semi treffe ich mich hin und wieder zum Spazierengehen, er hat jetzt auch einen Hund, und wir wohnen auch nicht so weit auseinander.

Sie und Wörl haben tragende Rollen im Team der Arminia. Sie sind rechts hinten gesetzt, zudem Vizekapitän. Traut man Ihnen in Bielefeld mehr zu?

Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich ein bisschen mehr Verantwortung übernehme als zuletzt bei 1860. Das hat sich so entwickelt. Ich hoffe natürlich, dass ich dem Team das geben kann, was ich am Ende auch von mir selbst erwarte.

„Man bekommt natürlich mit, dass nicht alles rundläuft.“

Christopher Lannert über die Turbulenzen bei seinem Ex-Klub.

Welche Rolle spielt es, dass Sie mit Trainer Mitch Kniat bereits in Verl zusammengearbeitet hatten?

Das hat natürlich eine Rolle gespielt – weil ich wusste, was mich für ein Fußball erwartet. Und wie das Arbeitsverhältnis mit ihm war.

Das traditionelle Chaos bei 1860 vermissen Sie vermutlich nicht. Schüttelt man den Kopf, wenn man das Hauen und Stechen der Gesellschafter aus der Ferne mitbekommt?

Man bekommt natürlich mit, dass nicht alles rundläuft. Das ist aber nichts, was mich beschäftigt. Ich glaube, wir haben hier unsere eigenen Dinge, auf die wir gucken.

„Verein und Fans stehen hinter uns – auch wenn sich sicher alle mehr Siege erhofft haben.“

Christopher Lannert über die Stimmung bei Arminia Bielefeld.

Warum tut sich denn die Arminia als Zweitliga-Absteiger so schwer?

Ich glaube, wir sind nicht so gut in die Liga und die Saison reingekommen – was unter anderem daran lag, dass wir komplett neu zusammengewürfelt waren. Bis auf Fabi (Kapitän Klos/Red.) ist ja fast keiner länger da. Es dauert immer ein bisschen, bis ein zusammengewürfelter Haufen funktioniert. Das ist ein Prozess, den durchlaufen wir gerade. Aber ich finde, die Leistungskurve zeigt schon länger deutlich nach oben.

Anders als bei 1860 scheint man in Bielefeld mehr Geduld zu haben mit dem, wie Sie sagen, zusammengewürfelten Haufen?

Uns wurde ganz am Anfang kommuniziert, dass das der Weg ist. Verein und Fans stehen hinter uns – auch wenn sich sicher alle mehr Siege erhofft haben. Als Mannschaft versuchen wir das zu beeinflussen, was wir können. Jeder gibt 100 Prozent, und ich denke, das ist ein guter Grund, uns anzufeuern und die Ruhe zu bewahren.

„Die Liga ist so eng, da muss man einfach mal ein, zwei Monate kontinuierlich punkten – mit einer kleinen Serie kann man auf jeden Fall noch Sprünge nach oben machen.“

Christopher Lannert über die 3. Liga

Kennen Sie eigentlich Frank Schmöller, der am Sonntag erstmals für die 1860-Profis an der Seitenlinie stehen wird?

Nur vom Über-den-Weg-Laufen. Ansonsten hatten wir damals keinen Kontakt.

Wenn man auf die Tabelle schaut: Bielefeld ist 13, Sechzig steht noch zwei Plätze dahinter. Was ist drin für beide Vereine?

Also, die Glaskugel für 1860 anzuschmeißen, ist ein bisschen schwierig für mich. Natürlich weiß ich, dass das ein großer Verein ist, der grundsätzlich den Anspruch hat, in der Tabelle woanders zu stehen. Inwieweit das diese Saison möglich ist, können aber nur die Spieler und die Trainer von 1860 einschätzen. Und was uns angeht: Wir steigern uns. Von daher bin ich optimistisch, dass wir noch ein bisschen in der Tabelle klettern können. Wir haben acht Punkte nach unten und acht nach oben zum Relegationsplatz. Ich glaube, die Liga ist so eng, da muss man einfach mal ein, zwei Monate kontinuierlich punkten – mit einer kleinen Serie kann man auf jeden Fall noch Sprünge nach oben machen.

Und was vermissen Sie in Ostwestfalen am meisten: die Berge, den Schnee, die Christkindl-Märkte?

Am meisten die Familie – weil ich sie jetzt einfach seltener sehe. Christkindl-Märkte haben wir hier auch schöne – die stehen denen in München in nichts nach. Und Weihnachten bin ich auf jeden Fall in München – dann werde ich bestimmt auch mal in die Berge fahren. (Interview: Uli Kellner)

Aufrufe: 015.12.2023, 09:19 Uhr
Uli KellnerAutor