2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Eiskalt im Abschluss: Der technisch starke Ernst Wiesmüller (r., im Dress des FC Moosinning) war auch auf Schnee kaum zu stoppen.
Eiskalt im Abschluss: Der technisch starke Ernst Wiesmüller (r., im Dress des FC Moosinning) war auch auf Schnee kaum zu stoppen. – Foto: Konrad Kressierer

Drei Tore vor 40 000 Zuschauern im Olympiastadion

ERDINGS TOP 100 - Ernst Wiesmüller kickte lange für die Löwen – Im Landkreis als Spieler und Coach erfolgreich

„Einmal Löwe, immer Löwe!“ Diesen Spruch des TSV 1860 München hat kaum jemand mehr verinnerlicht als Ernst Wiesmüller.

Erding – Trug der heute 65-Jährige doch jahrelang recht erfolgreich das weiß-blaue Trikot – im Nachwuchs und bei den Amateuren. Später war er lange im heimischen Landkreis unterwegs, als Spieler, Spielertrainer und Trainer.

Auf einer kleinen Wiese in der Kletthamer Parksiedlung, wo sich täglich viele Kinder zum Kicken treffen, beginnt Ernst Wiesmüllers Fußballer-Laufbahn. Sein guter Spezl Martin Besl, der beim TSV Erding spielt, sagt zu seinem damaligen Trainer Walter Ludwig: „Mein Freund, der Ernsti, ist zwar noch ein bisschen klein, aber ein super Fußballer, darf ich den mal mitbringen?“ Natürlich darf er, und vom ersten Training an sind alle vom technisch starken und wieselflinken Wiesmüller begeistert.

Das liebste Spielzeug ist der Ball: Ernst Wiesmüller als Achtjähriger auf dem – damals nahezu täglichen – Weg zum nächsten Fußballplatz.
Das liebste Spielzeug ist der Ball: Ernst Wiesmüller als Achtjähriger auf dem – damals nahezu täglichen – Weg zum nächsten Fußballplatz. – Foto: Privat

Im Nachwuchs gibt es damals nur zwei Altersklassen, Schüler (bis 14 Jahre) und Jugend (15 bis 18 Jahre). „Die Löwen hatten damals eine B-Jugend, darum wollte ich mit 15 wechseln“, erzählt er. Die Frage ist aber, ob ihn die Löwen auch nehmen. Ein Bekannter vermittelt ein Probetraining. Der Jugendleiter schickt den jungen Erdinger von einem Trainingsplatz zum anderen, auf einem soll er immer wieder aufs leere Tor schießen, auf dem anderen soll er dribbeln und so weiter. „Wenn sie dich nicht nehmen, dann bleibst halt in Erding“, sagt Ernst Wiesmüller senior zu seinem Sohn. Doch Löwen-Nachwuchstrainer Heinz Ziegler ist beeindruckt und fragt: „Habt ihr kurz Zeit? Ich glaube, du wärst eine Verstärkung für uns.“ Und schon ist der Vereinswechsel besiegelt.

Doch der Sprung zu den Löwen ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Wiesmüller absolviert eine Ausbildung bei der Firma Sempt EW in Pretzen – wo er schließlich 48 Jahre lang, bis zur Rente, bleiben wird. Sein Vater kauft ihm ein Mofa, mit dem fährt er in der Früh nach Pretzen. Dienstag und Donnerstag geht es nach der Arbeit gleich weiter nach Aufhausen, von dort mit der S-Bahn nach München und weiter mit der Straßenbahn in die Grünwalder Straße. „Ich hatte damals mit dem Siegfried Söll einen super Chef“, erzählt Wiesmüller. „Der hat mich dann immer ein paar Minuten eher gehen lassen, damit ich ja die S-Bahn erwische, die damals noch pünktlich war. Und am Freitag hat mich mein Vater mit dem Auto ins Training gefahren.“

Trainer ist Fritz Bischoff, „der immer auf mich gesetzt hat“, sagt der Erdinger. Teamkollegen sind damals unter anderem Paul Schönwetter, Jugendnationalspieler Manfred Haßelbeck, Hans-Peter Alt und Torwart Alexander Held. „Der war in seiner Jugendzeit schon immer Komparse bei Film- und Fernsehproduktionen und hat dann als Schauspieler Karriere gemacht“, weiß Wiesmüller. Helds bekannteste Rolle ist die des Kommissars Ludwig Schaller in der TV-Serie „München Mord“.

In seiner ersten Saison 1974/75 schießt Wiesmüller unglaubliche 54 Tore. „Aber das muss man schon einordnen“, sagt er bescheiden. „Bis auf die Bayern waren nur kleine Münchner Vereine in der Liga dabei, und gegen die haben wir fast immer zweistellig gewonnen. Da waren wir ganz klar unterfordert.“

Im November, kurz vor der Winterpause, verletzt sich Wiesmüller schwer an der Schulter. „Nach einem groben Foul des gegnerischen Torwarts war das Schlüsselbein kaputt, und die Bänder waren gerissen. Da war ich drei Monate raus.“ Die Eltern haben Angst, dass er seine Lehrstelle verliert, aber Söll meint, sie sollen sich „keine Gedanken machen“.

Im Frühjahr ist Wiesmüller wieder fit, und als dann die Bayern geschlagen werden, sind die Löwen Bayerischer Meister. Und mit dem Gewinn der Süddeutschen Meisterschaft gelingt der B-Jugend des TSV 1860 einer der größten Erfolge. Das Süddeutsche-Turnier wird in Offenburg ausgetragen. „Im Halbfinale haben wir gegen Waldhof Mannheim gewonnen, im Finale tags darauf ging es gegen Offenburg, und da haben wir uns im Elfmeterschießen durchgesetzt“, erinnert sich der 65-Jährige. Er selbst schießt keinen Elfer. „Ich hab mich nicht getraut“, gibt Wiesmüller freimütig zu. „Und ich bewundere die Schützen immer für ihre Nervenstärke.“

Erinnerungsstück: Diese Glastrophäe gab es für den Gewinn der süddeutschen B-Jugendmeisterschaft 1975.
Erinnerungsstück: Diese Glastrophäe gab es für den Gewinn der süddeutschen B-Jugendmeisterschaft 1975. – Foto: Wolfgang Krzizok

Ein Jahr später folgt der ganz persönliche fußballerische Höhepunkt für den Erdinger: Die A-Jugend darf das Vorspiel zur Zweitligapartie zwischen dem TSV 1860 und dem VfB Stuttgart im Münchner Olympiastadion bestreiten. „Da waren 60 000 Zuschauer da, und bei uns waren es bestimmt schon 40 000. Das war mir vorher gar nicht so bewusst, dass bei uns schon so eine große Kulisse da ist“, schwärmt der Erdinger. Gegner ist der ASV Dachau, die Junglöwen gewinnen 5:0 – Wiesmüller schießt drei Tore, und sein Name steht groß auf den beiden Anzeigetafeln. „Mein Vater war ja nicht besonders groß, aber da war er mindestens zwei Meter groß“, sagt Ernst Wiesmüller und lacht. „Anschließend ist die Mannschaft auf der Tartanbahn gesessen, und wir haben uns die Erste angeschaut.“

Bei der A-Jugend der Löwen läuft’s. Die Mannschaft von Trainer Fritz Bischoff ist am Ende der Saison Erster in der Bayernliga Süd Wiesmüller steuert 24 Tore bei. Bei den Punktspielen gegen den FC Augsburg ist Bernd Schuster sein Gegenspieler, der als Libero agiert. Gegen den FC Bayern landen die Löwen einen 1:0-Sieg, damit stehen sie im Finale um die Bayerische Meisterschaft gegen den 1. FC Nürnberg, das allerdings unglücklich 1:2 verloren geht.

Aufgrund seiner überdurchschnittlichen Torquote wird Wiesmüller zum „DFB-Jugendlager“, einem Sichtungsturnier, in die Sportschule Duisburg-Wedau eingeladen – die bayerische Delegation umfasst 14 Spieler. „Da waren viele Scouts da, aber da habe ich nicht gut gespielt“, erinnert er sich. „Bei so was brauchst du Glück, einen Trainer, der auf dich setzt, keine Verletzungen und gute Nerven.“ Bei seinem Auswahl-Teamkollegen Werner Dreßel, der damals für den 1. FC Nürnberg spielt, passt alles. Er erzielt als Nachrücker bei einem Länderspiel drei Tore, damit beginnt seine Profikarriere mit Stationen unter anderem bei Werder Bremen, beim 1. FC Nürnberg, beim Hamburger SV und bei Borussia Dortmund.

Wiesmüller, der immer wieder von Verletzungen gebremst wird, hat noch eine schöne Zeit im Löwen-Nachwuchs. „Ostern und Pfingsten waren wir regelmäßig auf Turnieren, zum Beispiel am Bodensee, in Linz, in Budapest oder auch in Paris“, sagt der 65-Jährige, der sich noch gut an die Kabinenansprache von Trainer Bischoff in Paris erinnert, als er seine Truppe „heiß“ macht mit den Worten: „Holt mir hier ja nicht den Fairnesspokal!“

An der Grünwalder Straße daheim: Bereits als 15-Jähriger wechselte Ernst Wiesmüller zu den Löwen.
An der Grünwalder Straße daheim: Bereits als 15-Jähriger wechselte Ernst Wiesmüller zu den Löwen. – Foto: Privat

Nach der A-Jugend kommt der „Männerfußball“ bei den 60er-Amateuren, die damals in der Landesliga (4. Liga) spielen. Mit im Team ist unter anderem der Altenerdinger Georg Garhammer. Wiesmüller wird zur Bundeswehr eingezogen und kommt in die Funkkaserne nach München zu den Pionieren, wo über die Jahre viele junge Fußball-Profis ihren Wehrdienst ableisten, wie etwa Hans Pflügler, die zum Training freigestellt werden. „Wir haben damals immer Freikarten für die Spiele der Profis gekriegt, da habe ich unserem Spieß, der ein Löwen-Fan war, ab und zu mal welche geschenkt und hatte bei ihm einen Stein im Brett“, meint Wiesmüller grinsend. Und so darf er auch mal früher als erlaubt die Kaserne verlassen. „Ich war dann entsprechend früh dran, da haben die Profis auf dem Hauptplatz trainiert, ich habe mich umgezogen und auf dem Nebenplatz ein bisschen gekickt, da kam Hans Ettlinger.“ Der damalige Löwen-Manager ruft: „Beim Abschlussspiel fehlt einer – geh rüber!“ Und so kommt Wiesmüller zu einer Trainingseinheit mit den Profis, im Team ist unter anderem der Weltmeister und heutige DFB-Sportdirektor Rudi Völler.

Bei einem Testspiel gegen einen unterklassigen Verein darf der Erdinger dann später einmal im Profiteam von Trainer Heinz Lucas mitspielen, ansonsten ist sein Platz bei den Amateuren, wo Wiesmüller fünf Jahre lang auf Torejagd geht. Trainer ist anfangs Hans Pilz, später kommt Bernd Schumm, bei dem es Wiesmüller schwer hat, „denn der stand auf großgewachsene Spieler“. Trotzdem erkämpft er sich einen Stammplatz.

Aber dann ist für den Erdinger plötzlich Schluss bei den Löwen. Nach dem Lizenzentzug müssen die Profis runter in die Bayernliga. „Die wollten das da natürlich profimäßig aufziehen, um schnell wieder aufzusteigen, aber das ging bei mir von der Arbeit her nicht“, erinnert sich Wiesmüller. Dazu kommt, dass er von einer hartnäckigen Meniskusverletzung geplagt wird, die er bei Dr. Müller-Wohlfahrt in München behandeln lässt. Rund ein Jahr verpasst der Erdinger dadurch, der sich schließlich dem Landesligisten FC Moosinning anschließt. Dort ist Dieter „Mucki“ Brenninger der neue Trainer. „Ich bin mit ihm hin und nach zwei Jahren wieder weg“, sagt Wiesmüller, der in diesen zwei Spielzeiten 16 Tore schießt. „Dieters Spielersitzungen waren super“, erinnert sich der 65-Jährige. „Du hast einfach ein Plus, wenn du höherklassig gespielt hast.“ Fast gelingt der Aufstieg, aber die entscheidende Partie in Gundelfingen wird verloren. Wiesmüller quält sich schließlich durch die Spiele. „Ich hatte immer Leistenprobleme, konnte eigentlich nur geradeaus laufen, aber der Dieter hat immer gesagt: ,Geht scho’“, meint Wiesmüller lachend. „Am Ende hat sich rausgestellt, dass ich links einen Bruch hatte und rechts eine weiche Leiste.“

Als alles ausgeheilt ist, beginnt für Wiesmüller die Zeit als Spielertrainer, erst vier Jahre beim A-Klassisten TSV Erding, mit dem er immer vorne dabei ist, dann drei Jahre beim B-Klassisten SpVgg Altenerding. Und er hat es nicht leicht. „Man gleicht sich spielerisch leider schnell an, und ein Manndecker läuft dir 90 Minuten hinterher“, sagt er. „Dazu kommt, dass du mit den alten Spezln eine super Kameradschaft hast, aber du kannst halt schlecht autoritär sein“, gibt er selbstkritisch zu.

Gibt klar die Richtung vor: Ernst Wiesmüller bei seiner bislang letzten Trainerstation bei Rot-Weiß Klettham.
Gibt klar die Richtung vor: Ernst Wiesmüller bei seiner bislang letzten Trainerstation bei Rot-Weiß Klettham. – Foto: Peter Bauersachs

Ab da gibt es Ernst Wiesmüller nicht mehr als Spieler, sondern nur noch als Coach, bei der SpVgg Neuching, beim SC Kirchasch, und danach im Nachwuchsbereich. Bei der JFG Sempt Erding trainiert er unter anderem Spieler wie Tobi Bartl, Kilian Kaiser oder Tobi Paulus, als Co-Trainer fungieren Marco Zehner und Sepp Kaiser. Und schließlich steht er noch bei Rot-Weiß Klettham an der Seitenlinie, unweit der Wiese in der Parksiedlung, wo er als kleiner Bub zum ersten Mal dem Ball nachjagte.

„Ich bin als Spieler und Trainer ein paarmal auf-, aber nie abgestiegen, erzählt Ernst Wiesmüller stolz. Als Rentner ist er jetzt sehr oft unterwegs, wie er erzählt, und kümmert sich viel um die vier Enkel, die ihm und seiner Frau die beiden Töchter Melanie (Max, Marie, Michael) und Ramona (Jakob) geschenkt haben. „Nur mit einem Schwiegersohn gibt’s ein Problem, der Christoph Greckl ist nämlich ein Roter“, sagt Ernst Wiesmüller laut lachend und fügt an: „Einmal Löwe, immer Löwe!“

Erdings Top 100

In unserer Serie „Erdings 100 größte Sportler aller Zeiten“ belegt Ernst Wiesmüller Platz 99.

Aufrufe: 029.3.2024, 17:00 Uhr
Wolfgang KrzizokAutor