2024-06-14T14:12:32.331Z

Allgemeines

Zwei Verteidiger gehen in die Offensive

Geduld und Fehlertoleranz sind zwei Dinge, die handelnden Personen im Fußball selten zugestanden werden. Doch genau das fordern der Cheftrainer Josef Cinar und Assistent Torge Hollmann bei Eintracht Trier ein. Im fupa-Interview wird deutlich: Hier brennen zwei Ex-Profis  für ihre neuen Aufgaben.

Die Stadt Trier und die Eintracht sind für beide eine Herzensangelegenheit: Josef Cinar und Torge Hollmann verteidigten einst beim SVE Seite an Seite in der Abwehr. Nun versuchen sie im Trainerteam, die Weichen für eine bessere sportliche Zukunft zu stellen. Ihr Anspruch ist hoch – und als Notlösung sehen sie sich keineswegs.

Am Samstag startet die Restrückrunde in der Oberliga. Welche Note geben Sie der Wintervorbereitung

Cinar: Eine Note zu verleihen, ist schwierig. Insgesamt war es eine ordentliche bis gute Vorbereitung, in der wir wegen der Witterung allerdings viel improvisieren mussten. Wir haben viel und gut gearbeitet und nicht einfach Aktionismus walten lassen.

Als Spieler haben Sie geballte Erfahrung in zweiten, dritten und vierten Spielklassen aufzuweisen. Inwieweit sind Sie als Trainer Neulinge?

Hollmann: Egal, wo und welche Erfahrungen wir bislang gesammelt haben: Trainerjobs haben wir beide vorher noch nicht gemacht. Also sind wir Anfänger. Uns reizen diese Rollen unfassbar. Wir hauen eine hohe Intensität rein. Uns kommt zugute, dass wir fußballerisch in die gleiche Richtung denken.

Von welchen ehemaligen Trainern schauen Sie sich am meisten ab?

Hollmann: Wer mich unheimlich geprägt hat, war Wolfgang Frank in meiner Zeit beim SV Wehen Wiesbaden. Er hatte in vielen Dingen ganz klare Vorstellungen, großen Sachverstand und die Gabe, Dinge verständlich zu vermitteln.

Cinar: Ich hatte Gefallen an Trainern, die Wert auf kleinste Details gelegt haben und die besessen waren, einfache Dinge gut zu machen. Dazu zählt Reinhard Stumpf. Zu meiner Zeit in Burghausen hat er es innerhalb kürzester Zeit geschafft, aus uns Spielern eine Mannschaft zu machen, die wirklich Fußball spielt, die im Ballbesitz permanent nach vorne agiert. Das war vorher nicht so der Fall gewesen. Da sind wir viel über lange Bälle gekommen.

Weniger ,Langholz‘, mehr Spielkultur – das sind zwei Dinge, die Sie auch der Mannschaft von Eintracht Trier einimpfen wollen. Wie ist Ihre Idee von Fußball?

Cinar: Es geht einmal um elementare Dinge, die immer gegeben sein müssen: die Bereitschaft zu leiden und die Bereitschaft, aufopferungsvoll eine Position im Team einzunehmen. Darüber hinaus wollen wir etwas aufbauen. Die Leute im Verein und im Umfeld sehnen sich nach einer Mannschaft, die Fußball spielt und versucht, Ballbesitz zu haben. Ich denke, man sieht schon, dass wir viel von hinten heraus spielen wollen. Für diesen Prozess braucht man zwei Dinge: Man muss bereit sein, Fehler zu akzeptieren. Und man braucht Geduld. Ich wünsche mir, dass die Leute uns beides zugestehen.

Hollmann: Uns ist bewusst, dass wir einen relativ hohen Anspruch haben. Wir sind der Überzeugung, dass sich das auszahlt. Die Frage ist: Wie lange brauchen wir? Und wie viel Zeit bekommen wir?

In der Saison 2010/2011 haben Sie bei der Eintracht das Innenverteidigerduo gebildet. Wie war die Aufgabenteilung zwischen Ihnen?

Hollmann: Wir waren beide fürs Grobe zuständig… Obwohl wir beide groß sind, konnten wir aber auch von hinten die Bälle gut rausspielen. Und wir hatten große Qualitäten im Kopfballspiel – vor allem defensiv.

Wie ist die Rollenverteilung nun innerhalb des Trainerteams?

Hollmann: Die ist klar. Josef ist der Cheftrainer, ich bin der Co-Trainer. Wir besprechen und diskutieren bestimmte Dinge. Aber die Vorgaben kommen von Josef.

Hätte Ihnen beim Abschied von Josef Cinar 2011 aus Trier jemand gesagt, in sieben Jahren werden Sie wieder ein Gespann bei der Eintracht bilden – was hätten Sie gesagt?

Cinar: Ich hätte mir das damals nicht vorstellen können. Ich habe auch nicht soweit gedacht, weil wir in einem jungen Alter auseinandergegangen sind. Ich war 27 Jahre alt, Torge 29. Aber wir waren beide vom Charakter her schon Spieler, die Verantwortung übernehmen konnten und wollten. Dass wir jetzt in führenden Positionen sind, konnte man damals noch nicht absehen – und dann auch noch im gleichen Verein.

Als nach der Entlassung von Daniel Paulus bekanntgegeben wurde, dass Sie den Trainer- und Co-Trainerposten übernehmen, haben nicht wenige mit dem Kopf geschüttelt. Die Rede war von einer Notlösung. Zu Recht?

Hollmann: Das sollen andere bewerten. Notlösung ist der falsche Begriff. Es war in diesem Moment die einzig mögliche Lösung, aber auch eine Wunschlösung vom Verein. Sie hat sich aus meiner Sicht bewährt.

„Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin“ – so lautet ein Motivationsspruch, der seit kurzem eine Wand im Kabinentrakt ziert. Wer kam auf die Idee?

Hollmann: Unsere Athletiktrainerin Nina Nouri hat den Impuls gegeben. Es war eine gute Idee, und das Ergebnis nach dem Teambuilding-Nachmittag kann sich sehen lassen.

Um im Bild zu bleiben: Wann kommt beim SVE nach Jahren des Abschwungs der gute Anfang?

Cinar: Der Verein ist auf dem richtigen Weg. Der Anfang ist da. Die Mannschaft muss sich daran messen lassen, was sie Woche für Woche in den 90 Spielminuten zeigt.

Hollmann: Der Verein hat jetzt eine Chance, Dinge richtig zu machen. Mich interessiert nicht, was in der Vergangenheit war. Entscheidend sind die Gegenwart und die Zukunft. Das müssen wir auch allen Spielern einimpfen.

Was soll die Mannschaft in der restlichen Saison noch erreichen?

Cinar: Wir wollen uns weiterentwickeln und den Leuten einen möglichst schönen Fußball zeigen. Und wir wollen auch schon die nächste Saison vorbereiten. Wir werden genau hinschauen, wer den beschriebenen Weg mitgehen kann und wer bereit dafür ist.

Sie sind kritische Geister. Wie kritisch dürfen die Spieler Ihnen gegenüber sein?

Hollmann: Total. Es bleibt die Frage, inwieweit die Jungs bereit sind, das auch zu tun. Damit meine ich, Dinge kritisch zu hinterfragen, um Verbesserungen zu erreichen. Uns ist es wichtig, das Gefühl zu vermitteln, dass wir jeden Spieler besser machen wollen, damit letztlich die Mannschaft besser funktioniert.

Cinar: Wir fordern eine offene Kommunikation und beziehen auch die Mannschaft mit ein. Unsere Tür ist für jeden Spieler offen.

Sie haben beide in Ihren Spieler-Karrieren die meisten Partien für Eintracht Trier bestritten. Was bedeutet Ihnen der Verein?

Hollmann: Trier ist ein Stück Heimat, meine drei Kinder sind hier geboren. Der Verein hat einen hohen Stellenwert. Ich bin jetzt im neunten Jahr hier.

Cinar: Es besteht eine emotionale Bindung zum Verein. Ich bin mit Herz und Seele dabei – als Spieler und auch jetzt als Trainer. Ich versuche etwas zurückzugeben, was der Verein mir geschenkt hat. Ich wollte nach meiner ersten Zeit in Trier wieder zurückkehren, aber danach sah es lange Zeit nicht aus. Ich habe in Gaziantep in der Türkei gespielt. Als wir mal drei Tage frei hatten, waren wir auf einer kleinen Insel. Da haben wir über meine Zeit in Trier gesprochen. Auf einmal klingelte mein Telefon, und Torge war dran. Ich dachte: Das gibt es doch nicht!

Ist der Trainerjob Ihre Bestimmung für die nächsten Jahre?

Hollmann: Das weiß ich aktuell nicht. Vielleicht spricht vieles dafür, weil mir das liegt und weil ich das auch gerne mache. In mir wohnt diese Beklopptheit und Geilheit auf Fußball. Ich brenne absolut für die Sache, brenne aber auch für meine Aufgaben als Geschäftsführer. Es macht mir unfassbar viel Spaß.

Josef, Sie sollen zur neuen Saison die sportliche Leitung übernehmen. Parallel zum Trainerjob?

Cinar: Wir werden im Verein zeitnah eine Entscheidung treffen, wie es mit mir weitergehen wird. Egal in welcher Funktion: Ich brenne dafür, am Spielfeld und nah an der Mannschaft zu sein. Ob in der Funktion des sportlichen Leiters, als Trainer oder in irgendeiner anderen Funktion, wird sich zeigen.

Das Interview führte Mirko Blahak.

Zur Person

Josef Cinar (35) spielte zwischen 2008 und 2011 sowie zwischen Januar 2017 und September 2018 für Eintracht Trier. Weitere Stationen als Spieler: Verl, Burghausen, Chemnitz, Erciyesspor, Gaziantep. Im Oktober 2018 übernahm er bei der Eintracht den Trainerjob vom entlassenen Daniel Paulus.

Torge Hollmann (37) kam 2010 vom SV Wehen Wiesbaden zur Eintracht. Vorherige Stationen: Meppen und Freiburg. Hollmann spielte bis 2016 für den SVE. Danach übernahm er den Posten des Geschäftsführers, den er auch aktuell neben seiner Tätigkeit als Assistenztrainer ausfüllt.

Sowohl Cinar als auch Hollmann sind im Besitz der Trainer-B-Lizenz.

Aufrufe: 015.2.2019, 06:00 Uhr
Mirko BlahakAutor