2024-06-17T07:46:28.129Z

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Christina Junkers (Mitte) steht vor einem besonderen Debüt.
Christina Junkers (Mitte) steht vor einem besonderen Debüt. – Foto: Jochen Classen

Christina Junkers: Vom stillen Mäuschen zur taffen Frau

Erst in ihrer Rolle als Fußball-Schiedsrichterin hat sich Christina Junkers aus Kaarst zu einer echten Persönlichkeit mit starker Ausstrahlung entwickelt. Am Sonntag leitet sie in Andernach ihr erstes Match in der Zweiten Frauen-Bundesliga.

Christina Junkers ist ein durch und durch positiver Mensch. „Fröhlich und herzlich nimmt sie jeden sofort für sich ein“, sagt Rolf Thöne, für die Öffentlichkeitsarbeit zuständiges Mitglied im Präsidium der SG Kaarst. Doch die 24-Jährige kann auch anders. Völlig anders:

„Nummer 10! Du bist jetzt ruhig! Ich möchte keine Kommentare mehr von Dir hören!“ Klare Ansagen wie diese müssen auf dem Fußballplatz, wo sie als Schiedsrichterin oftmals die einzige Frau unter 22 nicht immer ganz so netten Männer ist, einfach mal sein. Den Rest regelt sie mit Charme und Übersicht, sich als wilde Furie mit Gelben und Roten Karten Respekt zu verschaffen ist nicht ihr Ding.

Das kommt an. Die Kaarsterin war in dieser Saison schon sechs Mal in der Oberliga Niederrhein und zweimal in Landesliga im Einsatz, kam dabei ohne Platzverweise aus. Die Beurteilungen der im Auftrag des Fußballverbandes Niederrhein tätigen Spielbeobachter weisen sie als gute Schiedsrichterin aus. So gut, dass die angehende Diätassistentin am Sonntag den nächsten Schritt auf der Karriereleiter in Angriff nehmen darf: Um 11 Uhr pfeift sie im Stadion am Bassenheimer Weg die Partie der 2. Frauen-Bundesliga zwischen der SG 99 Andernach und dem FC Ingolstadt 04 an. Ein Duell ganz nach ihrem Geschmack: „Das sind genau die Spiele, die ich mag. Mit vier bzw. sechs Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze müssen beide Teams unbedingt punkten, um weiter im Aufstiegsrennen dabei zu sein.“

Rückschlägen getrotzt

Eine Premiere mit einiger Verspätung, verpasste sie im vergangenen Jahr doch gleich zweimal die für Einsätze auf diesem Niveau erforderliche Leistungsprüfung: Im Juli kam ihr eine Muskelverletzung dazwischen und den Nachholtermin konnte sich wegen einer Infektion mit dem Coronavirus nicht wahrnehmen. Damit war bis zum Start der Rückrunde Geduld gefragt, bis sie ihre Eignung dann ohne Probleme nachzuweisen vermochte.

Dass sie in diese Sphären als aktive Fußballerin der SG Kaarst niemals vorgestoßen wäre, hatte die 24-Jährige schon früh messerscharf erkannt. Aber erst ein Tipp ihres mittlerweile vor Stolz platzenden Vaters Wolfgang Junkers („Meine Tochter ist unter der 50 besten Schiedsrichterinnen in Deutschland.“) brachte sie an die Pfeife und weckte in ihr den Ehrgeiz, es schnell nach oben zu schaffen. „Das erste Jahr, vollgepackt mit Theorie und wenig Praxis, war schon schwer, aber die tolle Gemeinschaft der Schiedsrichter hat mich getragen.“ Dann aber ging es rasant bergauf. Schon seit drei Jahren gehört sie dem Schiedsrichterkader des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an und durfte im vergangenen Sommer als vorläufiges Highlight ihrer Laufbahn beim in Bergisch Gladbach ausgetragenen DM-Finale der U17-Juniorinnen zwischen Bayer 04 Leverkusen und der SpVg Aurich (2:1) assistieren.

Weitere Höhepunkte werden folgen, denn auf ihrem persönlichen Programm stehen auch Linien-Einsätze im deutschen Oberhaus. Dass bei Spielen mit Beteiligung des FC Bayern München, VfL Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt Nationalspielerinnen wie Alexandra Popp, Giulia Gwinn, Svenja Huth und Lena Oberdorf auf ihre Kommandos hören werden, bringt sie indes ebenso wenig aus der Ruhe wie die dann volleren Tribünen. „Dass dort inzwischen oft einige Tausend Zuschauer kommen“, findet sie ausgesprochen spannend. „Die im Rücken zu spüren, erzeugt ein Kribbeln im Bauch. Das ist ein großartiges Gefühl.“

Dieses Selbstvertrauen ist ihr nicht angeboren. Ganz im Gegenteil sogar: „Ich war immer ein stilles Mäuschen. Aber durch die intensiven Schulungen des DFB und die ständige Herausforderung, 22 Menschen auf dem grünen Rasen zu führen, bin ich selbstbewusster geworden und habe enorm an Ausstrahlung gewonnen.“ Es sei schon ein tolles Gefühl, fügt sie an, wenn ihr nach einer Partie beide Trainer für die Leistung gratulierten, aber manchmal hadere sie auch mit sich, „wenn ein Spiel mal nicht so gelaufen ist und ich dann hinterher in einer Aufzeichnung sehe, dass mir ein entscheidender Fehler unterlaufen ist.“

Allzu viele dürften es bislang nicht gewesen sein. Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren, besteht indes nicht. „Ich schaue auf mich selbst und setzte mir immer nur kleine Ziele. Dann wird man auf dem Weg nach oben nicht enttäuscht.“

Aufrufe: 014.2.2024, 20:00 Uhr
RP / Dirk SitterleAutor