2025-06-12T06:04:20.131Z

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Enache steht vor dem Halbfinale mit seinem Team.
Enache steht vor dem Halbfinale mit seinem Team. – Foto: Borussia Mönchengladbach

Enache: „Ich weiß, welche Wucht wir entwickeln können“

Borussias U17-Trainer spricht vor dem Halbfinale gegen den FC Bayern über den Erfolg des Teams und seine persönliche Geschichte.

Am Sonntag trifft die U17 von Borussia Mönchengladbach im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft auf den FC Bayern München. Das Spiel wurde bereits in den Borussia-Park verlegt und ruft großes Zuschauerinteresse hervor. Die Redaktion hat vor dem Duell mit Borussias Trainer Michael Enache gesprochen.

Rund 4000 Tickets sind verkauft fürs Halbfinale im Borussia-Park. Wie groß ist die Nervosität bei den Jungs vor dem großen Spiel gegen den FC Bayern am Sonntag?

Michael Enache: "Von Nervosität würde ich gar nicht sprechen, ich spüre vor allem Vorfreude. Wir haben schon im Stadion trainieren dürfen diese Woche, das war vorab ein Highlight. Die Jungs haben das sehr genossen, ich musste darauf achten, dass wir den Platz irgendwann auch wieder räumen (lacht). In den letzten Monaten hat es uns ausgezeichnet, dass wir eine Lockerheit im Team beibehalten konnten. Das fiel leicht, nachdem wir von Erfolg zu Erfolg geeilt sind. Aber das musst du dir natürlich erarbeiten."

Ihre Mannschaft hat acht der vergangenen zehn Spiele gewonnen, ist lange ungeschlagen. In den K.o.-Runden ist sie zurückgekommen nach Rückständen. Ist den Jungs anzumerken, dass sie einen Lauf haben?

Enache: "Durchaus. Das Feedback bekommen wir auch von außerhalb, und das ist ein großes Kompliment. Gegen Hoffenheim im Viertelfinale lag die Mannschaft 1:3 zurück, alle haben weiter an ihre Mitspieler und die Chance geglaubt. Wir sind ja schlecht gestartet in die Hauptrunde mit zwei Niederlagen, aber danach sind wir durchgestartet."

In welchem Bereich macht es bei 15- bis 17-Jährigen am meisten klick: Körperlich oder mental?

Enache: "Wir alle, die in diesem Altersbereich arbeiten, dürfen nie vergessen, dass das Leben der Jungs nicht nur aus dem Training und den Spielen hier besteht. Da gibt es so viele Faktoren, die auf sie einprasseln, sei es nur die Schule. Dann kommen sie nach vielleicht nicht so guten Tagen abends zum Borussia-Park und sollen Leistung liefern. Es braucht ein gutes Gespür für jeden Einzelnen, für all die unterschiedlichen Charaktere. Als in der Vorrunde das Weiterkommen auf wackligen Beinen stand, haben wir uns hingesetzt und klar definiert, dass individuelle Ziele nicht vor Mannschaftsziele gestellt werden dürfen. Ab diesem Punkt ging es richtig los."

Gab es da schon den Halbfinal-Schwur?

Enache: "In der Hauptrunde ging es erst einmal um die K.o.-Phase. Den Einzug haben wir am Ende als Erster eindrucksvoll hinbekommen. Dann wussten wir, dass die Möglichkeit besteht, in den Borussia-Park umzuziehen im Halbfinale. Als die Jungs das erfahren haben, hätten Sie mal die Gesichter sehen müssen. Aber wir hatten mit Hertha BSC einen Brocken zu besiegen, Hoffenheim wurde von vielen Experten gemeinsam mit den Bayern auf den ersten beiden Plätzen in Deutschland eingeordnet. Dennoch war mir bewusst, dass es realistische Ziele sind. Ich kenne meine Jungs, mit einigen arbeite ich seit drei, vier Jahren zusammen. Und sie kaufen mir das auch ab, weil sie wissen, dass ich zu ihnen immer ehrlich bin.

Wie wichtig ist diese Erkenntnis für Ihre Entwicklung als Trainer?

Enache: "Wenn es so läuft, ist es natürlich top. Mich freut es, wenn das so angenommen wird, weil ich ein wertegetriebener Mensch bin, dem Offenheit und Ehrlichkeit wichtig sind. Ich traue den Jungs alles zu, so war es auch beim Stand von 1:3 gegen Hoffenheim zur Halbzeit. Ich weiß, welche Wucht wir entwickeln können – weniger körperlich, sondern spielerisch. Wenn wir einmal ins Rollen kommen … Dennoch musste ich auch lernen, mit Rückschlägen umzugehen. In der U15 haben wir quasi jedes Spiel gewonnen. Deshalb waren die Niederlagen wichtig, um zu lernen, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen – auch für mich."

Allein durch die vier EM-Fahrer gibt es ja schon einige exponierte Talente. Dann gibt es besondere Fälle wie Wael Mohya, der am 31. Dezember geboren ist und trotzdem das Offensivspiel mitprägt.

Enache: "Auf jeden Fall zeichnet die Mannschaft eine hohe Aktivität aus – gegen den Ball, aber auch mit dem Ball. Wir haben den Anspruch, dominant aufzutreten, dafür brauchen wir die Kugel. Darum müssen wir viel investieren, und dann geht es um Beweglichkeit im Positionsspiel, aufeinander abgestimmte Abläufe, hoch technische Fertigkeiten. Dass wir in Sachen Ballbesitz und Spielkontrolle überall vorne dabei sind in Deutschland, zeigen die Daten. Im letzten Drittel gilt es, dynamisch und zielstrebig zu sein. Das macht unsere Mannschaft aus."

Ohne genaue Zukunftsprognosen abzugeben: Wer hat sich während des Laufs ins Halbfinale besonders gut entwickelt?

Enache: "Ich möchte keine einzelnen Spieler hervorheben, weil ich selbst ein Teamplayer bin und das vermittle. Wir haben aus diversen Gründen in fast jedem Spiel mit einer anderen Startelf beginnen müssen. Alle haben sich nahtlos integriert. Es gibt einige Jungs, die in der Vorrunde entscheidend fürs Weiterkommen waren und jetzt nur von der Bank kommen. Im Lauf der Saison waren sie aber brutal wichtig, vor allem in der kritischen Phase. Bei Spielern wie Mathieu Nguefack, Wael Mohya oder Niko Horvat braucht man nicht viel Ahnung, um zu sehen, dass sie besondere Fähigkeiten haben. Genauso wichtig ist ein Rückhalt wie Marcello Trippel, der die klare Nummer eins in Deutschland in dieser Altersklasse ist. Dazu darf man aber nicht einen Aidan Jericho als zweiten Mann vergessen, der enorme Trainingsqualität reinbringt. Elias Vali Fard kam in dieser Saison schon überwiegend in der U19 zum Einsatz, ist als Stabilisator in der Abwehr wichtig und ebenfalls Nationalspieler. Wie gesagt, ich könnte so viele mehr nennen, würde das nur ungern tun. Als Beispiel vielleicht noch ein spezieller Fall …"

Bitte

Enache: "Mika van Lipzig hat eine Top-Entwicklung gemacht. Er war zwei Jahre bei uns, dann ein Jahr in Kleve und ist 2023 zurückgekehrt. Anfang der Saison gehörte er nicht zum Stamm, ist aber immer mit der richtigen Einstellung an die Sache gegangen. Als sich die Chance geboten hat, hat er sie ergriffen und ist ein brutal wichtiger Baustein geworden. Dann hatten wir in der K.o.-Phase nach langer Zeit mal den ganzen Kader beisammen – und Mika stand gegen Hertha im Achtelfinale nicht in der Startelf. Doch er hat sich seine Enttäuschung nicht anmerken lassen, ist reingekommen und war entscheidend dafür, dass wir noch gewonnen haben. Genauso war es gegen Hoffenheim."

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Team als Finalsieger aus dem Wettbewerb geht?

Enache: "Ich fände es ein wenig vermessen und wenig respektvoll dem FC Bayern gegenüber, jetzt schon vom Finale zu sprechen. Erst mal haben wir das Halbfinale vor der Brust. Und da haben wir einen starken Gegner, der über eine hohe individuelle Qualität verfügt. Ich war noch bei der U17-EM in Albanien und habe ein paar von den Jungs im Training und in den Spielen gesehen. Es sollte unser erstes Ziel sein, das Halbfinale für uns zu entscheiden. Aber klar ist: Wir sind im Halbfinale und wollen mehr – und dafür müssen wir viel investieren."

Ihre Mannschaft kommt über die Geschlossenheit, die Bayern mehr über exponierte Spieler wie Lennart Karl oder Wisdom Mike, der aus Gladbach zu den Bayern ging?

Enache: "Natürlich haben die Bayern diese exponierten Spieler wie Lennart oder Weezy …"

… haben Sie ihn hier selbst trainiert?

Enache: "Nein, als er in meine U15 hochgekommen wäre, hat er den Schritt zu den Bayern gemacht. Aber er gehört zu den Spielern bei den Bayern, die eine hohe individuelle Klasse haben. Aber da ist auch ein Moritz Göttlicher im defensiven Mittelfeld, der in der U17 des DFB gesetzt ist und die Strippen zieht. Oder ein Raphael Pavlic in der Abwehr, der auch Nationalspieler ist. Die Bayern werden als Nummer zwei im Jahrgang eingeordnet, Hoffenheim galt als die Nummer eins."

Wie wird Ihr Motivationsansatz am Sonntag aussehen?

Enache: "Ich werde versuchen, die Besprechung vor dem Spiel auf acht Minuten zu reduzieren. Auf taktische Sachen gehe ich da gar nicht mehr groß ein, die haben wir in der Woche gemacht. Ich versuche, die Jungs verbal noch mal zu kitzeln und mich dabei in ihre Lage zu versetzen. Sie sind nervös, sie machen sich Druck, natürlich – undich will ihnen vermitteln, was sie draufhaben und dass sie locker bleiben sollen, um nicht zu blockieren."

Welchen Faktor hat Ihre eigene Vita dabei? Sie haben die Jugendabteilungen bei Borussia durchlaufen und viel im Amateurfußball erlebt.

Enache: "Der Seniorenbereich bringt da sicher nicht so viel, aber die eigenen Erfahrungen im Nachwuchsbereich. Ich hatte verschiedene Trainer, von denen nimmt man immer etwas mit. Und ich denke, die Tatsache, dass ich selbst bei Borussia groß geworden bin, verleiht meinen Worten eine gewisse Authentizität."

Wer waren Ihre Trainer in Gladbach?

Enache: "Roland Virkus, Ralf Peter, der ja später als Taktik-Guru beim DFB galt, Hans-Jörg Criens und Norbert Meier – das waren die Trainer, die mir viel mitgegeben haben. Aber letztlich entwickelt man mit der Zeit auch eine eigene Persönlichkeit. Was ich sagen muss: Ich bin dem Klub sehr dankbar. Es war damals keine einfache Zeit für mich. Ich war gerade aus Rumänien nach Deutschland gekommen, habe binnen eines halben Jahres Deutsch gelernt, um aufs Gymnasium zu gehen. Es ging dann auch um meinen Aufenthaltstitel. Borussia und speziell Rolf Rüssmann haben sich sehr für mich eingesetzt, es ging über die Viersener SPD-Politikerin Marie-Luise Morawietz hoch bis zu Ministerpräsident Johannes Rau. Für die Unterstützung will ich Borussia gern etwas zurückgeben durch gute Arbeit."

Wohin führt Ihr Weg noch?

Enache: "Man sollte immer realistische Ziele haben. Mein kurzfristiges bis mittelfristiges Ziel ist die Pro-Lizenz. Natürlich habe ich einen Traum – ob der realistisch ist, bleibt abzuwarten. Ich arbeite unglaublich gern im Nachwuchsbereich, ich habe da viel gelernt und konnte mich entfalten. Aber später glaube ich schon, dass der Reiz da sein wird, den Sprung in den Seniorenbereich zu schaffen. Ich bin ein geduldiger Mensch in solchen Sachen und habe meine Chancen ergriffen, wenn die Türen aufgingen. Ich sehe jetzt bei den Jungs die Entwicklung, dass es vorangeht. Und das hoffe ich für mich dann auch. Dass ich zudem natürlich davon träume, einige von meinen Jungs mal hier im Stadion bei den Profis spielen zu sehen, ist kein Geheimnis."

Interview: Jannik Sorgatz und Karsten Kellermann

Aufrufe: 07.6.2025, 12:30 Uhr
RP / Jannik Sorgatz und Karsten KellermannAutor