Tim Kloss, Lukas Reich & Co. Der TSV 1860 München will in Zukunft wieder mehr auf die eigene Jugendarbeit setzen. Auch wegen des reduzierten Etats.
München – Der Held des Saarbrücken-Spiels blieb am Sonntag 90 Minuten auf der Bank. Anstelle von Tim Kloss (19) warf Argirios Giannikis in Unterhaching einen anderen Junglöwen ins Gefecht: U 18-Nationalspieler Lukas Reich. Der hochveranlagte Rechtsverteidiger ersetzte in der Schlussphase Michael Glück und fügte sich gut ein. In seiner besten Szene verhinderte der 17-Jährige das 0:3 - indem er Haching-Joker Mashigo den Ball vom einschussbereiten Fuß spitzelte.
Kloss, Reich, vielleicht auch Raphael Ott oder Sean Dulic (beide 18). Das ist der Weg, den der TSV 1860 München mit der neuen Führungstroika Giannikis/Werner/Mueller gehen wollen. Eine Verjüngungskur, geboren aus pragmatischen Erwägungen. Zum einen hat Oliver Mueller den Löwen einen Restrukturierungs- resp. Sparkurs verordnet. Klaglos nimmt der neue kaufmännische Geschäftsführer hin, dass der Aufsichtsrat einen deutlich reduzierten Lizenzspieler-Etat vorgibt (4,5 statt 5,5 Mio. Euro). Zum anderen hat sich bei 1860 endlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der bisherige Umgang mit dem Nachwuchs wenig Sinn ergibt.
Talente mühsam ausbilden, sie ins Drittliga-Schaufenster stellen, ohne sie langfristig gebunden zu haben – die Konkurrenz fand‘s praktisch und hat sich bei 1860 wie in einem Schnäppchenmarkt bedient. Dennis Dressel wechselte ablösefrei nach Rostock (2022), auch Marius Wörl zog weiter (Hannover/Bielefeld), ohne dass für 1860 mehr als eine Ausbildungsentschädigung hängen blieb (2023). Und mit Mansour Ouro-Tagba, dafür muss man kein Prophet sein, dürfte es im Sommer ähnlich laufen.
Fehler, die die alte Führung gemacht hat, will die neue unter allen Umständen vermeiden. Man kann davon ausgehen, dass Christian Werner bereits seine Finger im Spiel hatte, als der junge Lukas Reich kurz vor Weihnachten einen bis 2026 gültigen Fördervertrag unterschrieben hat. Offiziell ist Werner erst seit Anfang Januar Sportchef, doch die Maßnahme, einen deutschen U-Nationalspieler langfristig zu binden, trägt seine Handschrift. Ebenso sei es ein bewusster Schritt gewesen, im Januar, als die KI-berechnete Abstiegswahrscheinlichkeit 70 Prozent betrug, auf den bekennenden Jugendentwickler Giannikis gesetzt zu haben – und nicht auf einen Feuerwehrmann (wie Marco Antwerpen). Über den „Paradigmenwechsel“ bei 1860 sagte Werner im Rahmen seiner 100-Tage-Bilanz: „Wir haben gesagt: Wir wollen am Ende des Tages einen Cheftrainer haben, der ein Setting für junge Spieler entwickelt, denn genau das wird unsere Ausrichtung für die Zukunft sein.“
Für Präsident Robert Reisinger war die Verpflichtung von Giannikis, Werner und Mueller diesbezüglich ein Meilenstein. „Wir müssen von unserer Ausbildungsqualität mehr profitieren“, lautet seine alte, in einem Podcast erneuerte Forderung: „Diese Aufgabe ist in meinen Augen absolut wettbewerbsentscheidend. Dafür braucht es Kreativität, strategisches Geschick und einen scharfen Blick für Entwicklungspotenzial. Das scheint jetzt endlich angekommen zu sein.”
Wenn man so will, sind Kloss und Reich die Vorreiter einer neuen Jugendwelle beim TSV 1860. „Wir wollen bayerische Talente finden“, betont Werner, „primär natürlich unsere eigenen Jungs. Das NLZ wird künftig unser Herz sein, und zwar aus tiefster Überzeugung.“ (ulk)