2024-06-14T14:12:32.331Z

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Glücklich über die neuen Bälle sind die Kinder der Grundschule am Ludwig-Simmet-Anger (hier die Klasse 2A). Auch Konrektorin Bettina Ber freut sich über das Engagement des Ex-Bayern-Spielers und Trainers Valérien Ismaël, der mit seiner Familie seit 2016 in Erding lebt.
Glücklich über die neuen Bälle sind die Kinder der Grundschule am Ludwig-Simmet-Anger (hier die Klasse 2A). Auch Konrektorin Bettina Ber freut sich über das Engagement des Ex-Bayern-Spielers und Trainers Valérien Ismaël, der mit seiner Familie seit 2016 in Erding lebt. – Foto: Dieter Priglmeir

Ex-Bayern-Profi Valérien Ismaël: „Wie waren von der ersten Minute an in Erding glücklich“

Interview

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Der Ex-Bayern-Star und Trainer-Weltreisende Valérien Ismaël hat Erding zu seiner Heimat gemacht. Nach Besiktas Istanbul freut er sich nun auf die nächste Trainer-Herausforderung.

Erding – Der Wurf war ebenso sanft wie platziert und traf das Mädchen am Rücken. „Das ist meine eigene Tochter“, entschuldigte sich Valérien Ismaël sofort. Natürlich würde er keine fremden Kinder abwerfen. Ein kurzer Blickkontakt zwischen dem lachenden Mädchen und dem schmunzelnden Papa – alles gut in der Grundschule am Ludwig-Simmet-Anger.

Denn dort tobt gerade die Klasse 2A mit neuen Bällen über den Pausenhof, die der ehemalige Bayern-Star spendiert hat. „Herr Ismaël hat uns seine Hilfe schon öfter angeboten, und wir nehmen das natürlich sehr gern an“, sagte Konrektorin Bettina Ber. Jede Schulkasse bekomme einen der zehn leichten Basketbälle, mit denen sie in den Pausen spielen dürfen. Und für den Sportunterricht gab es weitere fünf Softbälle für Volley- und Fußball.

Für ihn sei das keine Frage, dass er da helfe, sagte Ismaël. Der 47-Jährige, der mit Werder Bremen und Bayern München das Double geholt hat und als Trainer beim 1. FC Nürnberg, aber auch in England, Griechenland und der Türkei erfolgreich war (siehe unten), fühlt sich wohl in Erding, wo er seit 2016 lebt. Wir fragten nach.

Herr Ismaël, wie kam es, dass Sie ein Erdinger wurden?

Das war eher Zufall. Meine Frau und ich hatten uns entschieden, dass wir uns in Bayern niederlassen wollen. Wichtig war für mich die Nähe zu einem Flughafen. Schließlich weiß man ja nicht, wo es einen als Trainer hin verschlägt. Freising wäre auch noch interessant gewesen. Aber dann haben wir etwas in Erding gefunden.

Und das hat dann gleich gepasst?

Wir waren von der ersten Minute an hier glücklich. Meine beiden Töchter sind auch happy. Sie sind hier im Turnverein und bei den Kampfkatzen vom Kickboxverein Erding und beim Reiten. In Erding wird wirklich alles angeboten, und wir haben hier schon sehr viele Freunde gefunden.

Das heißt, die Ismaëls findet man auch bei der Maibaumfeier oder beim Lange-Zeile-Fest.

Die Maibaumfeier haben wir leider verpasst. Aber klar, natürlich sind wir da, wenn was los ist. Zum Beispiel auf dem Herbstfest. Ich bin auch Mitglied im Surfclub und im Vespaclub.

Momentan bleibt Ihnen auch aus beruflichen Gründen mehr Zeit, weil Sie ihr letzter Verein Besiktas Istanbul freigestellt hat. Gibt’s was Neues?

Derzeit laufen die Gespräche. Mein Berater und ich sind da gerade sehr beschäftigt. Aber das ist ja auch die Phase, in der sich viele Clubs neu ausrichten. Ich muss aber auch zugeben, dass mir die vergangenen drei Monate gut getan haben. Es ist schon sehr schön, wenn du die ganze Woche bei der Familie sein kannst. Aber jetzt sind die Batterien wieder voll aufgeladen.

Und dann heißt das wieder „Wochenend-Papa“. Aber halt, das geht ja auch nicht, weil da die Punktspiele sind.

Ich versuche dann schon immer, dass ich mindestens jede zweite Woche zuhause bin. Deshalb wähle ich auch gern Vereine aus Städten aus, die eine direkte Flugverbindung nach München haben.

Sie sind ja wirklich schon viel rumgekommen. Wo hat es Ihnen als Trainer am besten gefallen?

Das ist schwer zu sagen, weil die Arbeit komplett unterschiedlich ist. In Deutschland hast du klare Strukturen und einen Sportvorstand, der die Richtung vorgibt und dir vieles abnimmt. In England oder der Türkei bist du komplett der Boss, hast dann aber Clubbesitzer mit ihren Vorstellungen. Es ist schon auch interessant, das Ganze aus dem Blickwinkel eines Clubeigners aus China oder den USA zu sehen.

Stimmt das Klischee von Himmel und Hölle, die man als Trainer in der Türkei erlebt?

Dazwischen gibt es tatsächlich nichts. Ich habe bei Besiktas Istanbul sieben tolle Monate erlebt. Aber der Druck ist übertrieben hoch. Bei Besiktas musst du immer gewinnen. Da ist schon ein Unentschieden zu wenig.

Wie war es in England?

Das war schon ganz groß. Wenn du die Chance als Trainer bekommst, dann musst du da hin.

Wegen des Geldes?

Nein, weil das einfach das Mutterland des Fußballs ist. Da wird dieser Sport ganz anders gelebt. Nehmen wir zum Beispiel Weihnachten: Da ist bei uns Pause, weil wir mit der Familie an den Feiertagen zusammen sein wollen. In England feiert man dagegen Weihnachten um den Fußball herum.

Was war Ihre schönste Zeit als aktiver Fußballer?

Bei Werder Bremen war das schon sehr besonders. Aber ich möchte auch die Zeit bei Bayern München nicht missen. Immer auf dem höchsten Niveau zu spielen, immer bei 100 Prozent zu bleiben – allein dieses Mindset zu haben, das ist für einen Sportler das Höchste.

Haben Sie noch Kontakt zu den Bayern?

Ja. Brazzo war ja damals mein Mitspieler. Auch wenn ich einen Bayern-Mitarbeiter treffe, freuen wir uns beide. Außerdem werde ich immer wieder mal angefragt, ob ich bei den Bayern-Legenden auflaufe.

Könnten Sie sich vorstellen, mal Bayern-Trainer zu sein?

(schmunzelt) Das ist schon ein besonderes Level.

Was halten Sie von den unruhigen Wochen bei den Bayern?

Die Trainerentlassung zu diesem Zeitpunkt in der Saison war für den FC Bayern schon sehr ungewöhnlich. Gerade in dieser Phase, in der es um den Titel geht, braucht es normalerweise Ruhe im Verein.

Glauben Sie, dass es doch zur Meisterschaft reicht?

Jetzt sind die Bayern ja wieder vorne. Und ich glaube nicht, dass sie sich das noch nehmen lassen.

Valérien Ismaël wurde bei Racing Straßburg ausgebildet und spielte für seinen Heimatverein in der 1. Französischen Liga, wechselte dann in die Premier League zu Crystal Palace und später zum französischen Meister RC Lens. Seine erfolgreichste Zeit hatte der heute 47-Jährige in der Bundesliga, denn er gewann erst mit Werder Bremen (2004) und dann mit dem FC Bayern München (2006) das Double. Nach seiner Zeit in München wechselte der Franzose zu Hannover 96, wo er auch Betriebswirtschaft studierte und Assistent des Sportdirektors wurde. Im Jahr 2011 unternahm er auch seine ersten Schritte im Trainergeschäft. In Deutschland war er unter anderem Chefcoach beim VfL Wolfsburg und 1. FC Nürnberg. Weitere Trainerstationen hatte er in Österreich (Linzer ASK) und Griechenland (Apollon Smyrnis). In England führte er den Zweitligisten FC Barnsley vom 21. auf den fünften Platz, ehe er zum Erstliga-Absteiger West Bromwich Albion wechselte. Nach seiner Entlassung wechselte Ismaël zu Besiktas Istanbul. Nach sieben Monaten ging man getrennte Wege. Ismaël spricht fließend Deutsch und synchronisierte in der deutschen Fassung des französischen Films „Asterix bei den Olympischen Spielen“ die Rolle des Numérodix (gespielt von Zinédine Zidane). Im Hörbuch „Gustav vor, noch ein Tor!“ spricht er die Rolle des Schiedsrichters. Seit 2013 ist Valérien Ismaël auch deutscher Staatsbürger. pir

Aufrufe: 07.5.2023, 15:31 Uhr
Dieter PriglmeirAutor