2025-01-17T15:20:36.910Z

Spielbericht
– Foto: Jörn Kutschmann

Blinder Fotograf bei Hertha TBC

FC Nordost – Hertha BSC Ama Zwee 9:1

30. Spieltag Kreisliga A Berlin Staffel 1 Saison 2023/2024

Sonntag, 09.06.2024 15:00 Uhr

Walter-Felsenstein-Platz, Rasen

120 Zuschauer

Mein Opa war Zeit seines Lebens Feuerwehrmann.

Und zwar mit Leib und Seele. Doch er löschte nicht nur Brände in unserer schönen Stadt, er rettete auch anders Leben. Zum Beispiel hielt er einst einen potenziellen Selbstmörder davon ab, sich vom Europa Center zu stürzen und als Fleck auf dem Tauentzien zu enden.

Als mein Sohn geboren wurde, war mein Opa durch diverse Schlaganfälle schon längst nicht mehr der, der er mal war. Aber er registrierte noch sehr erfreut, wie sein Urenkel anfing, sich für die Feuerwehr zu interessieren.

Als ich mit dem Sohnemann vor einigen Monaten im Aquarium war, zeigte ich ihm auf dem Rückweg das Europa Center und erzählte ihm von Uropis Heldentaten.

Der Junior wollte daraufhin wissen, was das Europa Center denn sei.

„Ein Einkaufscenter“, erklärte ich.

Was denn da für Geschäfte drin seien, wollte er wissen.

Also zählte ich die Läden auf, die ich in dem Center kannte. Ich beendete meine Aufzählung mit dem Hertha Shop.

„Können wir in den Hertha Shop gehen?“, ertönte die Frage aus dem Kindermund.

Schwer, da nein zu sagen. Also betraten wir den Fanshop und, als hätte der Muschelpo es gewusst, steuerte er auf ein Regal zu, in dem der Hertha Mannschaftsbus aus Plüsch stand. Sofort wurde das Ding fest in den Arm genommen und mit großen blauen Augen gefragt: „Können wir das mit nach Hause nehmen?“ Auch hier war das Wort „Nein“ eigentlich unmöglich. Also kam der „Kuscheltier-Bus“ mit nach Hause.

Am 08.06. hatte mein Opa seinen zweiten Todestag und am Morgen des 09.06. sah ich den blauen Plüsch-Hertha-Bus auf dem Bett liegen und wurde etwas sentimental. Nur gut, dass der Fußball rief.

Als erstes Ziel des Tages steuerte ich mein Auto in Richtung des großen Möbelhauses in Lichtenberg.

Allerdings nicht, um Billy oder Köttbullar zu konsumieren, sondern um kurz vor dem schwedischen Giganten links abzubiegen. Ein paar scharfe Kurven durch eine Plattenbausiedlung und ich stand vor dem Sportplatz in der Neustrelitzer Str. Hier kickten seit vier Minuten der BSV Oranke und die fünfte Mannschaft des FC Hertha 03 Zehlendorf gegeneinander.

Ich ignorierte den kleinen, imaginären Ground-Polizisten in meinem Nacken, der etwas davon faselte, dass das Spiel schon lief. Denn Donni empfing mich mit der Info, dass noch kein Tor gefallen wäre, und damit wanderte das Ding hier definitiv in meine norwegische App.

Ein ganz schön skandinavischer Vormittag, der mit einem 1:7 für Hertha Zehlendorf endete. Wir konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass das nicht das höchste Ergebnis mit Hertha Beteiligung an diesem Tag werden würde.

Für 15 Minuten verabschiedeten wir uns, stiegen in unsere Autos und fuhren zum Walter-Felsenstein-Platz. Und zwar zum Rasen!

Dieser wird relativ selten bespielt und lockte damit natürlich so einige Berliner Fußballfreunde hinterm Ofen vor.

Die Hausherren vom FC Nordost hatten heute groß aufgefahren und wollten, nach dem Spiel ihrer ersten Mannschaft, ein schönes Saison-Abschluss-Fest feiern.

Leider sollte der Grill erst dafür angefeuert werden, was Donni und mich dazu zwang, ein paar Wiener bzw. ein paar Knacker zu ordern.

Auch ein riesiges Planschbecken war hier aufgepumpt und befüllt worden. Vermutlich für die Kinder, zum plantschen. Aber es sollte heute noch während des Spiels seinen Auftritt haben.

Als die Spieler auf den Platz liefen, wurden links und rechts von ihnen gelber bzw. blauer Rauch gezündet. Das sah schon nett aus.

Während die ersten Minuten des Spiels liefen, musste ich wieder an meinen Opa denken, der zu Hertha gerne „Hertha TBC“ sagte. Besonders dann, wenn die Mannschaft wirklich wie Lungenkranke spielte. Und leider war das heute der Fall. Ein klassisches „das war mal gar nichts“.

Nach 24 Minuten hatten die Gäste schon vier Mal getroffen, ehe Hertha einnetzen konnte. Allerdings zog Nordost bis zum Pausenpfiff auf 6:1 davon.

Auch die zweite Halbzeit war nicht besser. Zumindest ab dem Zeitpunkt, als ich wieder sehen konnte. Mir war nämlich eine Fliege ins Auge geflogen. Und zwar in das, das nicht durch Kinderfingernägel lädiert war. Das hieß: für einen Moment sah ich gar nichts mehr. Großartig… ein blinder Fotograf… die Karriere ist sicher.

Vielleicht wäre es besser gewesen, weiterhin nichts zu sehen. Denn die Ama Zwee waren völlig von der Rolle und fingen sich noch weitere drei Gegentore. Nur der zu laxen Art der Nordost-Kicker war es zu verdanken, dass das hier nicht zweistellig wurde.

Für einen Schmunzler sorgte der Torschütze zum 7:1 oder 8:1, der zum Jubeln bis zum anderen Ende des Platzes rannte und mit weit ausgebreiteten Armen einen Bauchklatscher in das große Planschbecken machte.

Eigentlich hätte das Gelb geben müssen, der Schiri beließ es aber bei einer Ermahnung und einem Schmunzeln. Na ja, schon okay… war wirklich ganz witzig.

Frustriert darüber, dass die Spieler der Ama Zwee ihren Coach mit so einer Packung verabschiedeten, verließ ich mit Donni den Sportplatz.

Selten habe ich mich so auf eine Sommerpause gefreut.

Gerade die Rückrunde war lang und oft frustrierend.

15-20 Stunden Arbeit flossen jede Woche in die Ama Zwee. Und das neben Familie und Full-Time Job.

Da habe ich mir die Pause jetzt auch wirklich verdient. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht schon auf die neue Saison freue.

Ha Ho He Amateure Zwee

der Kutten König

Aufrufe: 010.6.2024, 21:08 Uhr
Jörn KutschmannAutor