2024-05-24T11:28:31.627Z

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"So geht das nicht weiter. Die lachen uns alle aus": Daniel Weber (mit Krücken) und sein Bruder Andreas (4.v.r.) sind Brüder. Daniel ist zudem der Trainer, Andreas der Co-Trainer beim VfR Moorenbrunn. Foto: Roland Fengler
"So geht das nicht weiter. Die lachen uns alle aus": Daniel Weber (mit Krücken) und sein Bruder Andreas (4.v.r.) sind Brüder. Daniel ist zudem der Trainer, Andreas der Co-Trainer beim VfR Moorenbrunn. Foto: Roland Fengler

Zwei Brüder im Niemandsland der Tabelle

Alltag in der A-Klasse - Folge 23: Für Moorenbrunn ist die Saison gelaufen, deshalb haben die beiden Trainer jetzt beschlossen, den Libero abzuschaffen

Ein holpriger Sandplatz, in der Kabine eine Kiste Bier, das Trikot riecht nach Ziga­retten — man erzählt viel über die A-Klasse. Aber auch, dass man dort den Fußball noch so erleben kann, wie er ursprünglich einmal war. Wir wollen her­ausfinden, wie es wirklich ist in den Niederungen des Amateurfußballs. Des­halb begleiten wir die A-Klasse 6 — eine ganze Sai­son lang. Heute: das Bru­dertrainerpaar Weber aus Moorenbrunn.

Als es endlich vorbei ist, schnappt sich Daniel We­ber seine Krücken und humpelt die paar Meter hinüber in die Sonnen­strahlen. Für ein Vorberei­tungsspiel hatte sich der 28-Jährige vor wenigen Wochen ins Tor gestellt. Sie haben drei Torhüter, aber an diesem Tag war kei­ner gekommen. Es lief ganz gut, dann ist Weber weggerutscht — Außenme­niskusriss, Operation, jetzt die Krücken. Weber hum­pelt dorthin, wo sich seine Spieler gerade enttäuscht auf dem Rasen niedergelas­sen haben. Auch sein Bru­der Andreas sitzt ver­schwitzt dort und starrt ins Nichts. Er hatte als letzter Mann so etwas wie eine Schlüsselrolle in diesem Spiel, DJK Falke II gegen VfR Moorenbrunn war auch ein Kampf der Spielsyste­me: moderne Viererkette gegen klassi­schen Libero. Die Viererkette hat gewonnen, 4:0.

Einer zieht jetzt seine schmutzigen Schuhe aus, ein anderer reißt einen Streifen Klebeband vom Stutzen — ansonsten ist es mucksmäuschenstill. Bis Daniel Weber das Wort ergreift. „Jungs“, sagt er in einer Mischung aus Mitleid und Empörung, „so geht das nicht weiter. Die lachen uns alle aus!“ Gelacht haben tatsächlich ein paar über einen Tag, an dem so ziemlich alles schiefläuft, was schieflaufen kann beim VfR Moorenbrunn. Rau­nen, als ein Torschuss über den Fang­zaun die Dachziegel eines angrenzen­den Wohnhauses gefährlich wackeln lässt, Gekicher, als ein Befreiungs­schlag in den Garagenhof krachte, Ge­lächter, als dem Linienrichter aus Ver­sehen die Fahne aus der Hand geschos­sen wird. „So“, weiß Daniel Weber, „kann man hier nicht auftreten.“ Hier, das ist die A-Klasse 6. Hier zählt nur der Zweikampf, Mann gegen Mann, neunzig Minuten lang. So wie kurz vor dem Abpfiff, als der talentier­te Stürmer mit dem übermotivierten Torhüter zusammenkracht. Ein Ge­räusch wie mit dem Fleischklopfer, kurze Rudelbildung, dann ein Klaps aufs Hinterteil — alles wieder gut. Die A-Klasse ist so, wie man sich gern den schottischen Fußball ausmalt: hart, manchmal roh, dafür immer ehrlich. Für spielerische Raffinessen und takti­sche Kniffe ist kein Platz, das weiß jeder. Nur Moorenbrunn versteht das irgendwie noch nicht.

Schon in der Pause, als Weber mit seinen Krücken die Stufen zur winzi­gen Kabine hinuntergehumpelt war, hatte er seine Spieler deshalb zusam­mengeräumt. „Hört auf euch anzume­ckern, haltet endlich dagegen“, rief er in die Runde. Gebracht hat es wenig.

„Die Jungs können es ja eigentlich“, versichert Andreas Weber, der Bruder des Trainers. Er trägt die Nummer 23, „mein Hochzeitsdatum ist der zweite März“, erklärt er und dass die Spieler im Training immer groß aufspielen. „Vor den Gegnern“, sagt er, „haben sie im Spiel dann aber immer Angst.“ Richtig dagegengehalten hat des­halb nur er, er hat ja auch schon höher­klassig gespielt, in der Kornburger Kreisliga-Reserve. Dort, wo sonst der Nachname auf dem Trikot steht, kann man bei Andreas Weber zudem „Lun­ge“ lesen — „weil ich laufen kann bis ich kotz’ und dann noch weiter“. So viel er aber auch lief — Falke war immer schon da. Ein wenig Konzentra­tion im Abschluss und es wäre mehr als ein 0:4 geworden. Als die Nummer zehn, „einer von der Ers­ten“, wie es heißt, die nächste Hundertprozenti­ge vergeigt, gibt es Hohn von der Tribüne: „Du wärst einer für den Club.“ „Ihr habt eine gute, jun­ge Mannschaft“, lobt der Heimtrainer trotzdem auf dem Weg zur Kabine. „Aber hinten, Andi, da seid ihr offen wie ein Scheunentor.“ Das wollen sie jetzt ändern, die Vierer­kette einführen, es geht ja längst um nichts mehr.

Seit fünf Spieltagen hat Moorenbrunn nicht mehr gewonnen. Zwölf Punkte aus fünfzehn Spielen rei­chen für Platz zehn, das ist das Niemandsland. Vorne mitspielen, sagen die We­bers, das wäre was. So wie damals, als Daniel zur Be­zirksliga- Aufstiegsmann­schaft des TSV Kornburg gehörte. Er war der Joker, weil er nach seinen Ein­wechslungen immer gut war für ein Tor. Deshalb hat er sich das jetzt auch so auf sein Trikot drucken las­sen. In der BOL saß der Joker dann aber nur noch auf der Bank. Weber ging.

„Erst mal aussortiert“

Seit zwei Jahren, als die Moorenbrunner Verant­wortlichen ihn und seinen Bruder von Spielern zu Spielertrainern machten, spielen sie A-Klasse. Zer­stritten war die Mann­schaft damals, „wir muss­ten aussortieren“, sagt Da­niel Weber. Er hat die A-Jugend dann hochgezogen, im Grunde sind sie jetzt die erste Mannschaft. Seitdem ist die Stim­mung gut, zwanzig Mann kommen immer ins Training, manchmal gehen sie gemeinsam Bowling spielen oder feiern. „Meiner Frau habe ich vor der Hochzeit gesagt, dass sie das ak­zeptieren muss“, sagt Andreas Weber. Sein Freundeskreis wusste das mit der Leidenschaft zum Fußball schon — „das sind ja diese Jungs.“

Wenn sie nicht gerade wieder verlo­ren haben, sagen die Brüder, macht es riesig Spaß. Ihre Trainer, sagen die Spieler, sind schwer in Ordnung, man könne mit allen Problemen zu ihnen kommen. Deshalb tun sie ja auch immer so weh, diese Niederlagen.



Aufrufe: 08.4.2015, 09:21 Uhr
Christoph Benesch (NN)Autor