2024-05-02T16:12:49.858Z

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Wolfgang Wallesch zählte über Jahre zu den besten Schiedsrichtern in Niederbayern.
Wolfgang Wallesch zählte über Jahre zu den besten Schiedsrichtern in Niederbayern. – Foto: Dirk Meier

Wolfgang Wallesch: »Schiedsrichter aus Leidenschaft«

Schiedsrichter-Serie »Aus dem Abseits« (11): Der langjährige Bayernliga-Referee spricht im FuPa-Interview Klartext +++ "Ich bin stolz darauf, dass ich so lange in dieser Spielklasse war, obwohl ich nicht der angepasste Schiedsrichter war und durchaus angeeckt bin"

Sie werden oft kritisiert und wenig gelobt. Sie müssen in Sekundenschnelle Entscheidungen treffen, die nicht immer richtig sind und nicht selten zu viel Unmut führen. Dennoch oder gerade deshalb würde es ohne sie kein Fußballspiel geben - die Schiedsrichter. Nach den erfolgreichen Portrait-Serien über ehemalige Spielergrößen und bekannte Trainer aus dem niederbayerischen Fußball geben wir nun einmal den Unparteiischen eine Bühne, die sonst eher nicht unbedingt im Blickpunkt des Geschehens stehen. Heute: Wolfgang Wallesch (48).

Warum bist Du Schiedsrichter geworden und nicht Fußballer?
Für heutige Verhältnisse bin ich mit 21 Jahren relativ spät Schiedsrichter geworden. Aktiver Fußballer war ich bei meinen Heimatvereinen SC Postau und SSV Weng und zuletzt beim FC Dingolfing. Mein damaliger Verein, der SSV Weng, hatte zu wenig Schiedsrichter, ich war ein kleiner Schlauberger (u. a. kassierte ich zwei Platzverweise wegen SR-Beleidung) und dachte mir, das kann ich besser. Das war zumindest anfangs eine krasse Fehleinschätzung. Nach einem Kreuzbandriss beim FC Dingolfing habe ich in der Verletzungspause verstärkt gepfiffen und es hat mir immer mehr Spaß gemacht. Irgendwann musste ich mich entscheiden und so bin ich zu 100 Prozent Schiedsrichter geworden. Kurzum: als Spieler war ich nicht ganz talentfrei, aber Schiedsrichter zu werden war die absolut richtige Entscheidung. Nach wie vor gilt für mich: ich bin Schiedsrichter aus Leidenschaft – unabhängig von der Liga und vom Spiel.

– Foto: Dirk Meier


Was war das schönste Erlebnis Deiner Laufbahn?
Als Schiedsrichter verstehe ich mich immer als Sportler und deshalb sind es natürlich auch die Erfolge, die man feiern kann. Mein schönstes Erlebnis war der Aufstieg 2004 in die Bayernliga, die damals die vierte Liga war. Besonders war es deshalb, weil ich nach fünf Jahren in der Landesliga nicht mehr damit gerechnet hatte. Ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass ich so lange in dieser Spielklasse war, obwohl ich nicht der angepasste Schiedsrichter war und durchaus angeeckt bin. Leider wurde mir aus Altersgründen zweimal der Weg in die Regionalliga Bayern verwehrt. Ich habe trotzdem weitergemacht und es nie bereut. Mein Tipp daher an die Jugend: nie aufgeben, konsequent weiterarbeiten, sich selbst treu bleiben, Spaß haben und sich nie zu sehr unter Druck setzen (lassen).


In welchem Stadion bzw. auf welchem Fußballplatz pfeifst Du oder hast Du besonders gerne gepfiffen?
Allgemein sind es Sportanlagen, bei denen die Beteiligten und Zuschauer relativ nahe am Platz sind. Egal ob Hof, Würzburg (FV), Feucht, Buchbach, Pipinsried, Miltach, Neufraunhofen oder Niederalteich – am liebsten habe ich jedoch immer im Bayerischen Wald gepfiffen – egal in welcher Liga. Die Stimmung und die Menschen sind mir doch sehr ans Herz gewachsen.

Sogar als Werbeträger für die Olympia-Kandidatur 2018 fungierte Wallesch.
Sogar als Werbeträger für die Olympia-Kandidatur 2018 fungierte Wallesch. – Foto: Gerd Jung


Gibt es einen Spieler, der Dich - egal ob fußballerisch oder menschlich - in Deiner Zeit als Schiedsrichter besonders beeindruckt hat?
Nein, diesen einen gibt es nicht. Ich hatte das Glück, sehr viele beeindruckende Spieler, Trainer und Verantwortliche kennenlernen zu dürfen. Als Schiedsrichter lernst Du sehr viel im Umgang von und mit Menschen. Grundsätzlich finde ich die Menschen besonders beeindruckend, die sich nach dem Spiel genauso verhalten wie vor dem Spiel. Während der 90 Minuten hat jeder seine Aufgabe und seine Ziele. Da können schon mal Konflikte entstehen, aber dafür gibt es ja uns Schiedsrichter. (schmunzelt)


Wie kann Dich ein Spieler oder Trainer auf die Palme bringen?
Ich bin immer (bzw. meistens) sehr gelassen und wenn es nicht so scheint, dann ist es Teil meiner Kommunikation bzw. Spielleitung. „Klappern gehört zum Handwerk“. Unabhängig davon finde ich es übertrieben, wie sich manche Beteiligte bei vermeintlichen (noch so kleinen) Fehlentscheidungen benehmen. Hier gibt der Profifußball ein erschreckendes Beispiel ab.

– Foto: Harry Rindler


Was ist für Dich die sinnloseste Regel im Fußball?
Gelbe und rote Karten für Trainer und Offizielle. Das braucht keiner und das muss auch anders gelöst werden können. An dieser Stelle möchte ich aber auch eine gute Regel (-anpassung) erwähnen: dass sich Spieler der angreifenden Mannschaft nicht mehr in die Mauer stellen dürfen.


Was hältst Du von der Handspielregel in der momentanen Form?
Es wurde versucht, eine zugegebenermaßen schwierige Regel immer weiter zu optimieren. Das ist nicht komplett gelungen und wir werden das auch nicht schaffen. Von dieser Idee sollten wir uns verabschieden. Es wird immer diese eine Szene geben, die zu Diskussionen führt. Aus meiner Sicht sollten wir die Regel nicht nahezu jährlich verändern und den Status quo so belassen. Verständnis schafft Vertrauen und Akzeptanz.

– Foto: Michael Wagner

Was war der kurioseste Platzverweis, den Du ausgesprochen hast?
Oh je, das waren doch einige. An eine rote Karte erinnere ich mich allerdings noch gut. In einem Landesligaspiel beschimpfte in der 85. Minute der Torwart der mit 10:0 (!) führenden Mannschaft einen gegnerischen Spieler über 50 Meter hinweg so dermaßen unflätig, dass ich den Begriff hier nicht erwähnen will. Ich musste ihm Rot geben und habe ihm gesagt, dass er echt einen Schuss hat.

Gibt es ein Spiel, das Du nie vergessen wirst?
Das war ein Spiel in der Regionalliga Österreich. TSV McDonald‘s St. Johann im Pongau gegen SV Austria Salzburg. Alleine der Name des Heimatvereins war die Reise wert. (lacht) Dauerregen bei der Anreise, ebenso während der 90 Minuten. Pfützen auf dem Spielfeld (grenzwertige Bedingungen), viele Zuschauer, enger Platz, ständig bengalisches Feuer (war damals in Österreich noch erlaubt), ein tolles Spiel und wir als SR-Team konnten dazu beitragen.

Der ein oder andere Platzverweis ließ sich in seiner langen Karriere nicht vermeiden.
Der ein oder andere Platzverweis ließ sich in seiner langen Karriere nicht vermeiden. – Foto: Dirk Meier


Welchen Schiedsrichter aus dem Profibereich findest Du richtig gut?
Respekt vor allen Schiedsrichtern und gerade auch den Assistenten in diesen Ligen. Alle, die dort aktiv sind, machen einen überragenden Job und es gibt nun mal viele Entscheidungen im Graubereich. Am Fernseher, nach unzähligen Wiederholungen und ganz entspannt auf der Couch ist es immer einfacher, fast wie bei „Wer wird Millionär“. Klasse finde ich Deniz Aytekin. Er und ich waren als junge Kerle oft auf sogenannten Förderlehrgängen. Er hat eine tolle Entwicklung genommen – sowohl als Schiedsrichter als auch als Mensch. Ich freue mich sehr für ihn.


Wie würdest Du Deine Art der Spiel- und Menschenführung auf dem Platz beschreiben?
Hart und konsequent, insbesondere bei Unsportlichkeiten. Es muss allen Beteiligten klar sein, was geht und was nicht.


Hart und konsequent: so beschreibt sich Wolfgang Wallesch selbst.
Hart und konsequent: so beschreibt sich Wolfgang Wallesch selbst. – Foto: Harry Rindler



Für Spieler, Trainer oder Fans einer Mannschaft gibt es ja entweder Sieg, Unentschieden oder Niederlage, Freude oder Frust. Was ist für einen Schiedsrichter ein gelungenes, erfolgreiches Spiel?
Viele würden jetzt sagen, dass es ein Spiel ist, in dem der Schiedsrichter nicht sonderlich in Erscheinung getreten ist. Eine sozial erwünschte Antwort. Ich sehe das differenzierter. Als SR muss ich ein Spiel leiten und den Regeln Geltung verschaffen, das ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich und da kann und darf ich nicht immer unauffällig und zurückhaltend bleiben. Für mich ist es ein gelungenes Spiel, wenn ich jederzeit die Spielkontrolle hatte, die maßgeblichen Entscheidungen, wie z. B. Strafstöße, Abseits oder persönliche Strafen richtig waren und ich durch mein Spielverständnis zu einem schönen, flotten Spiel beitragen konnte.


Wie beurteilst Du den bisherigen Einsatz des Video-Assistenten im Profifußball?
Ich bin - so wie er heute oftmals eingesetzt wird - kein großer Befürworter des Video-Assistenten. Bei mir entsteht der Eindruck, dass zu viel und zu oft aus Köln interveniert wird. Die Aufgabe sollte auf Abseits- und Strafraumentscheidungen reduziert werden. Der Schiedsrichter auf dem Platz muss der Entscheider und der Souverän sein. Zudem brauchen wir gegenüber den Beteiligten und Fans mehr Transparenz.

Auch der Spaß durfte und darf natürlich nicht fehlen.
Auch der Spaß durfte und darf natürlich nicht fehlen. – Foto: Franz Nagl

Zur Person:

Wolfgang Wallesch legte 1993 mit 20 Jahren seine Schiedsrichterprüfung ab und schaffte nur sechs Jahre später den Aufstieg in die Landesliga. 2004 folgte für den gebürtigen Landshuter dann der nächste Schritt in die Bayernliga, in der er 13 Jahre lang aktiv war. Zeitweise fungierte er auch als Assistent in der Junioren-Bundesliga sowie in der Herren-Regionalliga. 2019 war der Prokurist und Direktor Vertrieb & Marketing bei einem Baustoffkonzern kurzzeitig als Schiedsrichter-Beobachter bis hinauf zur Bayernliga tätig. Allerdings beendete er diese Tätigkeit nach nur kurzer Zeit. "Ich habe einfach ein anderes Verständnis, wie man Menschen weiterentwickelt", begründet der 48-Jährige diese Entscheidung. Aktuell pfeift Wolfgang Wallesch hauptsächlich in der Kreisklasse und bei Bedarf auch noch in der Kreisliga.

– Foto: Charly Becherer

Aufrufe: 027.6.2021, 11:00 Uhr
Tobias WittenzellnerAutor