Eine viel beachtete Diskussionsrunde um die Zukunft des luxemburgischen Fußballs am Montag war sehr gut besucht, besucht auch von Fußballprominenz wie z.B. den ehemaligen Nationalspielern Marc Birsens, Denis Scuto oder René Kollwelter sowie aktuellen und einstigen FLF-Vorstandsmitgliedern, um nur einige zu nennen. Anwesend waren aber auch ehemalige und aktuelle Sportjournalisten, Vertreter aus den Frauenligen und von Vereinen, dem Betriebsfußball sowie viele interessierte Fans.
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Die Runde um Moderatorin Christelle Diederich (sportspress.lu/Tageblatt), Paul Wilwerding (SC Ell), Paul Philipp (FLF), Laurent Schüssler (FuPa-Kolumnist) und Hardy Grüne (Buchautor und Fußballhistoriker) erhielt in den sozialen Netzwerken Kritik, die zum Teil nicht unberechtigt war. So wurde ein Großteil der Zeit in Luxemburgisch diskutiert, wodurch der weitgereiste Gast Hardy Gründe nicht immer folgen konnte. Dass das eigentliche Thema, die Zukunft des Fußballs, verfehlt wurde, kann man zwar nicht behaupten, doch die Antworten auf manche der großen Fragen waren z.T. nur zwischen den Zeilen zu finden oder wurden nicht klar genug formuliert.
Dass sich die aktuelle Popularität der Nationalmannschaft so nicht auf das Vereinsleben kopieren lässt, stellte Grüne, der im Rahmen seiner Recherchen für das Buch „Luxemburg – Geschichte einer Fußball-Liebe“ tief in die Geschichte(n) der Clubs aus dem Großherzogtum eingetaucht war, relativ früh klar. Der ehemalige Sportjournalist und aktuelle FuPa-Kolumnist Laurent Schüssler sagte zur Nationalelf das Offensichtliche, nämlich dass man noch nie über so viele gute Spieler verfügte als heutzutage. Zusammen mit dem neuen Stadion gab und gibt dies einen Schub. „Das Spiel gegen Schweden war ein Zeichen, dass der Luxemburger Fußball lebt“ hatte FLF-Präsident Paul Philipp bereits zuvor angemerkt.
Dies jedoch auf Clubebene herunterzubrechen, sei wie angedeutet alles andere als einfach. Hardy Grüne gab dazu Erklärungen. Event-Fußball wie Nationalmannschaft oder auch die deutsche Bundesliga sind laut ihm nicht nur in Luxemburg eine Konkurrenz zum lokalen Fußball. Die Frage, die sich stelle sei, wie man letzteren wieder attraktiver gestalten könne. „Die Euphorie, die man bei der Nationalmannschaft sieht, findet man am Wochenende nicht in unseren Ligen“ merkte Moderatorin Diederich an. Paul Philipp fügte zum Event-Fußball die Barrage-Spiele und Pokalfinals der Jugendkategorien hinzu. „Wir müssen eine ehrliche Analyse machen. Wo wollen wir hin und sind wir auf dem richtigen Weg?“ so der Vorsitzende des größten Sportfachverbandes in Luxemburg. Dass die Identifikation mit den eigenen Vereinen zusehends verloren geht, ist aber keine neue Erkenntnis. Vielleicht gehört sie nur mehr angesprochen und wahrgenommen.
Laurent Schüssler war der Meinung, dass sich nicht nur die Jugend in Luxemburg nicht mehr nur auf ein Hobby beschränke. Aus diesem Grund sei eine Identifikation mit einem Thema schwierig. Paul Wilwerding vom SC Ell verdeutlichte, dass bei seinem Verein die Zuschauerzahlen nach der Pandemie merklich nachgelassen haben. „Die Leute brauchen Spektakel“ gab er zudem zu verstehen. Um Fans anzulocken, seien die Vereine selber gefordert. Die Diskussionsrunde kam beim Thema Zuschauer auch auf Livestreams, Liveticker usw. zu sprechen. Die Frage nach einem möglichen Überangebot wurde gestellt. Und von den Videos war die Brücke zu den Finanzen schnell geschlagen.
Kürzer als gedacht und wohl auch als von vielen gewünscht wurden diese Finanzen von der Runde behandelt. Hardy Grüne hat bei seinen Recherchen durchaus bemerkt, dass die Finanzen ein wichtiges Thema sind. „Der Markt gibt nicht mehr her“ stellte Paul Philipp fest und fragte, ob man nicht einen anderen Weg einschlagen und die Anhänger mit ins Boot nehmen müsse. „Das Lokale fördern“ fügte Fußballhistoriker Grüne hinzu. Im späteren Verlauf kam man noch einmal auf dieses Thema, wo Philipp sich dahingehend äußerte, dass immer weniger Vereine aus der BGL Ligue die beiden Enden zusammenbekommen würden. Nicht mehr Einnahmen sondern weniger Ausgaben könnten eine Lösung des Problems sein, sprich niedrigere Spielergehälter.
„Man kann doch eigentlich nie genug Geld haben, es wird womöglich nur falsch eingesetzt“ so Schüssler während Philipp auch auf den ausdrücklichen Wunsch der Vereine nach einem Lizenzierungsverfahren für die 1.Liga verwies. Paul Wilwerding erklärte später am Abend, dass es beim SC Ell tatsächlich so sei, dass mehr Sponsoringanfragen für das Damen- als für das Männerteam hereinkämen. Doch man sei ein Verein und die entsprechenden Ressourcen würden nach dem benötigten Bedarf aufgeteilt werden.
Paul Wilwerding: „Die Jugend muss gelehrt werden, einen Verein zu leben. Das funktioniert noch in Ell.“ Doch mit der Schnelllebigkeit der heutigen Welt würde dies immer schwieriger werden. Es entwickelte sich ein richtiges Streitgespräch, auch darüber, weshalb die von Paul Philipp wiederholt angesprochenen rund 2.500 U17- bzw. U19-Spieler oft als nicht gut genug für die 1.Mannschaften empfunden werden. Hinzu kommen zahlreiche gut ausgebildete Trainer. Die Frage nach den Ligen mit sechzehn Teams ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. „Der Fußball ist dadurch nicht besser geworden“ ließ sich Paul Philipp entlocken.
Man befinde sich in Gesprächen mit den Clubs der 1. bis 3.Division über eventuelle Änderungen, da auch das Problem der untersten Klasse mit nur neun Mannschaften „nicht glücklich“ sei. Doch eventuelle zusätzliche Absteiger wären oft ein KO-Kriterium. Hilfen und Professionalisierungen in Verwaltung und Ehrenamt seien ebenfalls nötig, so die Runde. Paul Wilwerdring, der in Ell Trainer der 1.Damen und Schriftführer ist, unterstrich den Aufwand, den er betreibe. „Beides nimmt viel Zeit in Anspruch, das Traineramt macht aber mehr Spaß. Die administrativen Hürden werden u.a. auch durch das neue asbl-Gesetz nicht kleiner. Das Wichtigste, der Sport, kommt zu kurz.“ In Ell wären z.B. drei ehemalige Spielerinnen heute im Vorstand des Clubs erklärte Wilwerding zum Thema Ehrenamt. In seinem Verein versuche man, ein gutes gesellschaftliches Bild für die Jugend abzugeben.
Diskussionsstoff bot auch das Thema der Frauen im luxemburgischen Fußball. „Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, die Basis wird erst fertig“ so Paul Wilwerding als der Insider schlechthin, der selber großen Anteil am Aufbau der nötigen Strukturen hat. „Die Basis muss dann weiter gefördert werden. Die Gründung der Jeunes Filles war ein wichtiger Schritt.“ Paul Philipp warnte, dass man bei den Frauen nicht denselben Fehler wie bei den Männern machen solle, sprich sich zu sehr auf Spielerinnen aus dem Ausland zu fokussieren. Wenn man die nötige Breite bis erreicht hätte, würde der Rest von alleine folgen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Paul Philipp sich vieler Probleme bewusster ist, als es viele Außenstehende wohl vermuten würden. Doch u.a. die konkreten Beispiele von Namensvetter Wilwerding, wie der SC Ell organisiert ist, zeigten auf, wie kleine Vereine – und über richtige Großvereine verfügt Luxemburg nicht – aufgestellt werden können. Und einen wichtigen Punkt, den er bereits im Rahmen des FLF-Kongresses in Düdelingen ansprach, untermauerte Paul Philipp auch in der Nationalbibliothek auf Kirchberg: das Potenzial, das die zahlreichen U17- und U19-Spieler mitbringen.
Dass Wilwerding anmerkte, dass man die Jugend an Vereinsleitungen heranführen müsse entsprach so auch Hardy Grünes Idee, auf die lokale Gemeinschaften zu setzen. Klar war, dass man die verschiedenen Bereiche getrennt betrachten muss. Damen- und Herrennationalmannschaften befinden sich in grundverschiedenen Entwicklungsstadien und Nationalteams und nationale Ligen sind zwei Paar Schuhe. Eine Reorganisation dieser Ligen scheint zumindest in den unteren Klassen unumgänglich und das Ehrenamt braucht Hilfe. Doch diese Feststellungen sind nicht neu.
Die Frage ist, in wie weit die FLF und die Vereine bereit sind, die nötigen Lösungen zusammen anzugehen und umzusetzen. Sich als Verband hinter den Clubs zu verstecken, bringt nichts. Und auch alles Diskutieren nützt nichts, wenn die aufgezeigten Wege nicht beschritten werden und es beim „Weiter wie bisher“ bleibt. Denn dies könnte mittelfristig fatal für den einheimischen Vereinsfußball werden und damit langfristig für den gesamten Fußball - so die Meinung des Autors dieser Zeilen.