2024-04-25T14:35:39.956Z

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BFV-Präsident Dr. Rainer Koch   F: BFV
BFV-Präsident Dr. Rainer Koch F: BFV

"Zukunft der Vereine liegt mir am Herzen"

Verbandspräsident Rainer Koch über ausblutende Vereine, Begeisterung der Jugend und finanzielle Probleme im Amateurfußball

„Den Amateurfußball in den Vereinen fit machen für die Zukunft“, das hat sich der Präsident des Bayerischen Fußballverbandes (BFV), Rainer Koch, auf seine Fahnen geschrieben. Ein Jahr noch ist es bis zum Verbandstag. Im Redaktionsgespräch beim FuP-Partner Nordbayerischer Kurier in Bayreuth gewährte der 54-Jährige einen kleinen Einblick in seine Planungen.

„Wir wollen nicht, dass Vereine schließen oder fusionieren müssen. Oberstes Ziel ist es, trotz starker Geburtenrückgänge, einer veränderten Arbeits- und Freizeitwelt und schwieriger Finanzlage so viele Vereine wie möglich zu erhalten“, gab Koch angesichts ländlicher und bevölkerungsschwacher Regionen zu verstehen. Dass dazu grundsätzlich einiges anders werden muss, liegt in der Natur der Sache. „Wir müssen uns die Frage stellen: Wo will ich eigentlich hin?“ Koch denkt an Modifikationen im Jugendspielbetrieb („Es kann durchaus wieder in die Richtung gehen, Doppeljahrgänge spielen zu lassen.“), die Einführung einer Fair-Play-Liga bei den E- und F-Junioren ohne Schiedsrichter – „weil das Gerechtigkeitsempfinden bei den Kindern generell ausgeprägter ist“ –, oder veränderte Mannschaftsgrößen. Die Einführung der sogenannten „Runden Tische“ sah Koch als positiv an, bei denen bayernweit mit den Vereinen diskutiert wird und deren Ergebnisse mit einfließen sollen.

Koch ist natürlich klar, dass die Existenz vieler kleiner Vereine durch starke Geburtenrückgänge, die zunehmende Belastung der ehrenamtlichen Mitarbeiter, einen Mangel an qualifizierten Funktionsträgern, die schwierige Finanzsituation, steigende Konkurrenz durch kommerzielle Sportanbieter und ein verändertes Freizeitverhalten gefährdet ist. Mit der Kampagne „Pro Amateurfußball“, die aus den erhöhten Vereinswechselgebühren finanziert wurde, werden den Vereinen seit 2011 Tipps an die Hand gegeben. Rund eine Million Euro investiert der Bayerische Fußball-Verband jährlich in diese Kampagne, mit der die bayerischen Fußballvereine für zukünftige Herausforderungen und die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen fit gemacht werden sollen.

Noch keine Rolle, so Koch, spiele die veränderte Mediennutzung: „Dafür gibt es noch keine Anhaltspunkte, aber natürlich muss man sich immer wieder Gedanken machen, wie unsere Sportart attraktiv bleibt.“ Die Spielklassenreform bis in die Kreise und Bezirke war ein Schritt in diese Richtung. „Wir haben jetzt kürzere Fahrten und mehr Derbys. Und für den Zuschauer ist es gar nicht so wichtig, ob sein Verein in der vierten, fünften oder sechsten Liga mitspielt, sondern wichtig ist, dass man gewinnt und vor allem, dass man gegen die richtigen Mannschaften gewinnt.“

Wichtig sei es aber auch, sich mit der Beitragsstruktur im Verein auseinanderzusetzen. „Dem BFV ist durchaus bewusst, dass manche Familien und ganz besonders Alleinerziehende mit mehreren Kindern, die alle im Verein Fußball spielen wollen, aber auch Arbeitslose bei leistungsgerechten Beiträgen Summen bezahlen müssten, die sie nicht aufbringen könnten." Koch zeigt einen möglichen Ausweg aus dieser „Beitragsfalle“: „Eine Anpassung des Mitgliedsbeitrags, der bei entsprechender Mitarbeit im Verein individuell wieder gesenkt werden kann, so dass nach wie vor auch sozial schwächere Vereinsmitglieder voll am Vereinsleben teilnehmen können.“ Dadurch steige zudem die Attraktivität ehrenamtlicher Arbeit, die nach wie vor die größte und wichtigste Einnahmequelle jedes Amateurvereins ist.

Zwar ist die Fußballbegeisterung bei den Jugendlichen ungebrochen. „Fußball ist mit Abstand nach wie vor die Sportart Nummer eins“, weiß Koch: „Trotzdem müssen wir uns auf sinkende Mannschafts- und Spielerzahlen einstellen – der demografische Wandel macht auch vor dem Fußball nicht Halt. Wer heute nicht geboren wird, kann in zehn Jahren auch nicht bei den E-Junioren spielen.“ Und die Freizeitgesellschaft verändere sich zu einer Eventgesellschaft. „Wir müssen daher einen besonderen Höhepunkt schaffen, um Menschen für den Fußball zu begeistern. Und eine Idee geistert schon seit Jahren durch meinen Kopf: Ein großes zentrales Fest des Amateurfußballs, der Juniorinnen und Junioren, der Freizeit- und Breitenfußballer.“ Und diese „Fußballiade“ soll im Jahr 2015 zwischen dem 4. und 7. Juni tatsächlich stattfinden. „Die Turner haben mit dem Landesturnfest etwas Vergleichbares schon seit Jahrzehnten! Und als Ausrichterstadt wünschen wir uns Landshut, das sich bereits als Ausrichter des Landesturnfestes 2011 bewährt hat und das dem BFV neben anderen Großevents als organisatorisches Vorbild dienen soll.“ Viele Vereins-, Team- und Einzelwettkämpfe rund um den Fußball sollen die Veranstaltung prägen. „Einen Fußball-Biathlon könnte ich mir lebhaft vorstellen“, meinte Koch.

Natürlich ist man sich beim BFV durchaus auch bewusst, dass ein ordnungsgemäßer Spielbetrieb nur möglich ist, wenn genügend Unparteiische zur Verfügung stehen. 2011 und 2012 war trotz großer Anstrengungen in den Schiedsrichtergruppen, zahlreichen Neulingskursen und Fortbildungsangeboten erstmals wieder ein Rückgang bei den Schiedsrichterzahlen zu verzeichnen, ein Trend der deutschlandweit in vielen Landesverbänden zu erkennen ist. „Hier wurde eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, die die Gründe für diese Entwicklung untersucht“, ließ Koch wissen. Basierend auf den zu erwartenden Ergebnissen will man Maßnahmen ergreifen: „Tatsache ist aber auch, dass auch im unteren Bereich viel Gesprächsbedarf besteht.“ Vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion zum Thema Gewalt im Fußball und Gewalt gegen Schiedsrichter haben sich Rainer Koch und Verbandsschiedsrichterobmann Rudolf Stark in Dezember in einem Schreiben an alle bayerischen Schiedsrichter gewandt und die Referees um Rückmeldung gebeten. Insgesamt 1060 Schiedsrichter haben geantwortet und ermöglichten konkrete Einblicke in das Schiedsrichterwesen. Die Ergebnisse werden Anfang März bekannt gegeben. Eine Feststellung ist schon jetzt möglich: Bayerns Schiedsrichter fühlen sich einerseits sicher und sind nur in den seltensten Fällen (nur vier von 1060 antwortenden Unparteiischen) bislang selbst tätlich attackiert worden. 90 Prozent aller Schiedsrichter bestätigen dies ausdrücklich. Gleichzeitig äußern aber andererseits über 40 Prozent, dass sie sich Sorgen machen. Nun Prozent haben Angst vor Angriffen. Zudem beklagen sie in starkem Maße verbale Attacken von Zuschauern und Vereinsverantwortlichen.

Eine Herzensangelegenheit ist für Koch die Sicherheit in den Stadien: „Das größte Problem ist ganz klar die Pyrotechnik. Wenn die Fans erkennen, dass Pyros verboten sind, werden alle weiteren Sicherheitsfragen einvernehmlich gelöst. Und wir müssen den Dialog mit den Fans weiter intensivieren.“ Primäres Ziel der DFB-Sportgerichtsbarkeit sei nicht die Bestrafung von Vereinen, sondern die Ermittlung der verantwortlichen Täter, deren Bestrafung und die Verhinderung zukünftiger Ordnungsverstöße. „Dabei ist sie auf die Unterstützung und Mitwirkung der für die unmittelbare Spielorganisation verantwortlichen Vereine ebenso angewiesen wie auf die Mithilfe der Prozent rechtstreuen Fußballfans in den Stadien. Muss denn erst etwas Schlimmes passieren, damit sich etwas bewegt?“

Aufrufe: 05.3.2013, 11:00 Uhr
Herbert Steininger / NKAutor