2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der Kinderfußball in Deutschland steht vor einem radikalen Umbruch. Erst ab der D-Jugend soll auf größeren Feldern gespielt werden.
Der Kinderfußball in Deutschland steht vor einem radikalen Umbruch. Erst ab der D-Jugend soll auf größeren Feldern gespielt werden. – Foto: ANDREAS MAYR

„Ein Schwarz-weiß-Denken“: Veränderungen bei G- bis E-Jugend im Kreis Garmisch umstritten

Grundlegende Veränderungen bei G- bis E-Jugend ab 2024/25 beschlossen

Der DFB hat die Reform im Jugendfußball durchgebracht. Im Kreis Garmisch-Partenkirchen wird diese Veränderung bei Trainern und Verantwortlichen mit unterschiedlichen Meinungen wahrgenommen.

Landkreis – Mehr Spaß, weniger Leistungsdruck – der Kinderfußball in Deutschland steht vor einem radikalen Umbruch. Eine Abkehr vom klassischen Ligabetrieb, kleinere Mannschaftsgrößen und Spielfelder, damit werden Trainer und Jugendleiter ab der Saison 2024/2025 konfrontiert.

Umstrittene Meinungen um Reform im Jugendfußball

Konkret sieht die Reform vor, dass in der G-Jugend (U6/ U7) und F-Jugend (U8/U9) das sogenannte Funino gespielt wird. Auf einem Spielfeld sollen sich die Teams dann im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Mini-Tore messen. Der Gewinner geht ein Feld weiter nach rechts, der Verlierer nach links. Punkte oder gar Tabellen gibt es nicht mehr. Dadurch sollen wieder alle Kinder Spaß am Fußball haben.

Dennis Destek, Trainer der U19 des TSV Murnau und Sportlicher Leiter Großfeld, findet diesen Ansatz gut: „Funino soll helfen, dass die Kinder wieder mehr Ballkontakte haben. Deshalb sind die Maßnahmen richtig, um den Spaß zu fördern. Ohne den geht es nicht.“ Der TSV-Nachwuchs trainierte auch bisher oft auf Minifeldern, „der Wettkampf wird nur an das Training angepasst“.

Dennis Destek, TSV Murnau.
Dennis Destek, TSV Murnau. – Foto: Privat

Sascha Staab, Jugendleiter des 1. FC Garmisch-Partenkirchen, kann sich mit dem Konzept durchaus anfreunden, sieht die Umsetzung aber als nicht gelungen an: „Die Ballkontakte und das Erfolgserlebnis sind wichtig für die Kids. Aber der Verband hat die Reform einfach durchgedrückt, nimmt sich bei der Umsetzung raus.“

Exemplarisch dafür sieht er die F-Jugend, bei der bisher ein Spiel 50 Minuten dauerte. „Jetzt muss man mit zweieinhalb bis drei Stunden rechnen. Der Vereinsspielplan war bisher schon durchgetaktet.“ Auch auf den Gastgeber der Turniere kommt genauste Planung zu. Während bisher aus einem halben Großfeld ein 35 Meter breites, 50 Meter langes Feld gesteckt wurde sowie zwei Kleinfeldtore aufgestellt wurden, sind nun mehr Tore gefordert.

„Der Gastgeber muss mindestens vier Minifelder aufbauen, dazu braucht man 16 Tore. Woher soll ich die nehmen? Das ist einfach nicht durchdacht“, moniert Staab. Auf die Übungsleiter komme grundsätzlich eine Mammutaufgabe zu. „Ein F-Jugend-Trainer kann das Konzept mit 15 Kindern alleine gar nicht umsetzen, denn er braucht ja schon zwei Spielfelder.“ Ab der E-Jugend (U10/U11) ist dann ein Fünf-gegen-Fünf oder Sieben-gegen-Sieben angedacht.

„Wir können nicht immer motzen, manchmal muss man auch einfach mitmachen.“

WSV-Abteilungsleiter Leonhard Gansler

An der Umsetzung hapert es jetzt schon: Erst kürzlich spielte die Garmischer F3-Jugend ein Funino-Turnier in Berg – mit mäßigem Erfolgserlebnis: „Da hatte eine Mannschaft kurzfristig abgesagt und schon schauten viele Kinder nur von der Seite aus zu.“

Mit dem WSV Unterammergau will ein Landkreisverein dem Ganzen eine Chance geben. „Wir können nicht immer motzen, manchmal muss man auch einfach mitmachen“, sagt Abteilungsleiter Leonhard Gansler. „Unsere Kids haben schon ein paar Mal damit trainiert.“

Jedoch sieht er den Übergang von den bisherigen Spielformen der Jugend hin zu Funino als problematisch an: „Für die Übergangskinder wird es super blöd. Unser E-Jugend-Torwart steht seit zwei Jahren zwischen den Pfosten und muss dann gezwungenermaßen ins Feld.“ Denn diese Position fällt beim Funino weg.

Genau das sieht Josef Zech, Torwarttrainer beim TSV Murnau und 1. FC Garmisch-Partenkirchen, als Vorteil der Reform: „In der G-und F-Jugend will immer jeder ins Tor, doch am Fuß arbeiten deshalb zu wenig.“ Genau die Arbeit am Ball ist in diesem Alter am Wichtigsten. „Die wirkliche Torwart-Ausbildung fängt erst ab der D-Jugend an, deswegen ist die Reform für die Kids zwischen den Pfosten genau das richtige.“

Sascha Staab, 1. FC Garmisch-P.
Sascha Staab, 1. FC Garmisch-P. – Foto: Andreas Mayr

Mit der Abschaffung der Punkte und Tabellen erntete der DFB weitere Kritik, an der sich allerdings die Geister scheiden. Der Verband wirbt damit, dass die Kicker unmittelbar Rückmeldung bekommen, ob sie gewonnen oder verloren haben. „Ob das Ganze die Lösung für unser Nachwuchsproblem ist, wenn ich den Erfolgsdruck rausnehme, werden wir sehen“, meint Staab. „Denn wenn ich nie am Boden liege, kann ich mich nicht entwickeln. Und das tue ich nur durch Niederlagen.“

Destek hingegen argumentiert, dass die Kinder weiterhin gewinnen wollen, ob mit oder ohne Tabelle. „Grundsätzlich gibt es in dieser Debatte ein Schwarz-weiß-Denken. Es wird einfach falsch dargestellt, dass es nicht mehr ums Gewinnen geht. Die Kinder wollen immer noch gewinnen. Das ist der gleiche Quatsch wie bei den Bundesjugendspielen, wo auch keine Punkte mehr vergeben werden.“

Überlegungen, wie man den Fußball in Deutschland verbessern kann, steht er offen gegenüber: „In letzter Zeit war auch nicht alles perfekt.“ Die sportlichen Erfolge hätten im Profibereich abgenommen, bestimmte Positionen wie der klassische Stürmer oder Außenverteidiger scheint es auf Topniveau nicht mehr zu geben. „Sicher ist nicht alles schlecht, aber Überlegungen zur Verbesserung müssen legitim sein. Unsere Kinder kicken immer noch wahnsinnig gerne.“ (Joshua Eibl)

Aufrufe: 020.9.2023, 07:25 Uhr
Joshua EiblAutor