2012 flog er von den Olympischen Spielen aus London zurück, weil die Saison losging – 2024 schaut der frustrierte Löwe lieber Badminton in Paris.
München/Paris – Seine große Liebe sind die Löwen, doch die ist zuletzt erkaltet. Zu viel Politik, zu viel Streit, zu wenig Erfolg. Wie gut für Roman Wöll (69), dass er noch eine andere Leidenschaft hat, der er sich intensiv widmet: Olympia. Der Ex-Allesfahrer des TSV 1860 München ist ein Olympia-Allesfahrer geworden, Paris sind bereits die siebten Sommerspiele, die er besucht. Wir bekamen den Sportfreak ans Telefon – an seinem einzigen „freien“ Vormittag, den er sich während seiner Hatz von Wettkampfstätte zu Wettkampfstätte gönnt.
Roman, wie schwer fiel die Entscheidung, nach Paris zu fahren, während zu Hause die 3. Liga startet?
Natürlich schwer, das ist klar. Aber Olympia war lange geplant, und mei: Vor Saarbrücken hab ich auch schon Karlsruhe und Lautern verpasst. Drei Niederlagen und alle ohne Tor. Das ist nicht so lustig.
Kam es für Sie nicht infrage, in den TGV zu steigen, um wenigstens Ihre Pflichtspiel-Serie zu wahren?
Am Anfang eigentlich schon, doch. In London habe ich es gemacht, wo wir gegen Regensburg 1:0 gewonnen haben (am 4. August 2012, Tor: Wojtkowiak/d. Red.). Da bin ich in der Früh rübergeflogen und auf die Nacht zurück. Damals hab ich gesagt: Okay, das mache ich jetzt. Aber momentan: Der ganze Zirkus bei 1860 regt mich so auf. Diese ewigen Streitereien... Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das ankotzt.
Haben Sie das Spiel dann wenigstens im TV-Stream verfolgt?
Nur im Liveticker. Freitag ist ja Leichtathletik losgegangen, da war ich natürlich im Stadion. 10 000-Meter-Lauf war da, meine ich, sicher bin ich mir aber nicht. Ich war Freitag da, Samstag, Sonntag – irgendwann verlierst du den gedanklichen Überblick. Und heute bin ich natürlich auch wieder da.
Ihre wievielten Olympischen Spiele sind das jetzt?
Die siebten, wenn man München 1972 mitrechnet. Bis auf Tokio, wo‘s wegen Corona nicht ging, war ich seit Sydney eigentlich immer dabei.
Also sind Sie jetzt auch ein Olympia-Allesfahrer?
Den Allesfahrer-Titel bei 1860 hab ich ja abgegeben... (lacht). 2000 hab ich mit Olympia angefangen. 1993 war ich das erste Mal in Australien – in dem Jahr war die Entscheidung, wer die Spiele zur Jahrtausendwende bekommt. Damals hab ich gesagt: Wenn‘s Sydney wird, dann fahr‘ ich hin. Und dann ist es halt so weitergegangen.
Und was 1860 angeht, schieben Sie aktuell Frust?
Absolut! Dass wir verloren haben, stinkt mir sowieso, klar, weil bei mir immer der Sport im Vordergrund steht. Aber das ganze Ding drumherum, dieses Negative, das regt mich nur noch auf. Du hast ja gar nichts mehr, auf das du dich freuen kannst, nichts Positives.
Halten Sie nichts von der neuen Mannschaft?
Die Spielertypen, die sie zusammengeholt haben, die taugen mir schon – das neue System weniger. Mir ist im Trainingslager schon aufgefallen, dass du praktisch ohne Flügel spielst. Das ist ja anscheinend der Plan, dass alles durch die Mitte gehen soll. Wenn dann aber gar kein Ball mehr in den Strafraum kommt.... Unsere Stürmer da vorne sind gerade die ärmsten Schweine.
Zurück zu Olympia. Genießen Sie die Spiele gerade umso mehr?
Eigentlich schon. Wenn du dich für Sport interessierst, ist es ein Traum. Wann seh‘ ich unterm Jahr schon mal Badminton? Oder Bogenschießen?
Ihre Highlights bisher?
Djokovic war vom Feinsten – und natürlich der Zeidler. Dem hab ich‘s gegönnt. Der war dreimal Weltmeister, hat aber bei Olympia nie was gerissen. Dazu seine Familiengeschichte mit dem Opa, der auch gerudert ist und 1972 in München Olympiasieger war. Bei der Siegerehrung hatte er Tränen im Auge – so was geht mir unter die Haut.
Schauen Sie auch junge Sportarten an wie Skateboard oder BMX?
Donnerstag hab ich Karten fürs Klettern oder wie das jetzt heißt. Alles kann ich nicht anschauen, weil ich ja jeden Abend Karten für Leichtathletik habe. Viele Sachen überschneiden sich leider. Frauen-Fußball muss ich leider abgeben, weil am Finaltag die ganzen Staffeln sind. Und Boxen wird auch eng.
Kommt Ihnen beim Organisieren der Tickets Ihre Allesfahrer-Vergangenheit zugute?
Schön wär‘s, aber du kriegst ja keine einzige Papierkarte mehr in die Hand. Das läuft alles übers Handy. Für mich alleine wär‘s unmöglich, weil ich ja kein Internet-Mensch bin. Zum Glück hab ich zwei Spezl dabei – die regeln das.
Ist Olympia am Ende auch für Zuschauer stressig?
Auf jeden Fall. Du bist den ganzen Tag unterwegs, zu Fuß, mit der U-Bahn, abends dann zurück zum Hostel. Anstrengend ist es schon ein bisschen, aber da muss ich jetzt durch. Ob ich‘s in vier Jahren noch mal mache, weiß ich noch nicht.
Großaspach, wo 1860 am Sonntag gegen Stuttgart II spielt, liegt günstig auf der Heimreise nach München.
Ich weiß, aber das wird leider auch nix. Sonntag ist ja der Abschlusstag – da hab ich noch drei Wettbewerbe.